Lorei, Maria Magdalena, gen. Madlen. Psd. (in der Illustrierten „Quick“): Key Kent [nach anderen Angaben: Kay Kent]. Signa (in der FNP und der Ffter Nachtausgabe): ei, ML. Schriftstellerin. Journalistin. * 1.7.1918 Ffm., † 18.12.1994 Ffm.
Tochter des Kolonialwarenhändlers Wilhelm L. und dessen Ehefrau Maria, geb. Dell, später in zweiter Ehe verh. Stein. Zwei ältere Brüder: Wilhelm und Adolf L.
L. wuchs in der Friedberger Landstraße 142 im Nordend auf, wo die Mutter eine Kolonialwarenhandlung betrieb. Der Vater war kurz vor L.s Geburt im Ersten Weltkrieg gefallen. In den Folgejahren brachte die Mutter sich und die drei Kinder mit den Erträgen aus dem Geschäft durch. L. musste ihrer Mutter oft helfen und lernte früh, sich zu behaupten. Mit der späteren Volksschauspielerin
Liesel Christ spielte sie im Sandkasten. Nach dem Besuch der Volksschule machte L. eine Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin in einer jüdischen Anwaltskanzlei und arbeitete anschließend als Sekretärin in dem privaten jüdischen Bankhaus Heidingsfelder & Co. L. hatte bereits in jungen Jahren angefangen zu schreiben. Sie ließ die von ihr verfassten Kurzgeschichten gern von Freunden und Bekannten im „Café Roma“ gegenüber dem Ffter Schauspielhaus „begutachten“. Ihre erste Erzählung soll sie um 1936 in der Zeitschrift „Elegante Welt“ untergebracht haben, und weitere Arbeiten sollen in der BZ am Mittag zum Abdruck gekommen sein.
Mit 17 zog L. nach Berlin, wo sie bald eine Stellung im Lektorat der Ufa (Universum Film AG) fand. Ihre erste selbstständige Veröffentlichung war die Filmbroschüre „Seitensprünge“, die 1940 im Berliner Verlag Karl Curtius herauskam. Es folgten im selben Verlag der Liebesroman „Verwirrung einer Reise“ (um 1941) im Groschenheftformat und der Trivialroman „Stürmischer September. Das Schicksal einer Pariser Strafverteidigerin“ (1943). Offenbar waren die Publikationen in finanzieller Hinsicht ein Erfolg für die Autorin. L. war bis 1945 als „freie Schriftstellerin“ in Berlin, Amsterdam und Wien tätig. Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte sie im Pustertal/Tirol. Im Februar 1946 kehrte sie nach Ffm. zurück, wo sie als Schriftstellerin zunächst keine Zuzugsgenehmigung erhielt. Nach deren Erteilung wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und dem Bruder Adolf in der Stegstraße 71 in Sachsenhausen. Den Vorschlag, in dieser Zeit als Stadtverordnete für die CDU zu kandidieren, soll sie abgelehnt haben. Ein Freund verhalf L. schließlich zu einem Job bei der Ffter Neuen Presse, die am 15.4.1946 erstmals erschien. Als freie Mitarbeiterin übernahm sie die Polizeiberichterstattung. Ab 1949 schrieb sie auch für die Nachtausgabe der Ffter Neuen Presse (ab 1951: Ffter Nachtausgabe).
L. erlebte ihre große Zeit als Journalistin in den 1950er Jahren. Sie interviewte Filmstars wie Zsa Zsa Gabor, Hildegard Knef,
Hans Albers und Heinz Rühmann, berichtete über Flüchtlinge, Überlebende der Shoah, Obdachlose und behinderte Kinder, machte sich im Ffter Raum aber vor allem durch ihre Reportagen über aufsehenerregende Mordfälle einen Namen. L. war ein Unikum in der von Männern beherrschten Domäne der Kriminal- und Gerichtsreporter ihrer Zeit. Sie selbst bezeichnete sich später ironisch als „Schluchz- und Katastrophenjule“. Als ihre Markenzeichen galten ihre tiefe Stimme, die obligatorische Baskenmütze und eine gewisse „Schnoddrigkeit“, mit der sie offensichtlich versuchte, sich Unzumutbares „vom Leib“ zu halten. L. konnte harsch sein und vernichtende Urteile aussprechen, wurde aber für ihre Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit bewundert. Als Reporterin galt sie als couragiert, resolut und kämpferisch; ihre Veröffentlichungen standen für journalistische Qualität und exzellente Recherche. Kollegen bescheinigten ihr „derben Mutterwitz“ und einen „scharfen Geist“. In Nachrufen hieß es, L. sei „laut, eindringlich und unvergeßlich“ gewesen: „eine der größten Journalistinnen Frankfurts“, die „nie ein Blatt vor den Mund nahm – auch nicht auf dem Papier“.
Zu den Fällen, die L. als Kriminalreporterin betreute, gehörten der Sachsenhäuser „Wendeltreppenmord“ (1948), der Prozess gegen die Wormser Serienmörderin Christa Lehmann (1954), die Familientragödie um den Gelnhäuser Frauenarzt Gerhard Calinich (1954) und die bis heute nicht aufgeklärten Morde an den Prostituierten
Rosemarie Nitribitt (1957) und Helga Matura (1966). In drei Fällen soll L. schon vor der Polizei gewusst haben, wer der Mörder war. Es hieß, sie kannte „das Miljöh“, und tatsächlich recherchierte sie auch in Zuhälterkreisen und in der Schwarzmarktszene. Es scheint, dass sich L. aber nicht nur mit Kriminellen anlegte, sondern auch mit der Polizei und der Politik. Einmal habe sie einen Skandal im Ffter Polizeipräsidium aufgedeckt, ein andermal soll sie zwei Kriminalbeamte beschimpft haben, weshalb ein Verfahren gegen sie angestrengt wurde, wohl ein Beleidigungsprozess. Als ihr „Lieblingsfeind“ galt Emil Carlebach (1914-2001), überzeugter Kommunist, Ffter Stadtverordneter und späterer hessischer Landtagsabgeordneter. In Rückschauen der Tagespresse über L. und ihre „bewegte Zeit“ als Kriminalreporterin in Ffm. wimmelt es von Andeutungen und Anekdoten, die allerdings meist nicht im Detail belegt werden und damit nicht leicht zu überprüfen sind. Eine detaillierte Studie, die sich mit der Biographie und der Journalistik L.s beschäftigt, steht noch aus.
Seit der frühen Nachkriegszeit engagierte sich L. für behinderte und benachteiligte Kinder. Ende 1949 rief die Lokalredaktion der FNP mit dem Foto eines „Ffter Bunkerkindes“ ihre Leserschaft zum Spenden von Weihnachtspäckchen für elternlose Kinder auf. Aus der Aktion entwickelte sich die 1963 gegründete Leberecht-Stiftung, die L. an der Seite ihres Vorgesetzten und Förderers
Richard Kirn, des Lokalchefs der FNP, in den folgenden Jahrzehnten unterstützte, nicht nur durch regelmäßige Spendenaufrufe in der Zeitung.
L. soll sich bereits in den 1950er Jahren offen als lesbische Frau zu erkennen gegeben haben, gleichwohl das Thema Homosexualität weder in ihrer Publizistik noch in ihrem literarischen Werk je eine prominente Rolle spielte. Ihre langjährige Lebensgefährtin Marianne Bechthold (1927-2009), die im Wein- und Spirituosenhandel tätig war, lernte sie um 1954 in der Bar „Rote Katze“ in der Kleinen Bockenheimer Straße 8 kennen, einem bekannten Treffpunkt für lesbische Frauen. Der homosexuelle Journalist Johannes Werres (1923-1990), der ab 1951 vorübergehend Reporter zur Aushilfe bei der FNP und der Ffter Nachtausgabe war, schrieb später über L.: „(…) mit ihr konnte ichs gut, obwohl ihre Männlichkeit auf mich manchmal grotesk wirkte. (…) Sie war kollegial und ein Pfundskerl.“
L. arbeitete neben ihrer journalistischen Tätigkeit auch in den Nachkriegsjahren an literarischen Texten, fand aber wohl keine Veröffentlichungsmöglichkeiten mehr für sie. So sind im Nachlass des österreichischen Schriftstellers Alexander Sacher-Masoch (1901-1972), der ab 1955 für einige Jahre in Ffm. lebte und den L. in dieser Zeit kennenlernte, fünf Kurzgeschichten („Aus Liebe“, „Die Föhre“, „Die Frau am Fenster“, „Die fremde Puppe“ und „Die Träume des kleinen Rudolfo“), eine längere Erzählung („Mallorcinische Romanze“) und ein Roman („Das Schicksal war dagegen“) von L. im Typoskript erhalten; wann die Arbeiten entstanden, ist nicht belegt. Der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim (eigentl.: Holger Mischwitzky, * 1942) bearbeitete Anfang der 1980er Jahre L.s offenbar unveröffentlichten Kriminalroman „Die Hölle hat nur eine Tür“ zu einem Hörspiel (RIAS Berlin/HR, ES: 25.10.1982). 2010 gab die Ffter Journalistin Astrid Keim (* 1947) die Lebensgeschichte der vermeintlichen US-Gangsterlegende „Chicago Kid“ (wohl Abram Sycowski, 1892-?) heraus, die L. in Zusammenarbeit mit ihrer Lebensgefährtin Marianne Bechthold Mitte der 1950er Jahre aufgezeichnet hatte. Die beiden Frauen hatten „Chicago Kid“ um 1954 in Ffm. kennengelernt. Für die Publikation redigierte Keim das Originalmanuskript, das sich in Bechtholds Besitz erhalten hatte, grundlegend und erweiterte es um eigene Rechercheergebnisse.
In den 1960er Jahren soll L. eine mehrjährige Pause als Reporterin eingelegt haben. In dieser Zeit veröffentlichte sie zusammen mit
Richard Kirn die Bücher „Fft. und die drei wilden Jahre“ (1962) und „Fft. und die Goldenen Zwanziger Jahre“ (1966). Es sind eindrucksvolle Quellensammlungen zu den Alltagsumständen und Sensationen des Lebens in Ffm. zwischen 1923 und 1929 bzw. 1945 und 1948. Erst vom 1.6.1968 bis zum 30.6.1978 war L. als angestellte Redakteurin erneut für die Ffter Neue Presse tätig. In dieser Zeit betreute sie die langjährige samstägliche Kolumne „Ohne Schmus“ in Ffter Mundart.
L. verließ am Tag vor ihrem 60. Geburtstag ihren Platz in der Lokalredaktion der FNP und ging in Rente. Von ihren Lesern und Leserinnen verabschiedete sie sich mit den Worten: „Machts also gut, ihr Krakehler, Owwersimpel un Kluchscheißer, hochgestochene Panneflicker, krumme Hunde un goldische Eser, Schöppcherschwenker, Schlappekicker, klaane Dicke un derrappische Gestecker…“ Die „kratzbürstige“ Art war aber nur schützende Fassade. Als zwei Kollegen L. am Abend des Abschieds nach Hause fuhren, sei sie plötzlich in Tränen ausgebrochen. L. wohnte seit 1967 im Oeder Weg 30 im Nordend, schwamm regelmäßig im Stadtbad Mitte und verbrachte fortan ihre Sommer auf der Mittelmeerinsel Mallorca. Nach wie vor war sie ein gläubiger Mensch und betete regelmäßig.
Überregional bekannt wurde L. durch die improvisierte Filmgroteske „Unsere Leichen leben noch“ von Rosa von Praunheim, die 1981 entstand. Der Titel geht auf L. zurück. Die Produktion wollte nach eigenem Anspruch fünf „vitalen“, „exzentrischen“ und „frechen“ Frauen um die 60 die Möglichkeit geben, über sich und ihr Leben zu erzählen: Lotti Huber (eigentl.: Charlotte Goldmann, 1912-1988), Inka Köhler, Luzi Kryn (1919-2000), Maria Christiana Leven (1919-2001) und eben Madlen L. In dem Film gewährte L. kurze Einblicke in ihr Leben als lesbische Frau, Schriftstellerin und Kriminalreporterin.
L. starb 1994 an den Folgen eines Krebsleidens in der Wohnung ihrer Freundin Marianne Bechthold. In ihrem letzten Jahr hatten Bechthold und eine gemeinsame Freundin sie umsorgt und gepflegt. L. wurde auf dem Ffter Hauptfriedhof beigesetzt. Der Kapuzinerpater Amandus Hasselbach (1935-2012) hielt die Trauerfeier ab.
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