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Salzberger, Georg

Salzberger, Georg. Dr. phil. Rabbiner. * 23.12.1882 Kulm/Westpreußen, † 19.12.1975 London.
Sohn des Rabbiners Dr. phil. Moritz S. (1844-1929), der zunächst in Kulm, seit 1886 in Erfurt Gemeinderabbiner war.
Schulzeit in Erfurt. Seit 1901 Universitätsstudium der Philologie (deutsche Literatur, semitische Sprachen, griechische Geschichte) und Philosophie in Berlin und Heidelberg, abgeschlossen mit der Promotion („Die Salomo-Saga in der semitischen Literatur”, Phil. Diss., 1908). Zugleich Studium an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, abgeschlossen mit dem Rabbinatsexamen (1909). Auf Einladung der Israelitischen Gemeinde Ffm., die sich angesichts der Errichtung einer neuen liberalen Synagoge (der am 28.9.1910 eingeweihten Westendsynagoge) zur Anstellung eines dritten liberalen Rabbiners neben Arnold Lazarus und Caesar Seligmann entschlossen hatte, hielt S. kurz nach seinem Examen eine Probepredigt sowie eine Probelektion am Philanthropin, die erfolgreich verliefen. Weitere Angebote aus München und Oppeln lehnte er ab. Seit 30.6.1910 wirkte S. als Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Ffm. an der Hauptsynagoge und der Westendsynagoge sowie als Religionslehrer u. a. am Philanthropin. Von 1914 bis 1918 freiwilliger Kriegsdienst als Feldrabbiner bei der V. Armee (Kronprinz) an der Westfront, wofür ihm der Kronprinz persönlich das Eiserne Kreuz I. Klasse überreichte. Seit 1.9.1918 wieder liberaler Gemeinderabbiner in Ffm. Ausgedehnte Vortragstätigkeit im Dienste der jüdischen Erwachsenenbildung und des christlich-jüdischen Dialogs. Gründer (1919) und Vorstandsvorsitzender (1920-39) der „Gesellschaft für jüdische Volksbildung”, die u. a. Franz Rosenzweig nach Ffm. berief. Herausgeber des „Jüdischen Kalenders der Gesellschaft für jüdische Volksbildung” (1924-36). Dozent am 1920 von Rosenzweig begründeten Freien Jüdischen Lehrhaus. Nach dem Tod von Lazarus und der Pensionierung von Seligmann (1932) musste S. die Amtsgeschäfte als Gemeinderabbiner, seit 1933 noch dazu unter erschwerten Bedingungen, allein wahrnehmen. In der NS-Zeit war er, der zur Prominenz des liberalen Judentums jener Zeit gehörte, verstärkt persönlichen Angriffen ausgesetzt. Es kam zweimal zu Gerichtsverhandlungen, in denen der später als Präsident des Volksgerichtshofs berüchtigte Rechtsanwalt Dr. Roland Freisler als Verteidiger des Rädelsführers auftrat. Seit 1934 Vorsitzender des Jüdischen Kulturbunds, Zweig Rhein-Main, mit Sitz in Ffm. 1935 Reise nach Palästina. Festnahme nach dem Novemberpogrom 1938. Mehrmonatige Haft im KZ Dachau. Am 9.4.1939 emigrierte S. mit seiner Frau Natalie Charlotte, geb. Caro (1892-1988), und zwei der drei Töchter nach England, wo die älteste Tochter bereits lebte. Schon im Sommer 1939 gründete er dort zusammen mit anderen Flüchtlingen eine deutschsprachige jüdische Gemeinde, die New Liberal Jewish Congregation (die heutige Belsize Square Synagogue) in London, deren Rabbiner er bis zu seiner Pensionierung 1956 war. Nach 1945 engagierte sich S. insbesondere für die christlich-jüdische Verständigung. Zu Vorträgen und Gastpredigten kam er auch wieder nach Deutschland. So weihte er am 6.9.1950 die wiederaufgebaute Westendsynagoge in Ffm. ein. Weitere Besuche in Ffm. u. a. als Redner zur „Woche der Brüderlichkeit” in der Paulskirche (1954 und 1965), als Festredner zur Eröffnung der Ausstellung „Synagoga” im HMF (1961), als Redner zur Einweihung des neuen Logenheims der wiederbegründeten Fft.-Loge (1961), als Ehrengast anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Fft.-Loge (1964) und als Festredner zur Eröffnung der Ausstellung „Jüdisches Leben im alten Ffm.” (1975).
Mitglied (seit 1910) und Präsident (seit 1928) der Fft.-Loge des Ordens B’nai B’rith. Mitglied im Kriegsgräberausschuss des Reichverbands jüdischer Frontsoldaten. Jüdischer Studentenseelsorger an der Ffter Universität. Mitglied der städtischen Schuldeputation und Referent für den Religionsunterricht (seit 1932). Vorstandsmitglied in der „Association of Jewish Refugees from Germany in Great Britain (AJR)” (seit 1941). Mitbegründer (1942) und Präsident (1949-51) der Londoner Leo Baeck Loge des B’nai B’rith. Gründer des „Georg and Charlotte S. Fund” unter Leitung des „AJR Charitable Trust”. Tätig in zahlreichen weiteren jüdischen Organisationen, u. a. in der „World Union for Progressive Judaism”. Mitbegründer (1961) und Förderer der „Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden“.
„Leben und Lehre” (Autobiographie, herausgegeben von Albert H. Friedlander, 1982).
1969 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern. 1972 Buber-Rosenzweig-Medaille des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Gedenktafel (2013) am Haus Guiollettstraße 62, wo sich bis 1939 das Britische Generalkonsulat befand. Seit 2021 Stolpersteine für Georg S., seine Frau und seine drei Töchter vor dem Haus Eschersheimer Landstraße 67 im Westend.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 237-239, verfasst von: Sabine Hock.
Dieser Artikel wurde noch nicht abschließend für das Frankfurter Personenlexikon überarbeitet.
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Lexika: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. 3 Bde. München/New York/London/Paris 1980-83.Emigrantenlex. I, S. 632f.
Literatur:
                        
Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Ffter Juden seit der Französischen Revolution. Hg. v. Kuratorium für Jüdische Geschichte e. V., Ffm. Bearb. u. vollendet durch Hans-Otto Schembs. 3 Bde. Darmstadt 1983.Arnsberg: Gesch. d. Ffter Juden 1983, Bd. III, S. 416f. | Salzberger, Georg: Leben und Lehre. Hg. u. eingeleitet v. Albert H. Friedlander. Ffm. 1982.Autobiographie: Salzberger: Leben u. Lehre 1982. | Telschow, Jürgen (Hg.) in Zusammenarb. m. Wendland, Gerhard/Müller, Helmut/Euring, Bernd: Alles hat seine Zeit. 100 Jahre evangelische Kirchengemeinden im alten Ffter Stadtgebiet. 100 Jahre evangelischer Gemeindeverband. Ffm. 1999. (Schriftenreihe des Evangelischen Regionalverbandes Ffm. 23).Telschow (Hg.): 100 Jahre ev. Gemeindeverband 1999, S. 75. | Wenzel, Mirjam/Kößling, Sabine/Backhaus, Fritz (Hg.): Jüdisches Fft. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Katalog zur Dauerausstellung des Jüdischen Museums Fft. München 2020.Zajdband, Astrid: Rabbiner Georg Salzberger und die Belsize Square Synagogue in London. In: Wenzel/Kößling/Backhaus (Hg.): Jüd. Fft. 2020, S. 147-149.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/93. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S3 (mit Kleinschriften, bes. Zeitungsausschnitten, zur Ortsgeschichte).ISG, S3/239 (Fft.-Loge des Ordens B’nai B’rith).
Internet: Stolpersteine in Ffm., Internetdokumentation der Initiative Stolpersteine in Ffm. e. V., Ffm. https://www.stolpersteine-frankfurt.de/media/pages/dokumentation/6005c26919-1659187902/doku2021_web.pdf
Hinweis: Initiative Stolpersteine Ffm., 19. Dokumentation 2021, S. 89f.
Stolpersteine in Ffm., 24.11.2023.


GND: 118605224 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Salzberger, Georg. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/986

Stand des Artikels: 9.1.1995