Sohn des Kaufmanns und Rittergutsbesitzers
Pinto Valentin H. (1839-1880) und dessen Ehefrau Martha, geb. Reinert, später in zweiter Ehe verh. Timendorfer (1851-1916). Geschwister: Moritz Reinert H. (1874-1916), Apotheker; Margarete, gen. Grete, H. (seit 1906 in erster Ehe verh. Bentheim, seit 1928 in zweiter Ehe verh. Hülle, 1877-1943). Verheiratet (seit 1909) mit
Rosi (auch: Rosy) Clementine Regina H., geb. Sachs(-Fuld; 1887-1930), der Tochter des Weinhändlers
Moritz Sachs-Fuld (1850-1940). Zwei Kinder:
Holde Paula Martha H. (seit 1934 verh. Hirsch, 1910-1976), verheiratet (1934-53) mit dem Juristen
Ernst Eduard Hirsch (1902-1985); Hans-Sachs H. (1918-1938), tödlich verunglückt auf einer Bergwanderung in der Nähe von Inzell.
H. besuchte die Luisenstädtische Oberrealschule in Berlin. Danach studierte er an der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin bis zur bestandenen Staatsvorprüfung (1900). Ab dem Sommersemester 1901 setzte er an der Hochbau-Abteilung der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule zu Dresden sein Studium fort, das er als Diplom-Ingenieur abschloss (Diplomurkunde vom 12.3.1903, Exmatrikulation am 25.2.1904). 1905 beteiligte sich H. im Auftrag der Deutschen Orient-Gesellschaft an Ausgrabungen von Synagogen in Galiläa unter Leitung des klassischen Archäologen Carl Watzinger (1877-1948) und des Architekten und Bauforschers Heinrich Kohl (1877-1914). H. war Mitglied des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“.
Wann und durch welche Umstände H. nach Ffm. kam, ist nicht bekannt. Er war Bauleiter bei der Errichtung des neuen Gebäudes für das Philanthropin in der Hebelstraße (1908), als dessen Architekt Georg Matzdorff (1863-1930) gilt, während die künstlerische Fassadengestaltung wohl von Julius Obst (1878-1939) stammte. H. war Gründungsmitglied des in Ffm. ins Leben gerufenen Verbands Deutscher Diplom-Ingenieure (1909) und Mitglied des Bunds Deutscher Architekten (BDA).
Nach seiner Heirat 1909 lebte H. mit seiner Familie im zweiten Stock des Hauses Schöne Aussicht 16, das seinem Schwiegervater
Moritz Sachs-Fuld gehörte. 1910 ist H., auch mit seinem „Architektur- und Baubureau“, unter dieser Anschrift erstmals im Adressbuch verzeichnet. Im gleichen Haus, in der Parterrewohnung, war 1860 der Philosoph
Arthur Schopenhauer gestorben. H. war ein Kenner von
Schopenhauers Philosophie und gehörte zusammen mit
Carl Gebhardt und
Clemens Ebrard zu dem Ortsausschuss, der die zweite Generalversammlung der neu gegründeten
Schopenhauer-Gesellschaft im Mai 1913 in Ffm. organisierte. Zu diesem Anlass lud H. die 60 Teilnehmenden in seine Wohnung ein, mit „nachfolgender Besichtigung der Räume, welche
Schopenhauer in der letzten Zeit seines Lebens bewohnt hatte“ [Schopenhauer-Jb. 3 (1914), S. 329]. Damit rückte
Schopenhauers Sterbehaus Schöne Aussicht 16 als zweites Ffter „
Schopenhauerhaus“ (neben dem langjährigen Wohnhaus Schöne Aussicht 17) ins Bewusstsein ein größeren Öffentlichkeit.
Im November 1914, im Alter von 38 Jahren, immatrikulierte sich H. an der neu gegründeten Ffter Universität für das Fach Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Er blieb bis zum Wintersemester 1920/21 eingeschrieben, wobei er vom Wintersemester 1915/16 bis zum Wintersemester 1918/19 beurlaubt war, weil er zum Heeresdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen war. Mit dem Bildhauer
Richard Petraschke und dem Kunsthistoriker
Fried Lübbecke, beide seit etwa 1917 Mieter im Haus Schöne Aussicht 16, war H. eng befreundet. Durch Einladungen trug er stets zum Ruf des Hauses als bedeutender Treffpunkt für Fft.-Besucher und als
Schopenhauer-Gedenkstätte bei. Laut
Lübbecke liebte H. „eine breite Gastlichkeit, bei der er als Stegreifdichter glänzte“ (Lübbecke: Muschelsaal 1960, S. 466).
Trotz nationalsozialistischer Anfeindungen hielt H. bis zu seinem Tod an einer liberalen Religionsauffassung fest und soll noch auf dem Sterbebett „
Schopenhauers Geist, seine Lehre von der Unzerstörbarkeit unseres wahren Wesens durch den Tod“, beschworen haben [
Fried Lübbecke in: Hartmann (Hg.)/Lübbecke (Bearb.): Alt-Fft. 1950, S. 325].
Veröffentlichungen von H.: „Aus den Berichten der Herren Kohl, Watzinger und Hiller über die Expedition zur Erforschung der Synagogenruinen Galiläas“ (als Mitverfasser; in: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft, 1905), „Die archäologische Erforschung Palästinas“ (Vortrag bei der Gesellschaft für Palästina-Forschung, 1910), „Zu
Schopenhauers Gedanken über die Architektur“ (in: Schopenhauer-Jb., 1915), „Vorschläge zur Behebung des Mangels an Kleinwohnungen in Ffm.“ (hg. v. Bürgerausschuss e. V., 1920), „Fft.s Geschäfts- und Fabrikbauten“ [Beitrag in:
Ruppersberg (Hg.): Fft. Das Buch der Stadt, 1927], „Das neue Fft.“ (in: Technik und Kultur, Zeitschrift des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure, 1927).
H. wurde neben seiner Frau Rosi in einem Grab auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in der Eckenheimer Landstraße beigesetzt (Block 6B, Reihe 1, Nr. 3 und 4). Die beiden schlichten Grabsteine – auf H.s befindet sich ein Relief mit dem Logenzeichen der Freimaurer – wurden von dem Freund
Richard Petraschke geschaffen. Der in den Chiemgauer Alpen 1938 tödlich verunglückte Sohn Hans-Sachs H. wurde neben seinen Eltern begraben, nachdem sein Großvater
Moritz Sachs-Fuld die Überführung nach Ffm. veranlasst hatte.
Das „
Schopenhauerhaus“ Schöne Aussicht 16 verkaufte
Moritz Sachs-Fuld 1939 an die Stadt Ffm., die dort ein
Schopenhauer-Museum einrichten wollte. Das Gebäude wurde jedoch bei dem Luftangriff auf Ffm. am 22.3.1944 zerstört. Holde Hirsch-H., Enkelin von
Moritz Sachs-Fuld und Tochter von Ernst H., kaufte das Trümmergrundstück Schöne Aussicht 16 aufgrund von Rückerstattungsansprüchen 1951 von der Stadt Ffm. zurück und veräußerte es 1954 zum Bau eines Mietshauses.
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