Pius II. Ursprüngl.: Enea Silvio Bartolomeo (de’) Piccolomini (de Senis). Papst. Humanist. Gelehrter, Chronist und Schriftsteller. Mäzen. * 18.10.1405 Corsignano (nach P. benannt seit 1462: Pienza) in der Toskana, † 14.8.1464 Ancona, begraben in Rom, nach Überführung aus dem Petersdom seit 1614 in der Kirche Sant’Andrea della Valle. P.’ Herz wurde im Dom San Ciriaco in Ancona bestattet.
Piccolomini (nachfolgend abgekürzt als: P.), gerade vom Konzil in Basel kommend, reiste wohl erstmals im September 1432 nach Ffm., damals als Sekretär des Fürstbischofs Nikodemus della Scala von Freising († 1443), in dessen Auftrag er am Ffter Fürstentag teilnahm. Im Sommer 1442 weilte P., inzwischen als Schriftsteller und Redner berühmt, erneut in Ffm. Als Legat des Konzilspapsts Felix V. (1383-1451; im Amt als Gegenpapst 1439-49), für den er seit 1439 arbeitete, sollte er hier König Friedrich III. (1415-1493) in der Suprematiefrage zugunsten des Konzils stimmen. Doch der König ließ sich vor allem für P.s Rhetorik begeistern und krönte ihn zum Poeta laureatus (27.7.1442). Kurze Zeit später nahm Friedrich III. den Schriftsteller in die königliche Kanzlei in Wien auf (1442-54) und betraute ihn mit wichtigen diplomatischen Aufgaben; P. bereitete die Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom vor und führte ihm Eleonore von Portugal (1436-1467) als Braut zu (1452). Inzwischen war P. in den geistlichen Stand gewechselt (Empfang der niederen Weihen 1445, der Priesterweihe 1447). Bald stieg er zum Bischof von Triest (1447), Bischof von Siena (1450) und Kardinal (1456) auf.
Nach der Eroberung von Konstantinopel durch den osmanischen Sultan Mehmed II. am 29.5.1453 organisierte P. für den Kaiser in schneller Folge 1454/55 drei „Türkenreichstage“, in Regensburg, in Ffm. und in Wiener Neustadt, um die Christenheit gegen die „Türkengefahr“ zu mobilisieren. Bei dem Ffter Reichstag hielt P. im Römer am 15.10.1454 eine charismatische Rede, mit der er die zuvor ziemlich träge Versammlung aus ihrer diffusen Haltung riss und zu konkreten Beschlüssen bewegte, u. a. zur Aufstellung eines Heerzugs mit einer Stärke von 40.000 Mann. Seine Ffter „Türkenrede“, gemäß der Anfangsworte „Constantinopolitanae clades“ (dt. „Der Untergang Konstantinopels“) betitelt, hatte der elegante Rhetoriker bewusst nach dem antiken Vorbild von Ciceros „De imperio Gnaei Pompei“ abgefasst und als ein brillantes humanistisches Kunststück inszeniert. In dieser Rede setzte P. „Europa“ appellativ als politischen Begriff ein: „Seit vielen Jahren hat die Gemeinschaft der Christen nie eine so große Schmach erlebt wie heute. Denn früher wurden wir in Asien und Afrika, also in fremden Ländern, verwundet; nun aber sind wir in Europa, das heißt im Vaterland, im eigenen Haus, in unserer Heimat getroffen und niedergemetzelt worden.“ (Übersetzung d. Verf.) Seit den 1950er Jahren wird P. daher häufig, allerdings in Verkennung des martialischen Kontexts der Rede, als „Vater des Europagedankens“ bemüht.
Eine besondere Beobachtung, die P. wahrscheinlich bei dem Reichstag in Ffm. 1454 machte, teilte er dem spanischen Kardinal Juan de Carvajal (um 1399/1400-1469) in einem Brief aus Wiener Neustadt vom 12.3.1455 mit: Er habe erstmals gedruckte Bögen einer Bibelausgabe („einige Quinternionen [d. i. fünf Lagen] von verschiedenen Büchern [der Heiligen Schrift]“) gesehen, „in gestochen scharfer und absolut korrekter Schrift, an keiner Stelle nachgemalt; deine Gnade könnte sie ohne Mühe und ohne Brille lesen“. Auch wenn er, P., zwar keine gebundenen Bibeln gesehen habe, so seien die Bücher doch schon fertig. Dieser Hinweis, erst 1981 entdeckt und publiziert, ist die früheste Erwähnung des vollendeten ersten Bibeldrucks von
Johannes Gutenberg. Demnach wäre die erste (die 42-zeilige) Bibel von
Gutenberg schon etwa zwei Jahre früher fertig gedruckt gewesen, als die Buchforschung ursprünglich aufgrund einer Datierung in einem Exemplar der Gutenbergbibel im Besitz der Bibliothèque Nationale in Paris annahm.
Im Amt als Papst Pius II. (seit 1458) kam P. einmal eine Rolle in der Ffter Stadtpolitik zu, als es um die Errichtung der Judengasse ging. Nach wiederholten Forderungen des Kaisers, die Juden aus ihrem alten Quartier in zentraler Lage unmittelbar am Dom und am dortigen Friedhof zu entfernen, hatte der Rat der Stadt Ffm. bereits mit dem Bau der Judengasse am östlichen Rand des Stadtgebiets begonnen. Da soll es dem Rat plötzlich, so der jüdische Historiker
Isidor Kracauer, „schwer aufs Gewissen“ gefallen sein, dass „er ein Werk unternommen, das eigentlich gegen die kirchlichen Satzungen verstieß“, zumal mit der Umsiedlung der Juden in ein neues Wohnquartier auch der Abriss der alten und der Bau einer neuen Synagoge verbunden waren. Sicherheitshalber holte der Rat daher die Genehmigung des Papstes für das Vorhaben ein. In einer Bulle vom 7.10.1462 pries Pius II. die Einrichtung des neuen Ghettos am Stadtrand als lobenswert, fromm und gottgefällig. Noch im selben Jahr zogen alle jüdischen Familien in die neu erbaute Judengasse um.
In seinem Pontifikat blieb für P. die weiterhin ungelöste „Türkenfrage“ drängend. Trotz entsprechender Maßnahmen (Fürstenkongress in Mantua, 1459; Verfassen einer „Epistula ad Mahumetem“, 1460; Kreuzzugsbulle, 1463) konnte er keinen Heereszug zur „Befreiung von Konstantinopel“ und Zurückdrängung der Türken auf dem Balkan erreichen. Da entschloss sich der schwerkranke Papst, sich selbst an die Spitze eines „Türkenkreuzzugs“ zu stellen, und begab sich zu diesem Zweck nach Ancona, wo er starb.
Als Schriftsteller hinterließ P. ein gewaltiges Oeuvre, das in mehreren Genres innovativ war; von keinem anderen Gelehrten des 15. Jahrhunderts sind so viele Textzeugnisse überliefert wie von ihm. Seine historio-, bio- und geographischen Beobachtungen und Traktate ebenso wie die höfischen und kurialen Gravamina sind überaus wertvolle Quellen für die Nachwelt, wie die erwähnte Beobachtung vom Ffter Reichstag zur Entstehung der Gutenbergbibel 1454 zeigt.
Die Stadt Ffm. verdankt P.s humanistischer Beobachtungs- und Fabulierlust auch eine „verbale Vedute“. Die Stelle entstammt dem 12. Buch der Commentarii, der Memoiren P.s, die er während seines Pontifikats niedergeschrieben hat. Ffm., so heißt es da, sei eine „Stadt, die am Main liegt und berühmt ist für ihre zahlreichen Märkte. Hier nämlich kommen die Wähler zusammen, wenn der Thron Germaniens vakant ist, und, eingeschlossen im Rathaus, wählen sie den Herrscher – wenn sie ihn auch noch nicht Kaiser nennen, bevor er nicht in Rom gekrönt worden ist. Wenn er in Aachen den Kopfreif empfangen hat, nennen sie ihn den römischen König, zuvor den Erwählten. Die heiligen Gebäude [wörtlich: Tempel], die Gott geweiht sind, sind überaus prächtig und die Häuser der Bürger ansehnlich, auch wenn der größere Teil von ihnen aus Holz errichtet wurde. Alle Häuser sind mit sehr dünnem, bleifarbenem Stein bedeckt, den man bei uns Prunkstein [d. i. Schiefer] nennt. Die zerspaltenen Steinplättchen sind in einer Weise verlegt, dass es aussieht, als würden Fischschuppen nachgeahmt, und in der Sonne leuchten sie und erscheinen in einem wunderbaren Glanz. Der Main entspringt den nahen böhmischen Bergen und strömt nach Westen, er fließt durch Würzburg und durch mehrere andere fränkische Städte. Bei Frankfurt ist eine steinerne Brücke [über den Main] geschlagen, mit 14 Bögen und einer Bogenlücke an der Grenze zu der Stadt am anderen Ufer, die man in Friedenszeiten mit langen Balken überbrückt. Der Strom ist sehr ergiebig an Fischen, insbesondere an Aalen. Bei Mainz mündet der Main in den Rhein. Jeden Tag fährt ein Schiff mit einem Fassungsvermögen von 300 Mann von Mainz nach Ffm., ein anderes Schiff, von Pferden getreidelt, geht von Ffm. nach Mainz: So groß ist die Nachfrage nach Warenhandel.“
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