Der prominente Filmregisseur („Master of Suspense“) kam zwischen 1959 und 1972 mindestens neunmal nach Ffm. H. machte hier Station auf den Werbetouren für seinen jeweils neuesten Film, traf sich mit Verleihchefs, reiste zu geheimen Arbeitsbesprechungen mit seinem Filmdesigner
Hein Heckroth an, stellte sich in zwei Fernsehsendungen des Hessischen Rundfunks vor oder war auch einmal mit Gattin Alma, geb. Reville (1899-1982), privat da. Seine offiziellen Besuche in der Mainstadt stießen stets auf ein außergewöhnliches Interesse von Medien und Publikum. Zu seiner Popularität dürfte nicht zuletzt H. mit seiner perfekten Selbstinszenierung beigetragen haben, etwa durch die legendär gewordenen Kurzauftritte (Cameos) in seinen eigenen Filmen und die von 1959 bis 1969 im deutschen Fernsehen laufende Reihe „Alfred Hitchcock zeigt“ mit von ihm selbst gesprochenen deutschen Anmoderationen der präsentierten Kriminalfilme (nach der US-amerikanischen Fernsehreihe „Alfred Hitchcock Presents“, 1955-62, fortgesetzt als „The Alfred Hitchcock Hour“, 1962-65).
Im Januar 1959 besuchte H. wohl erstmals Ffm. Der Regisseur und Produzent warb hier für seinen neuen Film, „Vertigo“ (dt. „Aus dem Reich der Toten“, 1958, dt. EA 3.2.1959), dessen deutsche Kinopremiere unmittelbar bevorstand. In der Mainmetropole hatten damals die großen US-amerikanischen Filmverleihfirmen ihre Deutschlandzentralen, etwa die „Paramount Films of Germany, Inc.“ (mit Büro in der Kaiserstraße 48), und so lag es nahe, dass auch die folgenden drei Fft.besuche H.s der Promotion für seine Filme dienten. Für den Herbst 1960 organisierte Nelly Platt, die Pressechefin von „Paramount“ in Deutschland, eine Städtereise von H. durch die Bundesrepublik zur Werbung für den Film „Psycho“ (1960, dt. EA 7.10.1960). Bei der Landung auf dem Ffter Flughafen bereitete Platt einen kleinen Empfang für H. und seine Frau. Zwei Mitarbeiterinnen aus dem Pressearchiv der Filmgesellschaft, eine davon als „Hessenmädchen“ in Tracht, reichten Ffter Würstchen und Ebbelwei zur Begrüßung. Alfred und Alma H. probierten klaglos das Ffter Nationalgetränk, obwohl es, wie sich erst später erwies, aufgrund von Salzresten der Glasur im eigens neu gekauften Bembel völlig versalzen war. Bei einer Pressekonferenz im Hotel „Ffter Hof“ und einem Fototermin im Premierenkino „Turm-Palast“ am 26.9.1960 stellte H. dann den Film „Psycho“ in Ffm. vor. Eine Besonderheit war die Verfügung des Regisseurs, dass nach Beginn des Films niemand mehr in den Saal gelassen werden sollte, um die Filmwirkung nicht zu zerstören – eine unübliche Maßnahme, die H. den Kinobesitzern und -besuchern mit geschickter Werbung (z. B. bei seinen Auftritten vor Ort) erst einmal beibringen musste. Im Dezember 1962 machte H. auf seiner Promotiontour für „The Birds“ (dt. „Die Vögel“, 1963, dt. EA 20.9.1963) wieder halt in Ffm.
Auf seiner Werbereise für „Marnie“ (1964, dt. EA 17.9.1964) landete H. mit einer „Düsenmaschine“ aus Wien am 1.6.1964 auf dem Ffter Flughafen. Auf dem Rollfeld wurde er von der Presse erwartet und wieder von einigen jungen Frauen in hessischer Tracht begrüßt, die ihm Ebbelwei aus einem Bembel einschenkten; zum Empfangskomitee gehörte außerdem das damals gerade sehr erfolgreiche Schlagerquartett „Geschwister Jacob“ (die späteren „Jacob Sisters“). Später nahm H. an einem Abendessen mit Vertretern der Ffter Wirtschaft und Kultur teil. Im Hotel „Intercontinental“, wo er bei seinen Fft.aufenthalten üblicherweise wohnte und möglichst immer dasselbe Appartement mit Mainblick bezog, gab er am folgenden Vormittag eine Pressekonferenz (2.6.1964). Außerdem besuchte er an diesem Tag die Gerichtsverhandlung gegen Otto Hunsche (1911-1994) und Hermann Krumey (1905-1981), ein Nebenverfahren des Auschwitz-Prozesses. Abends flog H. nach Wien zurück.
Im Frühjahr 1965 korrespondierte H. mit Lutz Scherer, dem Generalmanager der deutschen „Universal Filmverleih, Inc.“ in Ffm., den er zur Vorbereitung eines neuen Films um Bilder aus Ostdeutschland bat. Um für das Filmprojekt zu recherchieren, reisten H. und der Unit Production Manager (Produktionsleiter) Jack Corrick (1912-1982) inkognito nach Deutschland, wo sie am 12.7.1965 auf dem Ffter Flughafen ankamen. Unter strengster Geheimhaltung traf sich H. im Hotel „Intercontinental“ zu Arbeitsgesprächen mit dem Ffter Bühnenbildner
Hein Heckroth, der das Production Design (Szenenbild) für den geplanten Film übernahm. Bei einem der früheren Besuche des Regisseurs in Ffm. hatten sich H. und
Heckroth auf einer Party kennengelernt. Als H. mit Ehefrau Alma und Cousine Theresa (1889-1973) im Mai 1966 zu einer eher privaten Stippvisite nach Ffm. kam, traf man sich mit dem Ehepaar Heckroth wieder im „Interconti“. Der Regisseur hatte den (bereits 1949 mit einem „Oscar“ ausgezeichneten) Bühnenbildner für das Produktionsdesign des projektierten Films gewonnen, weil der Höhepunkt des Filmgeschehens sich während einer Theateraufführung ereignen sollte. Die meisten Schauplätze des entstehenden Spionagethrillers „Torn Curtain“ (dt. „Der zerrissene Vorhang“, 1966, dt. EA 7.10.1966), der u. a. in Leipzig und Ost-Berlin spielt, musste
Heckroth letztlich auf dem Studiogelände der „Universal“ in Kalifornien nachbauen.
Im September 1966 wurden vom Hessischen Rundfunk in Ffm. zwei Fernsehsendungen mit H. aufgezeichnet. Werbewirksam wurde der berühmte Gast von HR-Intendant Werner Hess (1914-2003) im Hotel abgeholt, von wo aus die beiden Herren in einem offenen Oldtimer mit Chauffeur in das Funkhaus am Dornbusch fuhren, verfolgt von einem Wagen voller Pressefotografen. Zunächst war H. zu Gast am „Ffter Stammtisch“, der am 13.10.1966 und somit kurz nach dem deutschen Kinostart von „Der zerrissene Vorhang“ (7.10.1966) ausgestrahlt wurde. Moderator der Sendung war Botho Jung (1927-2014), der H. mehrfach nach dem „Oscar“ fragte, weil er offenbar nicht realisieren konnte, dass der Regisseur diese Auszeichnung trotz sechs Nominierungen (1941-60) bisher nicht bekommen hatte (und auch später nie bekam). Als Gesprächspartner saßen der Journalist
Richard Kirn, der Bühnenbildner
Hein Heckroth und der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993) am Tisch. Die Herrenrunde wurde von der Schauspielerin Gaby Reichardt (* 1938) in der Rolle als Kellnerin Gretel bedient. H. sprach meist Deutsch, das er bei seiner Arbeit für die Ufa 1924/25 gelernt hatte, und erklärte seine Auffassung des „echten Kinos“: Dessen Technik bestehe im Erzählen in Bildern, während viele Filme heute nur „fotografierte Dialoge“ und damit für ihn „not cinema“ (kein Kino) seien. Zu dem Zeitpunkt, als H. im Ffter Fernsehstudio über die Hintergründe seiner Filmarbeit sprach, war das rund 50-stündige Interview, das er zuvor mit François Truffaut (1932-1984) zu diesem Thema geführt hatte, noch nicht veröffentlicht („Le Cinéma selon Hitchcock“, erstmals als Buch erschienen im November 1966, dt. 1973). Die zweite Sendung des HR mit H. wurde unter dem Titel „Hinter der Leinwand“ am 30.10.1966 im Fernsehen gezeigt. Der Regisseur berichtete darin über den neuen Film „Der zerrissene Vorhang“ und erläuterte das von ihm meisterhaft beherrschte Stilmittel der Suspense (Spannung auf Basis der Vorhersehbarkeit) an diesem aktuellen Beispiel.
Im Oktober 1968, während der Dreharbeiten zu „Topaz“ („Topas“, 1969, dt. EA 1.1.1970) in Wiesbaden, kam H. spontan für zwei Tage nach Ffm., um, „fern vom Set“, nachdenken zu können. Er wohnte, wie immer, im Hotel „Intercontinental“ und soll sich inkognito in Fft.s gerade neu eröffneter U-Bahn an der Hauptwache bewegt haben, um ein Motiv zu finden.
Der wohl letzte Besuch von H. in Ffm. galt wieder der Werbung für ein neues Werk. Im Rahmen seiner Promotiontour für den Film „Frenzy“ (1972, dt. EA 12.9.1972) wurde H. am 13.9.1972 in Ffm. erwartet. Auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs, wo er nachmittags mit dem Eilzug E 1625 aus Düsseldorf eintreffen sollte, hatte sich schon die Bundesbahnkapelle mit etwa 40 Musikern aus Offenburg und zwei Damen in Schwarzwälder Tracht (mit Bollenhut) zur Begrüßung versammelt. Reisende, die hörten, wer hier ankommen sollte, sollen ihren Zug verpasst haben, um H. zu sehen. Nach zwölf langen Minuten der Verspätung war es endlich soweit. Die Kapelle spielte „When the Saints Go Marching In“, als der Starregisseur unter dem Blitzlichtgewitter der Pressefotografen aus dem Salonwagen stieg. Der Pressechef des „Universal Filmverleihs“ hatte sich einen besonderen Gag für die Fotografen einfallen lassen und nötigte den Gast auf einen Regiestuhl, der mit einem Podest auf einen Gabelstapler montiert war und nun in die Höhe gekurbelt wurde. Von dem Hochsitz aus sollte H. die Kapelle dirigieren, doch ihm war sichtlich nicht wohl dabei, und erst der beherzte Zuruf eines Gepäckträgers, „den alten Herrn doch endlich runter“ zu lassen, befreite ihn aus der misslichen Lage. Wieder auf festem Boden stehend, wurde H. diesmal auch von einem offiziellen Vertreter der Stadt begrüßt, dem Ffter Kulturdezernenten und Filmwissenschaftler Hilmar Hoffmann (1925-2018), der ihm u. a. das Bändchen „Kriminalfälle aus der Reichsstadt Fft.“ (von Karl-Ernst Meinhardt, 1964) als Gastgeschenk überreichte. Am Abend war H. vermutlich bei der Aufführung des Films „Frenzy“ im „Europa“ an der Hauptwache anwesend.
Aufgrund seines stilprägenden Einflusses gilt H. als einer der bedeutendsten Filmregisseure des 20. Jahrhunderts. Er wird als Erfinder des Psychothrillers angesehen. Gerade durch seine gezielt entwickelte und eingesetzte Medienpräsenz, die er auch bei seinen Fft.besuchen zeigte, wurde er zu einer der berühmtesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Wegen seines problematischen, weil oft übergriffigen Umgangs mit den Hauptdarstellerinnen seiner Filme, der erst etwa ab der Jahrtausendwende nach und nach einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, ist H. als Person heute jedoch kritisch zu sehen.
2000/01 Wanderausstellung „Obsessionen. Die Alptraum-Fabrik des Alfred Hitchcock“ als Kooperation der Filmmuseen in Düsseldorf, Ffm., München und Potsdam mit letzter Station im Deutschen Filmmuseum in Ffm.
2007 wurden H. posthum die „Festival Honours“ des Film- und Technik-Festivals „Edit“ in Ffm. verliehen, die die Schauspielerin Tippi Hedren (* 1930), Hauptdarstellerin in H.s Filmen „Die Vögel“ und „Marnie“, für ihn entgegennahm.
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