Aus einer jüdischen Familie, die aus Koblenz stammte. Ältester Sohn des Weinhändlers Nathan Sachs (1825-1896) und dessen erster Ehefrau Regina, geb. Höchheimer (1820-1850). Verheiratet (seit 1877) mit Pauline Louise S.-F., geb. Fuld (1855-1911). Kinder:
Edgar Emanuel S.-F. (1878-1917);
Rosi (auch: Rosy) Clementine Regina S.-F. (seit 1909 verh. Hiller, 1887-1930). Zwei Enkel aus der Ehe der Tochter Rosi mit dem Architekten
Ernst Hiller (1876-1935):
Holde Paula Martha Hiller (seit 1934 verh. Hirsch, 1910-1976); Hans-Sachs Hiller (1918-1938), tödlich verunglückt auf einer Bergwanderung in der Nähe von Inzell.
Die Brüder Nathan Sachs (der Vater von Moritz S.-F.) und Salomon Sachs wurden mit ihren Ehefrauen und Kindern 1865 in das Ffter Bürgerrecht aufgenommen und erhielten zugleich die Erlaubnis, die seit 1843 geführte Weinhandlung „Sachs und Höchheimer“ von Koblenz nach Ffm. zu verlegen und in der Stadt eine Champagnerfabrik zu betreiben. Sitz der Firma wurde das direkt am Mainufer gelegene klassizistische Palais Schöne Aussicht 16, das der Stadtbaumeister
Johann Georg Christian Hess 1805 für den jüdischen Bankier Zacharias Wertheimber (1782-1844) erbaut hatte; in dem Haus war der Philosoph
Arthur Schopenhauer, der ab Sommer 1859 dort zur Miete gewohnt hatte, am 21.9.1860 gestorben. Von der Familie Wertheimber erwarben die Brüder Nathan und Salomon Sachs 1865 die Liegenschaft, zumal sich das mächtige Kellergewölbe des Hauses hervorragend für die Lagerung und Herstellung von Weinen eignete. Bereits im Adressbuch 1866 ist die „Weinhandlung und Fabrik moussirender
[sic!] Rhein- und Moselweine“ unter der Firma „Sachs und Höchheimer“ in der Schönen Aussicht 16 verzeichnet. Nathan Sachs bezog mit seiner zweiten Frau Clara, geb. Hamburg (1828-1899), und den sechs Kindern den zweiten Stock des Hauses.
Moritz S.(-F.) trat 1873 als Prokurist in das Familienunternehmen ein und war seitdem erfolgreich im Weinhandel tätig. Er handelte nur mit „großen Weinen“ (nie mit „Konsumweinen“, so
Fried Lübbecke: Muschelsaal 1960, S. 465) und unterhielt gute Geschäftsbeziehungen zum ostdeutschen und englischen Hochadel, wofür er jährlich die Schlösser in England und Schottland (bis zu den Orkney-Inseln) bereiste. Überall wurde er als Freund empfangen; er sprach fließend Englisch, verstand sich als Gentleman, spielte außerdem glänzend Klavier und besaß ein ausgeprägtes Vortragstalent. Nach seiner Heirat 1877 war S.-F. in die Bleichstraße 6 gezogen, und von 1899 bis zu seinem Tod wohnte er in der Miquelstraße (später: Siesmayerstraße) 5. Ab 1900 war er Alleineigentümer des Hauses Schöne Aussicht 16 und führte die Weingroßhandlung unter seinem Namen weiter. Um 1910 stieg er aus dem aktiven Geschäft aus. Er vermietete ab 1911 den Weinkeller und die seit Jahrzehnten als Kontor genutzte Parterrewohnung rechts vom Eingang (
Schopenhauers Sterbewohnung) an die ebenfalls jüdischen Weinhändler Gebrüder Weiß. Während im zweiten Stock des Hauses S.-F.s Tochter Rosi mit ihrer Familie lebte, vermietete S.-F. die übrigen Räumlichkeiten an gewerbliche Nutzer, städtische Körperschaften wie auch an Privatpersonen. Zu den Mietern gehörten ab 1917 der Kunsthistoriker
Fried Lübbecke, der seit 1922 den Bund tätiger Altstadtfreunde leitete, und dessen Ehefrau, die Pianistin und
Hindemith-Interpretin
Emma Lübbecke-Job.
Lübbecke, der sich besonders für die Erhaltung des Hauses und dessen Ruf als „
Schopenhauerhaus“ engagierte, veranlasste auch, dass die Porträts von
Tycho Mommsen und
Johannes Janssen, die Ende des 19. Jahrhunderts in dem Haus gewohnt hatten, im Atrium aufgehängt wurden. Der Bildhauer
Richard Petraschke, der spätestens seit 1917 ein Atelier im vierten Stock gemietet hatte, schenkte der
Schopenhauer-Gesellschaft anlässlich von
Schopenhauers 70. Todestag 1930 eine monumentale Gipsbüste des Philosophen, die bis zu ihrer Zerstörung durch den NS-Mob während des Novemberpogroms 1938 ebenfalls das Atrium des Hauses schmückte. Dem Gründer und Leiter des
Schopenhauer-Archivs,
Carl Gebhardt, stellte S.-F. in der Schönen Aussicht 16 ab 1921 ein Büro zur Verfügung. Dort trafen sich im Oktober 1933 die Mitglieder der
Schopenhauer-Gesellschaft zu ihrer vorläufig letzten Generalversammlung.
S.-F., seit 1913 selbst Mitglied der
Schopenhauer-Gesellschaft, begegnete den kulturellen Aktivitäten seiner Mieter, die sein Anwesen über die Grenzen Fft.s hinaus zu einem Anziehungspunkt für Musik- und
Schopenhauerfreunde machten, mit großem Wohlwollen. Zugleich war er stets bemüht, die architektonische Ursprünglichkeit des Hauses trotz des damit verbundenen hohen Erhaltungsaufwands zu wahren. Vorschläge seines Schwiegersohns, des Architekten
Ernst Hiller, die geringe Rendite durch Umbau der Großwohnungen in besser vermietbare Kleinwohnungen zu steigern, lehnte S.-F. mit dem Argument ab, man dürfe „die großen Geister darin nicht stören, noch weniger die Göttin der Musik“ [zit. nach
Fried Lübbecke in: Hartmann (Hg.)/Lübbecke (Bearb.): Alt-Fft. 1950, S. 324]. Unter dem NS-Regime verschärfte sich die schlechte Ertragslage. Bereits für das Jahr 1933 strich die städtische Finanzbehörde S.-F. die bis dahin für Baudenkmäler gewährte Sonderabschreibung. Sein mehrfach erhobener Einspruch gegen den Bescheid blieb ungehört, trotz des Hinweises, dass die Erhaltung des Hauses „in seiner äusseren und inneren Erscheinung“ auch im Interesse der Stadt sei. Schließlich machte S.-F. 1936 beim Finanzamt Verluste geltend, denn die Kündigung städtischer Mietverträge (zuletzt im Juli 1937 durch die Ffter Künstlertheater GmbH) führte zu weiteren Einnahmeverlusten bei stetig steigenden Aufwendungen für den Erhalt der Immobilie.
Im Zuge der antijüdischen Novemberpogrome drang am 10.11.1938 ein etwa zwölfköpfiger NS-Schlägertrupp in das Haus Schöne Aussicht 16 ein und zerstörte gezielt das Inventar der Weinhandlung Gebrüder Weiß, deren Inhaber dadurch zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurden. Per Verfügung vom 2.12.1938 befürwortete Oberbürgermeister
Friedrich Krebs die Einrichtung eines
Schopenhauer-Museums in der durch die Vertreibung der Gebrüder Weiß freigewordenen Wohnung. Das Kulturamt hatte im Vorfeld bereits Verhandlungen mit S.-F.s Hausverwalter Hermann Nägele über die Anmietung der seit
Schopenhauers Tod baulich völlig unverändert gebliebenen Parterrewohnung geführt und das Einverständnis von
Richard Oehler als Direktor der Stadtbibliothek und
Karl Jahn als Betreuer des
Schopenhauer-Archivs zur Verlegung des
Schopenhauer-Archivs von der Stadtbibliothek an die Schöne Aussicht 16 eingeholt. Am 21.3.1939 genehmigte der Oberbürgermeister eine überplanmäßige Sonderausgabe für die Mietkosten und die Ausstattung des Museums. Zeitgleich führte das städtische Bauamt im Auftrag des Kulturamts Verhandlungen mit S.-F. über den Erwerb der gesamten Liegenschaft, die schließlich am 29.3.1939 zum Vertragsabschluss führten. Damit ging das Haus Schöne Aussicht 16 zum 1.4.1939 in das Eigentum der Stadt über; der Kaufpreis betrug 71.300 Reichsmark (was dem 1935 neu festgesetzten Einheitswert entsprach) zuzüglich Vertragskosten. Von dem Verkaufserlös, der zunächst auf ein Sperrkonto eingezahlt wurde, überwies die Stadt Ffm. 11.860 Reichsmark als „Judenvermögensabgabe“ (eine vom NS-Staat nach dem Novemberpogrom 1938 verfügte Sondersteuer für Juden) direkt an das Finanzamt. S.-F. erhielt den Betrag von 56.403 Reichsmark als Privatvermögen, den er in Wertpapieren anlegte. Inwiefern S.-F. hinter dem Verkauf stand oder sich durch die politischen Umstände dazu gezwungen sah, lässt sich anhand der überlieferten Quellen kaum beurteilen. Jedenfalls war die Einrichtung des
Schopenhauer-Museums durchaus in seinem Sinne. Am 7.4.1939 schrieb er an seinen langjährigen Mieter
Fried Lübbecke: „Die alte Ehrwürdigkeit meines Palastbaues bleibt bestehen; das Weilen des großen Philosophen darin hat den Ruf des Hauses in der ganzen Welt in alle gebildeten Kreise hinausgetragen, und jetzt mag durch das Museum eine neue Glanzperiode ihm zukommen, die ich freilich nach Vollendung des 89ten nicht lange miterleben kann.“ (Zit. nach Lübbecke: Muschelsaal 1960, S. 468.)
S.-F. starb ein Jahr später und wurde neben seiner bereits 1911 verstorbenen Frau auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße bestattet (Block 95, Reihe 1, Nr. 764c und 765a).
Das Haus Schöne Aussicht 16 wurde bei dem Luftangriff auf die Stadt Ffm. am 22.3.1944 bis fast auf die Grundmauern zerstört (vgl.
Lübbeckes Erlebnisbericht „Abschied vom
Schopenhauerhause“, ursprünglich verfasst für die Mitglieder des Bunds tätiger Altstadtfreunde, 1944). S.-F.s Alleinerbin, seine Enkelin Holde Hirsch-Hiller, die dem Juristen
Ernst Eduard Hirsch 1934 ins türkische Exil gefolgt war, um ihn dort zu heiraten, meldete nach dem Krieg Rückerstattungsansprüche an. Sie verglich sich mit der Stadt am 31.1.1951 dahingehend, dass ihr das Trümmergrundstück gegen eine Zahlung von 7.100 D-Mark zurückerstattet wurde (wobei die Kaufsumme nach der Währungsumstellung dem ursprünglichen Kaufpreis entsprach). 1954 verkaufte Holde Hirsch-Hiller, nicht zuletzt nach vergeblichen Versuchen von
Lübbecke u. a. zum Wiederaufbau des
Schopenhauer-Museums, das Grundstück an eine private Investmentfirma zum Bau eines (bis heute dort erhaltenen) Mietshauses. Das Trümmergrundstück wurde Mitte Juli 1954 geräumt.
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