K. wuchs in einer jüdischen Familie auf. Die Eltern waren Falk Aron, gen. Ferdinand, Oppenheimer (1832-1914) und seine Ehefrau Friederike, geb. Geiger (1837-1885). Der Vater betrieb ein Handarbeits- und Manufakturwarengeschäft; zuletzt betätigte er sich als Börsenmakler. K. hatte sechs Geschwister. In den 1880er Jahren heiratete Hedwig Oppenheimer den Lehrer
Isidor K. (1852-1923) und ihre jüngere Schwester Rosette Oppenheimer (1867-1942) dessen Bruder, den Handelsvertreter Adolf K. (1849-1918), aus Sagan in Niederschlesien. Aus der Ehe von Rosette und Adolf K. stammte als einziger Sohn der Architekt, Publizist, Autor und Soziologe
Siegfried K.Mit ihrem Ehemann, dem promovierten Historiker
Isidor K., leitete K. von 1885 bis 1917 ehrenamtlich die 1863 gegründete „Julius und Amalie Flersheim’sche Stiftung“, ein Kinderheim zur Erziehung jüdischer Knaben aus bedürftigen Familien, Waisen und Halbwaisen. Die Anstalt arbeitete ab 1865 in der Pfingstweidstraße 14, und K. sah sich selbst im Heimalltag als „die tragende Säule“.
Die kinderlosen Eheleute K. führten einen geselligen, liberal und bildungsbürgerlich eingestellten Haushalt. Besonders
Siegfried K. suchte intellektuell regelmäßig die Nähe von Tante und Onkel.
Isidor K. war der Historiker der Jüdischen Gemeinde. Zu seinen Veröffentlichungen zählten das „Urkundenbuch zur Geschichte der Juden in Fft. 1150-1400“ (2 Teile, 1911/14) und die „Geschichte der Juden in Fft. [1150-1824]“ (2 Bde., 1925/27). Letztere Arbeit erschien posthum und gilt noch heute als Standardwerk. K. redigierte das Manuskript ihres 1923 verstorbenen Ehemannes und bereitete es mit einem eigenen Vorwort versehen zur Drucklegung vor.
Infolge der Inflation verlor K. ihre Ersparnisse und verarmte. Ihre Schwester, ebenfalls bereits Witwe, ereilte das gleiche Schicksal. Beide Frauen erhielten von
Siegfried K., der ab 1930 in Berlin lebte und arbeitete, finanzielle Unterstützung. Bezogen auf den Neffen „Friedel“ war K. stets erfüllt von „Tantenstolz“, vor allem in konkurrierender Abgrenzung zu dessen Freund
Theodor W. Adorno, der sich ihrer Auffassung nach selbst überschätzte.
K. nahm lebhaft teil am politischen Tagesgeschehen. Zuweilen verfasste sie kleinere Texte für den Lokalteil der Ffter Zeitung oder das Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde, etwa über historische Themen des 18. und 19. Jahrhunderts, wie z. B. zu Eheverboten jüdischer Gemeindevorsteher oder der Entwicklung der jüdischen Kaffeehauskultur in Ffm.
Hellsichtig hatte K. bereits vor 1933 die vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr für Jüdinnen und Juden erahnt. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand am 27.2.1933 flüchtete
Siegfried K. mit seiner Ehefrau, der Lehrerin und Bibliothekarin Elisabeth, gen. Lili, K., geb. Ehrenreich (1893-1971), nach Paris. In den folgenden Jahren bemühte er sich vergeblich, seiner Mutter und seiner Tante die rettende Ausreise nach Frankreich zu ermöglichen. Doch für beide war die Flucht aus Ffm. zunächst kein Thema. Zu stark fühlten sie sich noch in der bürgerlichen Stadtgesellschaft verwurzelt und wollten – wie so viele andere Ffter Jüdinnen und Juden – nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr dazugehören sollten. Zerstreuung suchte vor allem K. in Konzerten und Theateraufführungen des Jüdischen Kulturbunds. Auch kleine Reisen waren noch möglich; so besuchten die Schwestern den Sohn und Neffen 1934 in Paris, 1936 und 1937 trafen sich alle in Südtirol bzw. in Brüssel.
Hedwig und Rosette K. wohnten ab Frühjahr 1936 zusammen in der Kronberger Straße 47. Dort ließen sie eine Fotoserie anfertigen, vermutlich um
Siegfried K. in Paris einen visuellen Eindruck von ihrer neuen Lebenssituation zu geben. Überhaupt wurden der Neffe bzw. Sohn, sein Schaffen und seine Befindlichkeiten mangels eigener Planungen für die Zukunft und infolge der zunehmenden Beschränkung gesellschaftlicher Kontakte sukzessive zum alleinigen Bezugspunkt von Hedwig und Rosette K.
Die Ausschreitungen während des Novemberpogroms 1938 versetzten die Schwestern in Panik. „Wir leben doch nicht normal, wenn wir auch äußerlich so tun als ob, zur richtigen Zeit essen, uns zu Bett legen, aufstehen, Sachen einholen, zerrissene Dinge ausbessern, Briefe schreiben, nötige Besuche machen und solche empfangen. Im Innern sind wir verzagte, verzweifelte Menschen, die nicht aus noch ein wissen“, schrieb K. in großer Not nach Paris. (DLA Marbach, Nachlass
Siegfried K., Brief von Hedwig K. an
Siegfried und Elisabeth K., Ffm., 21.11.1938.) Doch inzwischen war es für die Flucht zu spät. Sämtliche Vermittlungsversuche von
Siegfried K. scheiterten. Im Juni 1939 lehnte das französische Konsulat die Erteilung eines Einreisevisums für Frankreich ab. Bald schon mussten die Schwestern verfolgungsbedingt in Ffm. umziehen; sie waren ab Juli 1941 in der Liebigstraße 19, ab 3.11.1941 in der Eysseneckstraße 41 und ab 15.11.1941 im Jüdischen Altersheim, Sandweg 7, registriert.
Hedwig und Rosette K. wurden am 18.8.1942 im Alter von 80 bzw. 75 Jahren in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Mehr als die Hälfte der Deportierten dieses siebten Massentransports aus Ffm. wohnten bis dahin in den zehn jüdischen Altersheimen, so wie die K.s im Sandweg 7. Als „Sammelstellen“ dienten die Altersheime Rechneigrabenstraße 18-20 und Hermesweg 5-7. Zum Teil brachte der Leichenwagen der Jüdischen Gemeinde die meist gebrechlichen Menschen in sengender Sommerhitze dorthin. Weiter wurden die Frauen und Männer auf Last- und Leiterwagen zur Großmarkthalle transportiert, wo Züge der Deutschen Reichsbahn für die Deportation nach Theresienstadt bereitstanden. Elf Personen starben bereits während der eintägigen Fahrt.
Lina Katz, Sekretärin in der Verwaltung der Jüdischen Gemeinde und überlebende Zeugin, berichtete in ihren Erinnerungen: „Mit mir nach Theresienstadt wurden im gleichen Transport deportiert Frau Hedwig Kracauer, die Witwe des Professors
Isidor Kracauer, des Geschichtsschreibers der Ffter Juden, und ihre Schwester, die Mutter des Redakteurs der Ffter Zeitung Dr.
Siegfried Kracauer. Wir lagen in Theresienstadt einige Zeit im gleichen Zimmer auf dem Fußboden, da kein weiteres Mobiliar vorhanden war. Diese beiden Frauen wurden nach einiger Zeit in ein Vernichtungslager (...) deportiert.“ (Zit. nach: Dok. z. Gesch. d. Ffter Juden 1963, S. 508.) K. und ihre Schwester blieben etwa fünf Wochen in Theresienstadt. Am 26.9.1942 wurden die betagten Frauen unter den Transportnummern „Br-898“ und „Br-114“ in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort sofort vergast. Etwa 390 als jüdisch verfolgte Frankfurterinnen und Frankfurter wurden in Treblinka ermordet.
Ende März 1941 war
Siegfried K. und seiner Ehefrau die Flucht von Lissabon nach New York geglückt. Bis zuletzt hatte er noch versucht, über das US-amerikanische Rote Kreuz den Kontakt nach Ffm. aufrechtzuerhalten. Am 18.8.1942, dem Tag der Deportation von Hedwig und Rosette K., bedankte er sich bei der Institution für die Weitergabe eines Briefes seiner Mutter, nicht ahnend, dass dies das letzte Lebenszeichen seiner Angehörigen gewesen war.
Seit 2013 Stolpersteine für Hedwig und Rosette K. vor dem Haus Kronberger Straße 47 im Westend.
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