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Nathan, Fritz

Fritz Nathan

Fritz Nathan
Fotografie (1929; in Privatbesitz).

© Doris Nathan, New York City.
Nathan, Fritz. Dipl.-Ing. Architekt. * 14.4.1891 Bingen am Rhein, † 3.11.1960 New York City.
N. wuchs als ältester Sohn einer jüdischen Weinhändlerfamilie in Bingen am Rhein auf. 1909 erlangte er am Oster-Gymnasium in Mainz die Hochschulreife und begann das Architekturstudium an der TH Darmstadt, an der er nach einem Zwischenaufenthalt an der TH München sein Diplom 1914 absolvierte. Danach begann er im Kreisamt seiner Heimatstadt Bingen eine Zusatzausbildung zum Regierungsbaumeister. Parallel lehrte er an der Hessischen Baugewerk- und Gewerbeschule in Bingen. 1915 zog er als Freiwilliger in den Krieg, aus dem er 1918 mit dem Rang eines Vizefeldwebels zurückkehrte. Um seine Ausbildung als Regierungsbaumeister fortzusetzen, nahm er ein Praktikum im Artilleriedepot in Milbertshofen bei München auf; anschließend wechselte er in die Abteilung für Bauwesen des Finanzministeriums in Darmstadt und arbeitete zeitweise im Darmstädter Architekturbüro von Georg Markwort (1868-1943) und Eugen Seibert (1883-1938). Nachdem er 1920 die Staatsprüfung für das höhere Baufach erlangt hatte, folgte N. einem Ruf des Baubüros der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Dort wirkte er unter der Leitung des Gemeindebaumeisters Alexander Beer (1873-1944) an der Planung des Ehrenfelds gefallener jüdischer Soldaten des Ersten Weltkriegs im Jüdischen Friedhof Weißensee mit. Als er 1922 in den Bund Deutscher Architekten BDA aufgenommen wurde, betätigte er sich in Berlin auch erfolgreich im Wohnungs-, Gewerbe- und Industriebau.
Ende des Jahres 1922 zog N. nach Ffm. und ging dort mit Fritz Epstein eine Bürogemeinschaft ein, die aber nur kurze Zeit währte. Schon zum 1.1.1923 gründete er sein eigenes Büro und stellte 1924 den aus Offenbach stammenden Architekten Carl Müller (1898-nach 1971) ein. N. machte sich rasch im Villenbau einen Namen, wobei er in der Regel auch das Mobiliar entwarf. Seine Villen für den Fabrikanten Moritz May [Forsthausstraße (heute: Kennedyallee) 49, 1923-24; erhalten] und den Kaufmann Max Hirsch (Cronstettenstraße 14, 1924-25; erhalten) weisen ihn noch als Architekten des Übergangs zwischen Tradition und Moderne aus. Dies gilt auch für die Villa Raabe (Holzhausenstraße 61, 1926-27), während das kubisch gegliederte Haus des Direktors der Baufirma Wayss & Freytag, Enric Lupescu, ganz dem Neuen Bauen verpflichtet ist (Georg-Speyer-Straße 63, 1927-29; erhalten). Dem Thema des Siedlungsbaus näherte sich N. erst in den Jahren der Wirtschaftskrise an, ohne aber über die Planung einer Stadtrandsiedlung (Wettbewerbsbeitrag, um 1930) und eines Reihenhauses (Entwurf für die Ffter BDA-Sonderausstellung „Billige Häuser zu festen Preisen“, 1932) hinauszukommen.
Mehrfach arbeitete N. als Kaufhausarchitekt im Auftrag Hermann Wronkers. Dessen Kaufhaus auf der Zeil stattete er nicht nur mit einer modernen Ladenpassage, sondern auch mit einer neuen Großküche und einem Restaurant für 1.500 Personen aus (1927-28). Zu seinen Kunden zählten außerdem das Strumpfhaus Metzger (Umbau des Ladengeschäfts in der Kaiserstraße 75, 1927), die Hutfabrik Geschwister Gutmann (Planung für den Aus- und Umbau der Häuser Liebfrauenberg 39 und Große Friedbergerstraße 22, 1927) und das Gardinenhaus J. Brumlik (Erweiterung bzw. Umbau der Häuser Neue Kräme 28-30 und Liebfrauenstraße 1-3, 1928-30). Während in Ffm. die Pläne für ein Woolworth-Kaufhaus (Entwurf, 1928-29) sowie einen Fruchthof (Entwurf, um 1928) scheiterten, reüssierte N. in anderen Städten mit großen Unternehmensneubauten. Dabei setzte er gekonnt die Technik des Stahlskelettbaus ein, um nicht nur die funktionalen Anforderungen optimal zu erfüllen, sondern auch moderne stadtbildprägende Architekturen zu schaffen. An erster Stelle ist die Mannheimer Geschäftshausgruppe der Hutfabrik Samt und Seide GmbH (1926-27) und des Deutschen Beamtenwarenhauses mit integriertem Universum-Kino (1928-29) zu nennen. Der expressive Eckturm mit seinem gläsernen Treppenhaus und den markanten Gesimsgliederungen brachte N. den Vergleich mit Erich Mendelsohn (1887-1953) ein, von dessen Werk er zweifellos beeinflusst war. Weitere Kaufhäuser entstanden in Hanau (Kaufhaus Wronker, 1928-29), Aschaffenburg (Kaufhaus Löwenthal, 1929-30) und Luxemburg (Geschäftshaus Fourrures Jenny, 1932-33; erhalten). In Heidelberg verwirklichte N. mit der Zigarrenfabrik Hochherr (1927-29; erhalten) zudem einen imposanten Klinkerbau im Stil des Neuen Bauens.
Seinen wichtigsten Beitrag zur Baugeschichte der Weimarer Jahre leistete N. jedoch mit dem Neuen Jüdischen Friedhof in Ffm. (Eckenheimer Landstraße, 1928-29; erhalten). In vierjähriger Planungs- und Bauzeit entwickelte er für die Trauer- und Leichenhalle nebst Haupteingang und Verwaltungssitz eine imposante kubische Anlage, die sich mit ihren Klinkerfassaden, Wandelgängen und Pfeilergliederungen um den als Ort der Sammlung und Besinnung konzipierten Portalhof schließt. Der strenge Gestus steigert sich an der Vorhalle des Trauersaals zu weihevoller, monumentaler Wirkung. Nicht die Bauhausmoderne mit ihrer Leichtigkeit und Transparenz zeigt hier ihren Einfluss, sondern eine monumentale Sachlichkeit, wie sie in Ffm. zum Beispiel von Hans Poelzig und Martin Elsaesser, in Stuttgart von Paul Bonatz (1877-1956) oder in Hamburg von Fritz Schumacher (1869-1947) vertreten wurde. Der Neue Jüdische Friedhof fand als herausragendes Beispiel eines zeitgemäßen Kultusbaus national Anerkennung.
Noch während der Planung folgten weitere Aufträge für jüdische Einrichtungen, in Ffm. u. a. für die Ausbauten der Jüdischen Hauhaltsschule in der Königswarter Straße 20 (1928), des Kinderhauses in der Hans-Thoma-Straße 24 (1928-30) und des Israelitischen Krankenhauses am Röderbergweg 97 (1930-31). Mit dem Israelitischen Altersheim in Mannheim (1928-31) gelang N. ein weiteres Hauptwerk. Dann beendete die „Machtergreifung“ der NSDAP 1933 seine Karriere in Deutschland. Ihm blieben nur noch kleinere Projekte für jüdische Auftraggeber; das bedeutendste galt dem jüdischen Friedhof in Stuttgart-Bad Cannstatt (1935-38; erhalten).
1938 emigrierte N. gemeinsam mit seiner Frau Lucie, geb. Mayer (1897-?), und der dreijährigen Tochter Doris zunächst nach Holland, bevor der Familie 1940 die Einreise in die USA gelang. In New York City ein eigenes Büro aufbauend, machte ihn sein Renommee rasch zum bevorzugten Architekten jüdischer Emigrantengemeinden. Erstmals schuf er Synagogen, wobei er sich zunächst an der Moderne der Weimarer Jahre orientierte. Für Woodmere/New York entwarf er sogar eine Synagoge im Stil der Ffter Trauerhalle (1946-50; erhalten). Später zeigte er sich neuen Entwicklungen der amerikanischen Synagogenarchitektur aufgeschlossen. Seine Auffassung einer sakralen Monumentalität führte er dennoch weiter und setzte sie bei seinen beiden letzten Hauptwerken, den jüdischen Gemeindezentren in Hamden und Woodbridge/Connecticut (1957-1960/61; beide erhalten), noch einmal eindrucksvoll um. Noch vor Vollendung des Sakralbaus in Woodbridge starb N. 1960 an einem Krebsleiden, ohne jemals nach Ffm. zurückgekehrt zu sein.
Veröffentlichungen von N.: „Der Neue Friedhof“ (in: Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Ffm., 1929), „Geschäftshausgruppe Mannheim“ (in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 1930), „Kaufhaus Wronker Hanau“ (in: Die Baugilde, 1930), „Geschäftshausgruppe Mannheim“ (in: Die Baugilde, 1930), „Israelitischer Friedhof in Ffm.“ (in: Die Baugilde, 1930), „Das neue Israelitische Altersheim“ (in: Israelitisches Gemeindeblatt Mannheim und Ludwigshafen, 1931), „Ein Fabrikbau“ (in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, 1931), „A Note from the architect“ [in: Dedication Congregation Mishkan Israel (Festschrift), 1960].
N.s Nachlass mit Plänen, Fotografien und Schriftdokumenten befindet sich heute im Archiv des Leo Baeck Instituts in New York City.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Andreas Schenk.

Lexika: Bibliographie zur Geschichte der Ffter Juden 1781-1945. Hg. v. der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden. Bearb. v. Hans-Otto Schembs mit Verwendung der Vorarbeiten von Ernst Loewy u. Rosel Andernacht. Ffm. 1978.Bibliogr. z. Gesch. d. Ffter Juden, S. 541. | Warhaftig, Myra: Deutsche jüdische Baumeister in Deutschland. Architektur vor der Shoah. Stuttgart 1998.Warhaftig: Dt. jüd. Baumeister in Deutschland 1998, S. 184, 276f. | Zeller, Thomas: Die Architekten und ihre Bautätigkeit in Ffm. in der Zeit von 1870 bis 1950. Ffm. 2004. (Beiträge zum Denkmalschutz in Ffm. 14).Zeller, S. 264.
Literatur:
                        
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Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/6.829. | Leo-Baeck-Institute – Center for Jewish History, New York.Fritz Nathan Collection (Nachlass): Leo Baeck Institute, New York, AR 1443.
Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Nathan_(Architekt)Wikipedia, 9.10.2018.

GND: 107833658X (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Schenk, Andreas: Nathan, Fritz. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8468

Stand des Artikels: 14.10.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 10.2018.