Sohn des in Friedberg/Hessen geborenen Kaufmanns Louis H. (1869-1936) und dessen aus Wanfried/Nordhessen stammender Ehefrau Clotilde, gen. Cäcilie, geb. Goldmann (1872-1959). Der Vater betrieb in Friedberg/Hessen die alteingesessene Textil- und Konfektionsfirma „Mayer J. Hirsch“, saß seit 1918 für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) im Stadtrat und wurde 1924 Handelsrichter am Landgericht Gießen. Die verwitwete Mutter emigrierte 1938 zu ihrem Sohn in die Türkei und lebte bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland in den frühen 1950er Jahren in Istanbul. H.s Schwester Anni Henriette H., verh. Ollendorff (1903-?), wurde mit ihrem Mann Paul Ollendorff (1892-?) und dem gemeinsamen Sohn Peter (1936-?) im Juli 1942 von Wuppertal-Barmen nach Theresienstadt deportiert und später (nach 9.10.1944) im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Verheiratet in erster Ehe (von 1929 bis zur Scheidung 1933) mit Trude H., geb. Loewenick, später in zweiter Ehe verh. Bugno (1905-1960), Tochter des Ffter Bankdirektors
Leopold Otto Loewenick (1870-1919), die seine Sekretärin war; in zweiter Ehe (von 1934 bis zur Scheidung 1953) mit seiner früheren Studentin
Holde Paula Martha H., geb. Hiller (1910-1976), Tochter des Architekten
Ernst Hiller (1876-1935) und Enkelin des Weinhändlers
Moritz Sachs-Fuld (1850-1940), die H. ins Exil in die Türkei gefolgt war; in dritter Ehe (seit 1953) mit Gertrud (auch: Ruth) H., geb. Sterkel (1908-1983). Eine Tochter aus erster Ehe: Hannelore H. (später verh. Alletto, * 1931), die mit ihrer Mutter zu Beginn der NS-Herrschaft nach Italien emigrierte. Ein Sohn aus zweiter Ehe: Enver Tandoğan H. (* 1945). Eine Stieftochter aus dritter Ehe: Kunigunde Kamm (* 1941).
H. erlangte 1920 an der humanistischen Augustinerschule in Friedberg die Hochschulreife und studierte anschließend Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft an den Universitäten Ffm., München und Gießen. Nach bestandenem Referendarexamen wurde er 1924 an der Universität Gießen bei dem Zivilrechtler Leo Rosenberg (1879-1963) mit einer Arbeit über das Betriebsrätegesetz promoviert („Die Rechtsnatur des Betriebes und der Arbeitnehmerschaft. Ein Beitrag zum Recht des Betriebsrätegesetzes“, Dissertation, 1924). Danach arbeitete H. zwei Jahre lang als Justitiar im Bankhaus Otto Hirsch & Co. in Ffm., das seinem Onkel gehörte. Von 1926 bis 1929 absolvierte er den juristischen Vorbereitungsdienst als Referendar am Amtsgericht Offenbach sowie am Land- und Oberlandesgericht Ffm. 1929 habilitierte er sich an der Ffter Universität für die Fachgebiete Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Internationales Privatrecht („Der Rechtsbegriff ‚provision’ im französischen und internationalen Wechselrecht“, Habilitationsschrift, im Druck 1930). Seitdem lehrte er als Privatdozent an der Ffter Universität; 1931 wurde ihm auch die Venia Legendi für Deutsches Privatrecht zuerkannt. 1931, mit weniger als 30 Jahren, wurde H. bereits Richter am Landgericht Ffm. Von November 1932 bis März 1933 vertrat er an der Universität Ffm. den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Handelsrecht. Im April 1933 wurde H. auf Basis des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (§ 3 BBG) die Lehrbefugnis entzogen, und er wurde als Land- und Amtsgerichtsrat in den Ruhestand versetzt.
Nach seinem Berufsverbot emigrierte H. zunächst in die Niederlande, wo er sich um eine Professur bewarb, ging dann aber in die Schweiz. Dort hatte der Pathologe Philipp Schwartz (1894-1977), der ebenfalls an der Universität Ffm. aufgrund des Berufsbeamtengesetzes entlassen worden war, die „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“ gegründet, die H. einen Ruf an die Universität Istanbul vermittelte. Im Juli 1933 unterzeichnete er mit dem türkischen Erziehungsministerium den Vertrag für eine ordentliche Professur für Land- und Seehandelsrecht, die er im Herbst 1933 antrat. Bis zum Beginn des Krieges 1939 reiste er noch gelegentlich ins europäische Ausland, um seine Tochter in Rom zu treffen oder an Konferenzen in Paris teilzunehmen. Nach seiner Einbürgerung 1943 wechselte H. auf Veranlassung des türkischen Justizministeriums an die Universität Ankara, wo er zusätzlich die Fächer Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie vertrat. Außerdem arbeitete er als Berater der türkischen Regierung, für die er mehrere Gesetzgebungsverfahren auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts auf den Weg brachte. Die türkische Staatsangehörigkeit behielt H. lebenslang bei.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich die Universität Ffm. über zwei Jahrzehnte vergeblich um die Berufung H.s auf einen ordentlichen Lehrstuhl. Schon im Juli 1948 lud ihn die Rechtswissenschaftliche Fakultät, vertreten durch den Rechtsphilosophen
Helmut Coing, zu einem Gastvortrag ein. H. kam der Einladung nach, indem er während seiner ersten Deutschlandreise nach dem Krieg im November 1948 in Ffm. an einer Fakultätssitzung teilnahm und eine achtstündige Vorlesung über Handelsrecht hielt. H. übernahm in den beiden folgenden Semestern weitere Gastvorlesungen an der Universität Ffm., schlug die Einladung für das Sommersemester 1950 jedoch zugunsten der FU Berlin aus. Auch die Vertretungsprofessur für den Ffter Juristen
Walter Hallstein, der Ende 1950 zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt unter Adenauer ernannt wurde, lehnte H. ab, weil er dafür seine Professur in der Türkei hätte aufgeben müssen. Da eine planmäßige Professur zu dieser Zeit in Ffm. aus finanziellen Gründen nicht zur Verfügung stand, versuchte die Rechtswissenschaftliche Fakultät, den Anspruch auf eine ordentliche Professur über das Entschädigungsgesetz geltend zu machen, was von H. aber abgelehnt wurde: „Ansprüche moralischer Art liebe ich nicht zu stellen und einen rechtlichen Anspruch habe ich nicht, da ich 1933 [in Ffm. nur] Privatdozent war“, schrieb er am 26.11.1950 an den Fakultätsrat (Universitätsarchiv Ffm., Best. 13 Nr. 141). Inzwischen hatte H. auf Drängen von Ernst Reuter (1889-1953), ebenfalls Remigrant aus dem türkischen Exil und seit 1947 Oberbürgermeister bzw. seit 1950 Regierender Bürgermeister von Berlin, mit der Lehre an der Freien Universität Berlin begonnen, wo er schließlich 1952 auf den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Rechtsphilosophie berufen wurde. Für diese Stelle gab er seine Professur in Ankara auf. Von 1953 bis 1955 war H. gewählter Rektor der FU Berlin. Zu Beginn der 1960er Jahre versuchte die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Ffm. erneut, die Einrichtung einer ordentlichen Professur für H. im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens zu erreichen, was nach Jahren der juristischen Auseinandersetzung auch gelang. Doch schlug H. nach längeren Verhandlungen den Ruf im April 1964 endgültig aus, weil seine Stelle an der FU Berlin höher dotiert war und man dort ebenfalls bereit war, das von ihm geforderte Institut für Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung einzurichten. Dieses Institut leitete H. von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1967.
H. gilt als der „Vater des türkischen Handelsrechts“. Er hielt seine Vorlesungen auch auf Türkisch und bildete eine ganze Generation türkischer Juristen aus. Er lernte Kemal Atatürk (1881-1938) noch persönlich kennen und trug wesentlich zur Umgestaltung der Türkei in einen modernen Rechtsstaat bei. Nach seiner Beteiligung am Aufbau der Universitäten Istanbul und Ankara spielte er auch bei der Etablierung der Freien Universität Berlin eine maßgebliche Rolle. H. gilt außerdem als „Mit-Begründer der bundesrepublikanischen Rechtssoziologie, einem Fach, das in Weimar blühte, unter der Diktatur seiner Köpfe beraubt und zur ‚wirklichkeitswissenschaftlichen‘ Karikatur verunstaltet war“ [Gerd Bender in: Rechtsgeschichte 8 (2011), S. 225].
Zahlreiche Fachveröffentlichungen in deutscher und türkischer Sprache.
Autobiographie: „Aus des Kaisers Zeiten durch die Weimarer Republik in das Land Atatürks“ (1982; Neuausgabe u. d. T. „Als Rechtsgelehrter im Lande Atatürks“, 2008).
1978 Ehrendoktorwürde der Universität Istanbul. 1982 Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Ehrenschild der Stadt Friedberg.
Festschriften, u. a. zum 75. Geburtstag („Ernst E. Hirsch. Liber amicorum“, Bio- und Bibliographie, 1977), und Gedenkschriften (Berlin 1985, Ankara 1986). Seine Schülerin Jutta Limbach, geb. Ryneck (1934-2016), spätere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts (1994-2002), ehrte H., indem sie ihm zu seinem 75. Geburtstag 1977 eine ihrer Publikationen widmete.
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