Älteste der sieben Töchter des Bankiers
Mayer Carl von R. und seiner Ehefrau
Louise, geb. de R. Verheiratet (seit 1862) mit ihrem Großcousin Salomon James de R. (1835-1864), einem Sohn von
James Mayer (de) R. und dessen Ehefrau Betty, geb. (von) R. (1805-1886). Eine Tochter:
Hélène Betty Louise Caroline de R. (seit 1887 verh. van Zuylen van Nyevelt van de Haar, 1863-1947).
Seit ihrer Heirat 1862 lebte R. in Paris, wo sie am 21.8.1863 ihre Tochter Hélène zur Welt brachte. Als ihr Mann nach nur zweijähriger Ehe plötzlich starb (13.5.1864), zog sich die junge Witwe für längere Zeit aus der Gesellschaft zurück. Offenbar kehrte sie mit ihrer Tochter damals häufig zu ausgedehnten Besuchen bei ihrer Familie nach Ffm. zurück. Später ließ sie sich in Paris ein repräsentatives Stadthaus in der Rue Berryer 11 errichten (Architekten: Léon Ohnet und Justin Ponsard, 1872-78), wo sie in großem Luxus (mit angeblich bis zu 40 Bediensteten) lebte; später gestaltete sie noch den Garten des Hauses vollständig neu (unter Erweiterung durch Ankauf eines benachbarten Grundstücks, Abriss des dortigen letzten Wohnhauses von Balzac und Errichtung der „Rotonde Balzac“ zur Erinnerung an den Schriftsteller, ab 1882). R. pflegte weiterhin engen Kontakt mit ihren Eltern und ihren Schwestern, wobei sie – wie der Vater – die Ehen der beiden jüngsten Schwestern Margaretha (seit 1878 verh. de Gramont, 1855-1905) und Bertha Clara (seit 1882 verh. Berthier de Wagram, 1862-1903) mit katholischen Adeligen missbilligte. Als auch ihre eigene Tochter Hélène sich 1887 für eine Heirat außerhalb des jüdischen Glaubens entschied, brach R. dauerhaft mit ihrem einzigen Kind, was möglicherweise ein Motiv dafür gewesen sein könnte, dass sie sich in den nächsten Jahren von ihrem Ffter (immobilen) Erbe trennte.
Nach dem Tod des Vaters
Mayer Carl von R. 1886 war dessen hinterlassenes Vermögen im angeblichen Gesamtwert von 800 Millionen Mark zu großen Teilen an die fünf lebenden und erbberechtigten Töchter gefallen. Adèle de R. hatte u. a. den umfangreichen Grundbesitz in Bornheim, einschließlich der Villa Günthersburg mit dem dazugehörigen Park und dem Luisenhof, geerbt. Nach und nach verkaufte sie 1889/90 ihren gesamten ererbten Besitz in Bornheim, wobei sie sich der Vermittlung der Immobilienfirma „Gebr. Helfmann & Consorten“ bediente. Im Sommer 1889 erwarb die Stadt Ffm. zunächst den Luisenhof und das westlich angrenzende Gelände zum Gesamtpreis von 169.600 Mark, um dort den städtischen Fuhrpark mit Müllabfuhr und Straßenreinigung anzusiedeln (heute Sitz der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH). Wenige Wochen später ließ R. der Stadt Ffm. auch den Günthersburgpark offerieren. Die Villa Günthersburg an sich war jedoch vom Erwerb ausgeschlossen: Das Gebäude sollte nach dem letzten Willen von
Mayer Carl von R. abgerissen werden. Die Stadt, die daran gedacht hatte, ein Kranken- oder Versorgungshaus in der Villa einzurichten, lehnte daher den Ankauf des Anwesens zunächst ab. Im Februar 1890 veräußerte R. daraufhin ihren restlichen Grundbesitz in Bornheim mit der Günthersburg an die Firma „Gebr. Helfmann“. Auf deren erneutes Angebot hin erwarb die Stadt Ffm. das knapp 30 Hektar große Gelände, nun mit der Absicht, es als „grüne Lunge“ für den mittlerweile stark bebauten Stadtteil Bornheim zu erhalten (Kaufvertrag vom 20.2.1891). Die Villa Günthersburg wurde gemäß dem Wunsch der
Familie R. abgebrochen (1891), und der Günthersburgpark wurde als Volks- und Spielpark eröffnet (Gartenarchitekt der Umgestaltung:
Andreas Weber, 1891-92).
Der Vater
Mayer Carl von R. hatte R. als der ältesten Tochter die Familienbildnisse testamentarisch zugedacht. Aus dem Inventar der Günthersburg erhielt sie außerdem das Gemälde „
Goethe in der Campagna di Roma“ (von
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, 1786-88), das ihr Großvater
Carl Mayer von Rothschild spätestens 1846 in Italien erworben hatte. R. schenkte das berühmte Bild 1887 dem Städelschen Kunstinstitut, wo es seitdem einen prominenten Platz in der Galerie einnimmt (früher lange im Eingangsbereich, seit 2011 vom Treppenhaus sichtbar im ersten Saal).
R. unterstützte ihre unverheiratete Schwester
Hannah Louise von R. bei der Gründung der „Freiherrlich Carl von Rothschild’schen Öffentlichen Bibliothek“, wofür sie die von ihr ererbte Büchersammlung des Vaters aus der Günthersburg als Grundstock stiftete. Zu Jahresbeginn 1888 wurde die Bibliothek, zunächst in der Bethmannstraße 1, eröffnet. Nach dem frühen Tod von
Hannah Louise von R. half Adèle de R. ihrer Mutter
Louise von R., die Bibliothek juristisch wie finanziell abzusichern. Als die Bibliothek nach dem Tod der Mutter 1894 in das freigewordene Palais am Untermainkai 15 übersiedelte, finanzierten R. und ihre Schwestern großzügig die Ausstattung der Räumlichkeiten. Auch das von der Mutter gegründete Clementine-Mädchen-Spital förderten die Schwestern Adèle, Emma (1844-1935) und Laura
Thérèse de R. (1847-1931), die alle Ehen innerhalb der
Familie R. geschlossen hatten, lange (bis zur Hyperinflation zu Beginn der 1920er Jahre) mit hohen Spenden, angeblich im Gesamtbetrag von 750.000 Goldmark. Oft bedachte Adèle de R. weitere Stiftungen und Vereine ihrer Vaterstadt mit größeren Zuwendungen. In Paris setzte sie, ebenfalls zusammen mit ihrer Schwester Thérèse, das wohltätige Wirken ihrer Schwiegermutter Betty de R. fort.
Die Kunstsammlung, die R. in üppigem Arrangement in den Gesellschaftsräumen ihres Hauses in der Rue Berryer 11 in Paris präsentierte, ging wesentlich auf das väterliche Erbe zurück; ein kleinerer Bestand dürfte schon früher aus dem Nachlass ihres Schwiegervaters
James de R. in ihren Besitz gekommen sein. Von der bedeutenden Kunstsammlung des Vaters
Mayer Carl von R. hatte R. zunächst das ihr zustehende Fünftel geerbt: Die Kunstschätze waren zu gleichen Teilen an die fünf erbberechtigten Töchter gegangen, nach dem Tod des Vaters zuerst im Dezember 1886 der Bestand aus der Günthersburg, nach dem Tod der Mutter dann im Januar 1895 der Bestand aus dem Stadthaus am Untermainkai 15. Außerdem wurde im Januar 1895 zugleich der Anteil der inzwischen verstorbenen Schwester
Hannah Louise von R. aus der väterlichen Kunstsammlung unter allen fünf lebenden Schwestern (also auch Margaretha, gen. Marguerite, verh. de Gramont, die vom Vater ursprünglich vom Erbe ausgeschlossen worden war) aufgeteilt. Selbst wenn R. keine so exzessive Sammlerin gewesen sein mag wie andere Mitglieder ihrer Familie, so hat sie ihre Sammlung doch durch weitere, selbst erworbene Stücke ergänzt. Anders als ihr Vater förderte sie aber wohl vornehmlich zeitgenössische Künstler, die auch in ihrem „Kunstsalon“ zu Gast waren, u. a. den Jugendstilkünstler Alfons Mucha (1860-1939).
R.s Tochter Hélène, seit 1887 verheiratet mit Baron
Etienne Gustave Frédéric van Zuylen van Nyevelt van de Haar (1860-1934), dem Gründer (1895) und Vorsitzenden des „Automobile Club de France“, war eine der ersten Frauen, die in Frankreich einen Führerschein erwarb und die Autorennen fuhr (u. a. Teilnahme am Rennen Paris – Amsterdam – Paris, 1898). Um 1901/02 lernte die Baroness die Dichterin Renée Vivien (1877-1909) kennen, mit der sie bis 1907 eine Beziehung verband. Zusammen mit Vivien veröffentlichte Hélène van Zuylen unter dem Pseudonym Paule Riversdale seit 1903 Gedichte und Romane; auch nach der Trennung brachte sie als Schriftstellerin unter dem Namen Hélène de Zuylen bis 1914 weitere Gedichte, Erzählungen, Romane und Bühnenstücke in französischer Sprache heraus. Zuletzt lebte Hélène van Zuylen lange in Portugal, wo sie am 17.10.1947 starb. Ihre Enkelin Baroness
Marie-Hélène Naila Stephanie Josina van Zuylen van Nyevelt van de Haar (1927-1996) heiratete erneut in die
Familie R. ein, als sie 1957 die Ehe mit Baron
Guy Edouard Alphonse Paul de R. (1909-2007), dem späteren Chef des Bankhauses in Paris, schloss.
Nachdem Adèle de R. ihre einzige Tochter enterbt hatte, hinterließ sie ihr Haus und ihre Sammlungen in der Rue Berryer 11 in Paris dem französischen Staat. Als „Hôtel Salomon de Rothschild“ (seit 1976 im Besitz der „Fondation Nationale des Arts Graphiques et Plastiques“ bzw. der inzwischen daraus hervorgegangenen „Fondation des Artistes“) zeugt das prunkvolle Stadtpalais mit seiner erlesenen Ausstattung bis heute vom Lebensstil und Kunstgeschmack seiner Erbauerin. Auch einige Stücke aus R.s Kunstsammlung sind noch vor Ort, insbesondere in einem „Kuriositätenkabinett“, bewahrt. Der größte und bedeutende Teil der Sammlungen aus dem Haus jedoch ging nach R.s Tod 1922 an die Bibliothèque nationale de France und an französische Museen, insbesondere an das Louvre und an das Musée de Cluny bzw. von dort 1977 an das Musée national de la Renaissance in Schloss Écouen, das u. a. die bedeutende Schmucksammlung von R. besitzt.
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