Die Bildhauerin lebte und arbeitete in Ffm.-Sachsenhausen. Von ihrem Werk, insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren, sind wesentliche Anstöße für die Entwicklung der abstrakten Skulptur ausgegangen.
Christa von Sch. stammte aus der Kölner Bankiersfamilie (von) Sch., die auf Sch.s Ururgroßvater Carl Eduard Sch. (1792-1864) zurückgeht. Der Großvater
Paul Wilhelm Jakob (von) Sch. (1856-1932), wohlhabender Bürger in (Bad) Münstereifel, erwarb 1902 das nahegelegene Gut Giersberg, das sich noch heute im Besitz der Familie befindet, und wurde 1913 in den erblichen Adelsstand erhoben. Neben den Bankgeschäften spielte die Kunst in der Familie eine zentrale Rolle. Viele Familienmitglieder verfügten über beachtliche Kunstsammlungen oder ergriffen künstlerische Berufe.
Tochter des Bankiers
Werner Arthur (von) Sch. (1888-1964) und dessen Ehefrau Eleonore Elise Emma, gen.
Nora, geb. von Görschen (1901-1983). Ein Bruder:
Paul Wolfgang von Sch. (1928-2003).
Sch. verbrachte ihre Kindheit in Rom, in Paris, wo ihr Bruder zur Welt kam, und in England. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs zog die Familie in die Niederlande, in das Zandvoorter Gästehaus des Bankiers und Kunstsammlers Eduard von der Heydt (1882-1964). Hier begegnete sie
Max Beckmann, der damals im Amsterdamer Exil lebte. In den Niederlanden erhielt Sch., die schon in ihrer Kindheit gezeichnet und geknetet hatte, ersten fachkundigen Modellierunterricht. Nach dem Tod der Großmutter 1941 kehrte die Familie von ihrem letzten Standort in Portugal nach Deutschland, auf das Landgut in (Bad) Münstereifel, zurück. Ihre letzte Schulzeit verbrachte Sch. im Internat Birklehof im Schwarzwald. Durch ihre Tante
Lilly von Sch.,
Beckmanns Mäzenin, kam sie an die Ffter Städelschule. Bei ihr in der Westendstraße konnte sie während der Studienzeit auch wohnen.
Von 1942 bis 1951 (mit Unterbrechungen durch Kriegs- und Nachkriegseinwirkungen) studierte Sch. bei
Toni Stadler (1888-1982), zuerst (bis 1944) an der Ffter Städelschule, dann (ab 1946) an der Akademie der Bildenden Künste in München, an die
Stadler berufen worden war. 1953 heiratete Sch.
Michael Croissant (1928-2002), der ab 1948 ebenfalls in der Bildhauerklasse bei
Stadler studierte. Zusammen mit
Croissant, Leo Kornbrust (* 1929), Herbert Peters (1925-2006) und später auch
Hans Steinbrenner gehörte sie zu den bekannt gewordenen Schülern
Stadlers aus seiner Bildhauerklasse.
Ihre erste Einzelausstellung hatte Sch. 1958 im Kunstverein Köln. 1964 erhielt sie den Burda-Preis für Plastik. Sie wurde Mitglied im Deutschen Künstlerbund und der Neuen Gruppe München. Mitte der 1960er Jahre kam Sch. zurück nach Ffm. und bezog zusammen mit ihrem Mann eine Wohnung in der Schwanthalerstraße in Sachsenhausen;
Michael Croissant lehrte von 1966 bis 1988 als Professor für Bildhauerei an der Städelschule. Erst zu dieser Zeit begann ihr eigentlicher künstlerischer Werdegang, die Loslösung von ihrem Lehrer, die Arbeit in einem eigenen Atelier in der Textorstraße 93, in der ehemaligen Kunstgießerei „Andreas Komo & Sohn“. Dort in dem Atelier, das sie von
Hans Steinbrenner vermittelt bekam und bis zuletzt nutzte, vollzog sie die Wandlung ihrer Arbeiten zu den für sie typischen streng abstrahierten und aufrechten Figuren.
Nach Umbrüchen im Privatleben begegnete Sch. im Februar 1984 der Künstlerin Gisela Nietmann (* 1935), die bildhauerisch zu dieser Zeit ähnlich wie sie arbeitete und mit der sie fortan in einer engen Ateliergemeinschaft zusammenarbeitete. Nietmann gründete 1986 einen eigenen kleinen Verlag und verhalf so auch Sch. zu einigen Publikationen. Viele Werke aus der Frühzeit wurden so dokumentiert und damit gesichert. Die bildhauerische Zusammenarbeit sollte insgesamt 19 Jahre dauern, Werke dieser Zeit firmieren oft unter beider Namen. Mit
Michael Croissant blieb Sch. bis zu dessen Tod 2002 verheiratet, auch wenn
Croissant 1991 wieder in der Nähe von München zog.
Aufhebens um ihre Person hat Sch. nie gemacht; sie ging selten aus und lebte zurückgezogen. Eine Porträtaufnahme der Fotografin Mara Eggert (* 1938) von 1979 zeigt die Künstlerin in ihrem Atelier mit mehreren ihrer aufrechten und schlanken, teilweise noch unfertigen Stelen. Sch. steht eng gedrängt in der rechten Ecke des Raums, teilweise noch von einem Sockel verdeckt.
Sch. hat kontinuierlich Figuren geschaffen: Das Figürliche blieb für sie auch bei einer noch so weitgehenden Abstraktion immer wesentlich. Auf frühe Skulpturen zum Thema Mensch, die sich noch sehr an Vorbildern ihres Lehrers
Toni Stadler orientierten (ca. 1948-53), und Tierplastiken (ca. 1953-55) folgten von ca. 1956 bis 1962 informelle Plastiken, die nach Wachsmodellen in Bronze gegossen wurden: hochabstrahierte Köpfe, Torsi und Fragmente. Bei diesen rundplastischen, morphologisch vielfältigen Skulpturen handelt es sich um Unikate, was ihrem Herstellungsverfahren geschuldet ist, nämlich der Wachsausschmelztechnik („Cire perdue“), bei der jede von Hand modellierte Form nur einmal verwendet werden kann.
In Ffm. erfand Sch. ihre Figuren zunächst überwiegend aus Holz oder Sperrholz, aus Brettern, Latten und Leisten, wobei das Material als Träger der Idee diente und nur das Nötigste mit Säge, Hobel und Feile herausgearbeitet wurde. Ihre Stelen wurden verleimt und/oder vernagelt, immer wieder abgeschliffen und so behutsam geformt. Wenn die Materialität des Holzes zu sehr in den Vordergrund trat oder störende Arbeitsspuren zu sehen waren, überdeckte die Künstlerin ihre Werke mit Farbe oder Kunstharzlack. Ab etwa 1984 und zusammen mit Gisela Nietmann entstanden daneben große Werkgruppen aus Bronze und Eisen.
Die formal durch radikale Einfachheit geprägten Stelen von Sch. erscheinen nahezu körperlos und behaupten sich doch unverkennbar durch ihre aufrechte Haltung als menschliche Gestalten. Charakteristisch für die schlanken, mit Sockel versehenen Skulpturen der Künstlerin wurde genau dieses „strenge Stehen“ im Raum. Auch wenn die zwischen Körperlichkeit und Abstraktion changierenden Figuren manchmal geschlechtslos wirken, so sind sie weiblich gedacht. Die Künstlerin sagte einmal, sie habe sich selbst ein Gegenüber geschaffen. Parallel und werkbegleitend zu ihren bildhauerischen Arbeiten fertigte Sch. Zeichnungen mit Graphit, Kreide, Tusche und Gouache sowie Collagen.
Eine frühe, sehr ungewöhnliche Arbeit von Sch. befindet sich seit 1953 auf dem Pfeiler der Werkbrücke in der Altstadt von (Bad) Münstereifel. Die lebensgroße Sandsteinskulptur des Johannes von Nepomuk, der als Brückenheiliger gilt, wird von den Einwohnern der Stadt scherzhaft „Röggel“ genannt, da die verwitterte Oberfläche an einen Brotlaib erinnert. In der Ffter Sandgasse steht seit 1980 die von Sch. geschaffene „Stele“ aus Bronze von 1978, eine figürliche Darstellung zwischen Anthropomorphismus und Abstraktion, vereint zu einem Ensemble mit Skulpturen von
Michael Croissant und
Hans Steinbrenner. Ein zu der Ffter „Stele“ nahezu identisches Werk von Sch. im öffentlichen Raum ist die Bronze „Mädchen“ (1983), die seit 1987 auf dem Campus der Universität Augsburg aufgestellt ist. Bei der leicht überlebensgroßen Figur lässt sich – ebenso wie im Werk von
Michael Croissant (der mit einem „Kopf“ in einiger Entfernung auf dem Campusgelände vertreten ist) – die enorme Spannung im Verhältnis von Abstraktion und Gegenständlichkeit beobachten: Die figurative Form ist so weit abstrahiert, dass das Motiv gerade noch zu erkennen ist.
Weitere Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (in Auswahl): Ffter Kunstkabinett / Galerie Hanna Bekker vom Rath in Ffm. (1960 sowie posthum 2019, 2020), Museum Wiesbaden (1967, 1996), Galerie Meyer-Ellinger in Ffm. (1976), Galerie Rothe in Heidelberg (1978), Galerie Appel (und Fertsch) in Ffm. (1980, 1986, 1990), Museum Villa Stuck in München (1984), Karmeliterkloster in Ffm. (1993), Galerie Rothe in Ffm. (1993) und Villa Wessel in Iserlohn (2001).
1995 erhielt Sch. den Ehrenpreis des vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst vergebenen Maria Sibylla Merian-Preises, der ihr Anfang 1996 im Rahmen einer Ausstellung im Museum Wiesbaden überreicht wurde. 2003 wurde Sch. die Goetheplakette der Stadt Ffm. zugesprochen, die ihr zu Lebzeiten aber nicht mehr übergeben werden konnte. Im Rahmen einer kleinen Trauerfeier im Ffter Atelier am 15.7.2003, geleitet von Pater Friedhelm Mennekes (* 1940), wurde diese Auszeichnung posthum überreicht.
2022/23 Ausstellung „Mit Köpfen und Körpern. Christa von Schnitzler zum 100. Geburtstag“ des ISG im Kreuzgang und Garten des Karmeliterklosters. Im Rahmen der Ausstellung erhielt das ISG im Januar 2023 eine Plastik von Sch. aus einer Privatsammlung als Geschenk, eine bronzene Stele (ohne Titel, wohl 1976), die nun dauerhaft im Garten des Karmeliterklosters zu sehen ist.
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