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Schubert, Friedrich Hermann

Friedrich Hermann Schubert

Friedrich Hermann Schubert
Fotografie.

© Universitätsarchiv Frankfurt am Main (UAF Best. 854 Nr. 2008).
Schubert, Friedrich Hermann. Prof. Dr. phil. Historiker. * 26.8.1925 Dresden, † 30.6.1973 Ffm., begraben in Aufkirchen/Berg am Starnberger See.
Sohn des Architekten und Professors für Bauformen und Baugeschichte an der TU Dresden Otto Sch. (1878-1968), der als Freimaurer und wegen Verweigerung eines Engagements für die NSDAP 1940 seines Amtes enthoben, nach 1945 vom SED-Regime wieder eingesetzt wurde und bis 1958 in der DDR lehrte.
Sch. ging 1946 zum Studium der Geschichte und der Nationalökonomie nach München, wo er 1952 von seinem akademischen Lehrer Franz Schnabel mit einer Studie über Ludwig Camerarius, einen kurpfälzischen Politiker aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, promoviert wurde. Bereits 1950 wurde er Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zunächst als Redakteur der Neuen Deutschen Biographie, dann seit 1952 auch in der Editionsgruppe der Reichstagsakten der Zeit 1515-1518. Nach der Habilitation 1959 mit einer Schrift über die deutschen Reichstage in der Staatslehre der Frühen Neuzeit wurde er 1961 zum außerordentlichen, 1965 zum ordentlichen Mitglied der Historischen Kommission gewählt. An der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität lehrte er auf einer Diätendozentur und als Lehrstuhlvertreter. Ende 1963 folgte er einem Ruf an die Universität in Kiel.
Als 1967 nach der Emeritierung von Otto Vossler die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Ffm. anstand, entschied sich die Philosophische Fakultät für Sch., der inzwischen als der aufsteigende Jungstar der Historikerzunft galt. Sch. hatte gleichzeitig einen Ruf an die Universität Hamburg erhalten. Aber er wählte Ffm., wo er die „besseren Forschungsmöglichkeiten und die größere Weite der Aufgaben und Möglichkeiten“ erblickte. Auch das gute Einvernehmen unter den Kollegen des Historischen Seminars lockte ihn nach Ffm. Im April 1968 trat er sein Amt an.
In Ffm. gewann Sch. wegen seines verbindlichen Auftretens schnell eine geachtete Position im Kollegenkreis. Kollegial, hilfsbereit, leistungsorientiert und zuverlässig erwies er sich als integrer Charakter von erstaunlicher Führungsstärke. Trotz einer gewissen Jugendlichkeit und einer weltläufig großzügigen Art trat er als distanzierter Herr auf, der Wert auf Achtung, Respekt, Stil und bürgerlichen Anstand legte. Der von ihm mitbegründete legendäre Mittwochstisch der Historiker versammelte zwanglos Kollegen und Mitarbeiter zu Fachgesprächen, Meinungsbildung und heiterer Freude an Anekdoten und ironischen Scherzen. Überhaupt bewegte sich der Junggeselle gern in Gesellschaft, stilvoll mit gleichbleibender Liebenswürdigkeit, die auch die häufigen Abendeinladungen zu Essen und Wein in seiner großen Westend-Wohnung in der Schumannstraße 29 auszeichnete. Im Kern aber zielten seine Aktivitäten darauf, die Wirkungskraft der Geschichtswissenschaft nach innen und außen zu verstärken. Ein von ihm angeregter „Ffter Kreis für historische Forschungen“, der sich regelmäßig in der Kreditanstalt für Wiederaufbau traf, wollte in Kreisen der Wirtschaft, der Presse und der Öffentlichkeit für den Sinn geschichtlichen Denkens werben. Mit der Gründung einer wissenschaftlichen Schriftenreihe „Ffter historische Abhandlungen“ wurde dem Fach eine eigene Identität und Publikationsmöglichkeit geschaffen.
Wie kein anderer aus dem Professorenkollegium suchte Sch. Kontakt zum Ffter Stadtarchiv. Die Sichtung der dort verwahrten Riesenbestände unerschlossener frühneuzeitlicher Überlieferung zur Stadt- und Reichsgeschichte reizte ihn für die Zukunft. Er regte Dissertationen an, die die Reformations- und Bündnispolitik Fft.s im Schmalkaldischen Bund, den Bürgeraufstand von 1612 und die Geschichte der Bankiersfamilie Bethmann behandelten. Bereits im Oktober 1969 war Sch. einstimmig zum Mitglied der Ffter Historischen Kommission gewählt worden. In der akademischen Lehre sorgte er für eine Erneuerung und Verjüngung der Archivkunde durch einen Lehrauftrag für den damaligen Archivoberrat Wolfgang Klötzer, der ab 1973 für viele Jahre als Honorarprofessor die Verbindung zwischen Stadtarchiv und Universität herstellte.
Hochschulpolitisch galt Sch. als liberaler Mann mit konservativer Grundhaltung und als einsichtiger Anhänger einer moderaten institutionellen Reform. Er hielt engen Kontakt zum akademischen Mittelbau und kümmerte sich fürsorglich und in fast altväterlicher Weise um seine Studenten. Nachdem 1970 das neue Hessische Universitätsgesetz die hergebrachte Universitätsverfassung ersetzt hatte, ließ er sich für die von Ordinarien gebildete „Gruppe 27“, die sich später „Liberale Hochschulreform“ nannte, in den Konvent wählen. Folgerichtig engagierte er sich als Mitglied im Ständigen Ausschuss für Studienangelegenheiten, einem der vier Beratungs- und Beschlussgremien des Präsidenten. Auch als die politische Praxis Zweifel nährte, ob statt der akademischen Selbstverwaltung am Ende nur die Alternative zwischen Anarchie und Staatsdirigismus bleiben werde, trat er erzreaktionären und ultrakonservativen Tendenzen entschieden entgegen.
Bereits 1969 hatte sich Sch. heftiger Attacken durch kommunistische Studenten erwehren müssen. Am Ende des Wintersemesters hatte er, wie üblich, mit interessierten Studenten ein Seminarkonzept für den Sommer entworfen. Zu Beginn der Lehrveranstaltung kamen eine Reihe von Agitatoren der „Roten Zellen“ und einer neomarxistischen „Basisgruppe Geschichte“ und versuchten, ihm für das geplante Seminar über den Konstitutionalismus, das ihren „Lerninteressen“ nicht entspreche, ein anderes Konzept aufzuzwingen. Nach langen Diskussionen in mehreren Sitzungen wurde das Seminar „gesprengt“ und in einem „Ultimatum“ ein studentisches Gegenseminar angekündigt, für das Sch. qualifizierte Leistungsscheine ausstellen sollte. Daraufhin brach Sch. die Lehrveranstaltung ab. Nun erhob die Basisgruppe Klage beim Verwaltungsgericht, um den Professor zur Weiterführung des Seminars zu zwingen. Ende Juni 1969 wies das Urteil des Ffter Verwaltungsgerichts die Klage ab, weil ein ordnungsgemäßer Ablauf des Seminars nicht gewährleistet war. Über die örtlichen Verhältnisse hinaus wurde das Urteil als Garantie für die Wissenschaftsfreiheit angesehen.
Wegen der anhaltenden brutalen Störungen und Ausschreitungen wandte sich Sch. im Januar 1972 an den Hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald. Er berichtete, dass die Entscheidungsgremien der akademischen Selbstverwaltung zunehmend einem Terror linksradikaler Studentengruppen ausgesetzt seien. In der Konferenz des Fachbereichs Geschichte war es im Dezember 1971 zu Beleidigungen und körperlichen Angriffen durch einen Stoßtrupp des Kommunistischen Studentenverbandes gekommen. Anschließend hatte man Sch. in seinem Dienstzimmer eingesperrt und verbarrikadiert. Nun verlangte er, künftig vor solchen Delikten der versuchten Freiheitsberaubung und Beamtennötigung geschützt zu werden. Die Intervention blieb in der Sache erfolglos, setzte aber in der Landesregierung und der Kulturverwaltung eine Serie von Dienstschreiben in Gang, die als Kopien in Umlauf kamen und zur öffentlichen Meinungsbildung über die universitären Fehlentwicklungen beitrugen.
Anfang Juli 1972 erhielt Sch., obwohl er sich nicht beworben hatte, einen Ruf an die Universität Freiburg. Die dortige Fakultät war einer Anregung des baden-württembergischen Kultusministers Wilhelm Hahn gefolgt. Sch. führte in Hessen ernsthafte Bleibeverhandlungen, in denen er für die Goethe-Universität ein „Zentrum der frühneuzeitlichen Geschichte“ forderte. Die Kollegen, die Mitarbeiter, der Präsident Kantzenbach und Kanzler Thümen suchten ihn zu halten, zumal er in Ffm. längst zum Mittelpunkt der inneruniversitären Ordnung geworden war. Die Verhandlungen zogen sich hin. Sch., seit 1.10.1972 Dekan des Fachbereichs Geschichte, wollte zunächst seine Amtspflichten erfüllen. Zugleich fühlte er sich dienstlich und privat unter großem Druck. Am Ende einer hektischen Woche mit einer turbulenten Fachbereichskonferenz nahm er sich am 30.6.1973 das Leben.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Dieter Rebentisch.

Lexika: Neue Deutsche Biographie. Hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bisher 27 Bde. (bis Wettiner). Berlin 1953-2020.Anton Schindling in: NDB 23 (2007), S. 615f.
Literatur:
                        
Aretin, Karl Otmar Frh. von: Friedrich Hermann Schubert 1925-1973. Rede am 24. Oktober 1973 im Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. Wiesbaden 1974. (Ffter historische Abhandlungen, Beiheft 1).Aretin: Friedrich Hermann Schubert 1974. | Brockhoff, Evelyn/Heidenreich, Bernd/Maaser, Michael (Hg.): Ffter Historiker. Göttingen 2016. (Schriftenreihe des Ffter Universitätsarchivs 6).Hammerstein, Notker: Das Historische Seminar der Ffter Universität. In: Brockhoff/Heidenreich/Maaser (Hg.): Ffter Historiker 2016, S. 48. | Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. Band II: Nachkriegszeit und Bundesrepublik 1945-1972. Göttingen 2012.Hammerstein: JWGU II 2012, S.732-738, 855, 928f. | Historische Zeitschrift. München 1859-heute.Nachruf von Erich Angermann in: HZ 218 (1974), S. 354-363. | Schubert, Friedrich Hermann: Ludwig Camerarius (1573-1651). Eine Biographie. 2. Aufl. Hg. v. Anton Schindling u. a. Münster 2013.Schubert: Ludwig Camerarius 2013; darin: Gerhard Menk: Friedrich Hermann Schubert 1925-1973. Vom Schüler Franz Schnabels zum präsumtiven Erben Gerhard Ritters, S. 609-692; Notker Hammerstein: Friedrich Hermann Schubert in Ffm., S. 723-735.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/6.158.
Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hermann_SchubertWikipedia, 23.7.2015.

GND: 11861097X (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Rebentisch, Dieter: Schubert, Friedrich Hermann. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8976

Stand des Artikels: 24.7.2015
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 08.2015.