Sohn eines evangelischen Theologen und Pfarrers.
Von 1902 bis 1906 Studium bei Theodor Fischer und
Friedrich von Thiersch an den Technischen Hochschulen in Stuttgart und München. Erster Wettbewerbserfolg mit dem Entwurf für die Lutherkirche in Baden-Baden (1905-07). Assistent von Paul Bonatz, dann (1912-20) außerordentlicher Professor für Entwerfen, Baugeschichte des Mittelalters und Bauformenlehre an der TH Stuttgart. Ab 1906 Berater des Vereins für christliche Kunst in der evangelischen Landeskirche Württembergs, befasst mit der Bearbeitung von ca. 40 Kirchenprojekten. Erbauer der Fachhochschule (nebst Museum) für Edelmetallindustrie in Schwäbisch-Gmünd (1907-09) sowie der Stadtpfarrkirchen in Stuttgart-Gaisburg (1910-13) und Oberndorf/Neckar (1914-16). Mit seinem Hauptwerk dieser Phase, der Stuttgarter Markthalle (1912-14), stieg E. zu einem der führenden Architekten Deutschlands auf. 1915 Verwundung als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. 1916 Teilnahme als Mitglied des Deutschen Werkbundes am Wettbewerb um das „Haus der Freundschaft“ in Konstantinopel (Istanbul). 1919 übergangsweise Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten BDA. Ab 1920 Direktor der Kunstgewerbeschule in Köln. E. realisierte das Verwaltungsgebäude des Rheinischen Braunkohlesyndikats in Mannheim (1924) und die Südkirche in Esslingen (1925-26).
1925 wurde E. von Oberbürgermeister
Ludwig Landmann persönlich als Baudirektor (künstlerischer Leiter) des städtischen Hochbauamts nach Ffm. berufen. Die Übernahme des Baudezernats hatte er abgelehnt. Mit der Wahl von
Ernst May zum Stadtbaurat und der folgenden Umstrukturierung des Hochbauamts wurde E. lediglich Leiter der „Abteilung E Großbauten“. Die Position des Baudirektors blieb ungeklärt, und E. beklagte eine Doppelleitung im Hochbauamt. Das Verhältnis zu
May bestimmte der gemeinsame Wille zur Neugestaltung der Großstadt. Zwischen beiden offenbarten sich bald Unterschiede in der Gewichtung der Bauaufgaben und in der Beurteilung des Verhältnisses von Tradition und Moderne. E. sah sich als Vermittler und wollte die Auseinandersetzung um die zeitgenössische Baukunst versachlichen. Einen „Modernismus um jeden Preis“ lehnte er ab, wie er 1926 im „Jahrbuch der Ffter Bürgerschaft“ betonte. In der von
May herausgegebenen Zeitschrift „Das Neue Fft.“ wurden E.s Projekte und Bauten nicht berücksichtigt, obwohl E. außerhalb Fft.s als Fachmann für Markthallen-, Schul- und Krankenhausbauten galt. E.s Hauptwerk in Ffm. ist die Großmarkthalle (Entwurf und Bauleitung, 1926-28), Rückertstraße 2-6, ein moderner Stahlbeton-Schalenbau, der mit einer Backsteinfassade und einem kathedralartigen Aufbau die Wirkung einer Stadtkrone erzielte und im Volksmund „Gemieskerch“ getauft wurde.
Landmanns Vision eines „Groß-Fft.s“ fand einen Ausdruck in diesem Bau, der mit seiner verkehrsgünstigen Lage in der Nähe von Osthafen und Ostbahnhof den steigenden Anforderungen des Großhandels angepasst war (nach Kriegszerstörungen wiederaufgebaut durch E., 1947-53; Großmarkt in das Frischezentrum nach Kalbach verlegt, 2004; Gebäudeensemble teilweise abgerissen, bis 2008, zentrale Halle als Torso erhalten und in den Neubau der Europäischen Zentralbank integriert, 2010-15). Mit dem Schwimmbad in Fechenheim (1927-29) schuf E. einen Prototyp. Von ihm ausgearbeitete Projekte blieben in Folge der Weltwirtschaftskrise unverwirklicht. E. war Mitglied der 1926 von
Lilly von Schnitzler mitgegründeten deutschen Gruppe des „Europäischen Kulturbundes“. Die übernommene Lehrtätigkeit an der Ffter Kunstgewerbeschule übte er nicht aus. Nach dem Fortgang von
May geriet E. 1930 unter politischen Druck und musste sich gegen Vorwürfe wegen Kostenüberschreitungen und Baumängeln verteidigen. E. stimmte der Auflösung seines Vertrags zum 31.1.1932 zu.
Von 1930 bis 1932 Bau eines Landhauskomplexes für Philipp F. Reemtsma in Hamburg-Altona. Nach einer Audienz bei Benito Mussolini 1933 Bewerbung als Leiter eines staatlichen Studienbüros mit Lehrauftrag in Italien. 1934 Eröffnung eines Architekturbüros in München. Von 1934 bis 1938 Bau der Sümerbank in Ankara. Rehabilitation in Ffm. durch Oberbürgermeister
Friedrich Krebs abgelehnt. 1937 Wohnsitz in Berlin. 1939/40 Umbau des Landhauses Reemtsma. 1943/44 Pläne für ein Brucknersymphoniehaus in Linz. 1944 Werkvertrag mit dem Generalbauinspektor zur Untersuchung von Wiederaufbaumöglichkeiten in Berlin. Nach 1945 Entwicklung von Wohnungsbauten im Montageverfahren. 1946 Wohnsitz in Stuttgart. Ab 1947 Professur für Baukunst (Entwerfen) an der TH München. Aufenthalte in Ffm. für den Wiederaufbau seiner dortigen Bauten. Weiterhin schwieriges Verhältnis zur Stadtverwaltung, die ihm noch 1956 die Berufsbezeichnung „Baudirektor a. D.“ verwehrte. Am Ende seiner Laufbahn war E. zunehmend schriftstellerisch tätig.
Weitere Bauten in Ffm.: Café Kursaal (Umbau des Bethmann’schen Museumspavillons zum Promenadencafé, 1925; heute: Café Odeon); Ausstellungsbauten für die Schau „Musik im Leben der Völker“ auf dem Messegelände (1927); Schulbauten, u. a. Konrad-Haenisch-Schule (später Pestalozzischule) im Riederwald (1926-28), Ludwig-Richter-Schule am Lindenbaum (mit Wilhelm Schütte, 1928), Römerstadtschule (später Geschwister-Scholl-Schule) im Burgfeld (mit Wilhelm Schütte, 1928-29) und Holzhausenschule an der Eschersheimer Landstraße/Bremer Straße (mit
Walter Körte, 1929); Erweiterungsbauten des Städtischen Krankenhauses (Universitätskliniken) in Sachsenhausen, u. a. Städtische Desinfektions- und Entwesungsanstalt (mit
Walter Körte, 1927-29), Kinderbeobachtungsstation (mit
Walter Körte, 1927-29), Röntgeninstitut der Chirurgischen Universitätsklinik (Anbau, mit
Walter Körte, 1927-29) und Nervenklinik mit Direktorenvilla (1929-30); Gustav-Adolf-Kirche in Niederursel (mit Gerhard Planck, 1927-28; originalgetreu renoviert, 2016-17); Bezirkshallenbad Fechenheim (1927-29); Umbau des Gesellschaftshauses im Palmengarten (mit
Ernst May unter Mitarbeit von
Werner Hebebrand, 1928-29); Entwurf des Gedenksteins auf dem Rebstockgelände zur Erinnerung an die erste Zeppelinlandung in Ffm. 1909 (ausgeführt durch den Bildhauer
Carl Stock, 1929); Ruderbootshaus der Universität (1930) am Schaumainkai 70; außerdem Wohnhäuser, u. a. sein Wohnhaus im Höhenblick 37 (1925-26; heute: Schweizerisches Generalkonsulat) und Umbau des Wohnhauses
Georg und
Lilly von Schnitzler am Westendplatz (1926-27; zerstört). Teilnahme am auf fünf Architekten beschränkten Wettbewerb für das Verwaltungsgebäude der IG Farbenindustrie AG (mit
Ernst May, 1928). Zahlreiche Entwürfe E.s wurden wegen der schlechten finanziellen Lage der Stadt Ffm. nicht ausgeführt, darunter Entwürfe für die Kunstgewerbeschule (1926/27), eine Zentralbibliothek in der Mertonstraße/Ecke Jügelstraße (1929), die Volksschule Bonames (1929), die Hallenschwimmbäder am Messegelände (1929) und an der Wilhelmsbrücke am Nizza (1930), eine Gewerbe- und Haushaltungsschule für weibliche Berufe (1930) und das Berufspädagogische Institut (1931). Nach 1945: Entwürfe zur Wiedererrichtung der Paulskirche (1946) und für den Flughafen Ffm. (1950); Wiederaufbau und Erweiterung der Ludwig-Richter-Schule am Lindenbaum (1951-53).
Schriften (in Auswahl): „Stil, Tradition und Baukunst der Gegenwart“ (in: Jahrbuch der Ffter Bürgerschaft, 1926), „Wandlungen der Baukunst“ (in: Das Neue Fft., 1926/27), „Alt-Fft. und die neue Baukunst“ (Vortragsmanuskript, 1927; überliefert im Nachlass bei der TU München), „Musik im Leben der Völker. Internationale Ausstellung in Ffm.“ (in: Das Neue Fft., 1926/27), „Die Bauaufgabe der Großmarkthalle“ (in: Die neue Großmarkthalle in Ffm., Festschrift zur Eröffnung, 1928), „Ein Ffter Haus von Martin Elsaesser“ (in: Die Dame, 1929), „Das Schwimmbad in Fechenheim“ (in: Die Baugilde, 1929), „Ffter Schulen“ (in: Stein Holz Eisen, 1929), „Das neuzeitliche Landhaus“ (in: Die Kunst, 1930), „Hallenbäder in Ffm.“ (in: Baumeister, 1931), „Reparaturen an der Ffter Konrad-Haenisch-Schule“ (in: Dt. Bauhütte, 1931), „Klinik für Gemüts- und Nervenkranke in Ffm.“ (in: Dt. Bauzeitung, 1931), „Martin Elsaesser. Bauten und Entwürfe aus den Jahren 1924-1932“ (1933) und „Schulen, Universitäten, Kindergärten und Jugendherbergen: Das Schulhaus gestern und heute“ [Aufsatz; in: Reinhard Jaspert (Hg.): Handbuch moderner Architektur, 1957].
1954 Bundesverdienstkreuz.
„Martin-E.-Stiftung“ zur Sammlung, Sichtung und wissenschaftlichen Aufarbeitung von E.s Nachlass, als Folge des Urheberrechtsstreits wegen Teilabriss und Umbau der denkmalgeschützten Großmarkthalle gegründet 2009 mit einem Stiftungskapital von 150.000 Euro, das zu einem Drittel die Familie (als Initiator der Stiftung) und zu zwei Dritteln die Stadt Ffm. aufbrachten, und einer Spende der Europäischen Zentralbank über 100.000 Euro.
Nachlass mit vielen unveröffentlichten (Vortrags-)Manuskripten zu Ffter Bauten im Architekturmuseum der TU München und im Archiv der „Martin-E.-Stiftung“.
2009/10 Ausstellung „Martin E. und das Neue Fft.“ im Deutschen Architekturmuseum in Ffm. 2010 Tagung „Martin E. und seine Zeit(en)“ des Deutschen Architekturmuseums und der Goethe-Universität in Ffm. Seit 2012 Dauerausstellung der Martin-E.-Stiftung mit Modellen der wichtigsten Bauten E.s im Stadtplanungsamt. Seit 2015 Dauerausstellung über E. im Foyer der Europäischen Zentralbank in der ehemaligen Großmarkthalle.
Martin-Elsässer-Platz in der Nähe der ehemaligen Großmarkthalle und Martin-Elsässer-Weg im Ostend. Seit 1993 Martin-E.-Plakette als regionaler Preis der Gruppe Ffm. im Wettbewerb „Ausgezeichnete Architektur in Hessen“ des BDA Hessen.
Kunstinstallation (von Ariel Auslender und Fabian Luttropp, 2015) zur Erinnerung an E. auf dem nach ihm benannten Platz im Ostend.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 183,
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