Sohn des Leipziger Stadtrats und Kaufmanns Friedrich Ferdinand H. und dessen Ehefrau Wilhelmine, geb. Schmidt. Den Taufnamen Robert erhielt H. nach eigenen Angaben im Andenken an
Robert Blum, dessen Witwe, Eugenie Blum (1810-1874), seine Taufpatin war. Nach dem Tod des Vaters (1867) heiratete H.s Mutter den Prediger der deutsch-katholischen Gemeinde in Leipzig, Dr. Carl Hetzer.
H. besuchte vom 10. bis zum 14. Lebensjahr die Fröbel’sche Erziehungsanstalt zu Keilhau bei Rudolstadt, anschließend das Krause’sche Institut in Dresden, wo er 1884 den Befähigungsnachweis für den einjährig-freiwilligen Dienst erwarb. Anschließend war er als Landwirt tätig, u. a. auf einem Gut in Hessen und in Leipzig, fühlte sich aber immer mehr zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung hingezogen. Er nahm in Leipzig Privatunterricht und bestand 1889 die Abiturprüfung an der dortigen Nikolaischule. Nach dem Militärdienst begann er ein Studium der Philologie, Literatur und Kulturgeschichte in Leipzig und Heidelberg. Zu seinen wissenschaftlichen Lehrern gehörten Kuno Fischer, Rudolf Hildebrand und Karl Lamprecht. H. promovierte 1896 in Leipzig bei Ernst Elster mit der Arbeit „Spinoza im jungen
Goethe“ (gedruckt 1897), in der er die Bekanntschaft des jungen
Goethe mit dem Werk Spinozas nachzuweisen versucht.
Am 1.10.1897 trat H. eine Stelle als Volontär am Freien Deutschen Hochstift in Ffm. an. Zwei Jahre später (1.10.1899) wurde er zum Assistenten des Generalsekretärs und Bibliothekars,
Otto Heuer, mit einem Jahresgehalt von 1.800 Mark ernannt. Am 7.8.1901 heiratete H. Marianne Quantz (* 1874). Aus der Ehe gingen eine Tochter, Margarete (* 1902), und ein Sohn, Walter (* 1905), hervor.
Im Zuge einer Neuorganisation innerhalb des Hochstifts, wodurch sein Vorgesetzter
Otto Heuer zum Direktor des Ffter Goethe-Museums aufstieg, trug H. seit 1908 die Amtsbezeichnung „Archivar“. Bis zu seinem Ausscheiden 1934 war er in dieser Position tätig. Zu seinem Aufgabenfeld gehörten u. a. die Katalogisierung und wissenschaftliche Auswertung der Archivbestände sowie die Inventarisierung des Museums und des
Goethehauses; außerdem veranstaltete er Führungen durch das
Goethehaus, etwa für den Ffter Ausschuss für Volksvorlesungen. Besondere Verdienste erwarb sich H. um die Neuordnung der Bibliothek, die bereits 1897 in den neu errichteten Museums- und Bibliotheksbau umgezogen war. Neben seinen Archivarpflichten war er beteiligt an der Vorbereitung der von
Otto Heuer herausgegebenen vierbändigen Ausgabe von
Goethes „Dichtung und Wahrheit“ (1921-22) und an der wissenschaftlichen Auswertung des Nachlasses des Dichters und Malers Friedrich Müller (1749-1825), den das Hochstift aus dem Nachlass Joseph Kürschners 1903 erworben hatte. Im Zentrum von H.s eigenen Studien standen vor allem die Beziehungen der Familie Goethe zu Ffm.,
Goethes Faustdichtung und dessen religiöses Weltbild.
Nachdem
Otto Heuer Ende 1924 um seine Pensionierung nachgesucht hatte, bewarb sich H. um dessen Nachfolge, als das Hochstift im März 1925 die Stelle öffentlich ausschrieb. Aus den 20 Bewerbern fiel die Wahl schließlich auf
Ernst Beutler, der damals an der Hamburger Universitätsbibliothek u. a. die Handschriftenabteilung leitete. H., der sich immer als präsumtiven Nachfolger
Heuers betrachtet hatte, zeigte sich tief enttäuscht. Seine Verbitterung schlug sich in seinen 1926 geschriebenen Aufzeichnungen „Eine Lebensarbeit im Dienste des Freien Deutschen Hochstifts zu Ffm. und ihr Lohn“ nieder, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren und später (1943) von ihm noch ergänzt wurden. Darin liefert er eine anekdotische Schilderung seiner Erlebnisse, die interessante Einblicke in die Ära
Heuers am Hochstift gibt, die aber vor dem Hintergrund der Enttäuschung H.s zu bewerten ist und teilweise einer Abrechnung gleicht. H. zeichnet das Bild einer diktatorischen und chaotischen Amtsführung durch
Heuer, der aufgrund seiner zunehmenden Sehschwäche nur noch durch die Hilfe seiner Mitarbeiter habe tätig sein können; auch fühlte sich H. im Hinblick auf seine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten von ihm ausgenutzt.
H. beteiligte sich an der öffentlichen Debatte über die Erarbeitung einer neuen Satzung für das Hochstift, die sich an den Direktorenwechsel anschloss. Die alte Satzung von 1883 war den Verhältnissen nicht mehr angemessen, und das Hochstift hatte zudem durch die Inflation sein gesamtes Stiftungsvermögen verloren. H. setzte sich dafür ein, die wissenschaftlichen Tätigkeiten nicht zugunsten der musealen Sammlungen aufzugeben, aber auf den „Kulturkreis
Goethe“ zu beschränken. Nur als „Arbeitsgemeinschaft“ könne das Hochstift, das nun zunehmend von öffentlichen Subventionen abhängig war, seine Selbstständigkeit bewahren, denn „erst die Mitarbeit interessierter Kreise“ gebe „dem Institut als Pflanzstätte geistigen Lebens den Eigenwert“ (in: FZ, Stadtblatt, 28.7.1925; zit. nach Seng: Freies Deutsches Hochstift 2009, S. 297). Dies entsprach in Grundzügen durchaus den späteren Satzungszielen, die unter der maßgeblichen Vermittlung von
Ernst Beutler zustande kamen und am 26.12.1926 von der Hauptversammlung angenommen wurden.
Am 1.10.1934 wurde H. in den Ruhestand verabschiedet. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete er an seinem umfangreichsten Werk: „Wilhelm Meister und Faust und ihre Gestaltung im Zeichen der Gottesidee“. Nachdem 1945 seine Wohnung in der Humbrachtstraße durch die amerikanische Besatzungsmacht beschlagnahmt worden war, unterstützte das Hochstift H.s Gesuch, eine Wohnung in der Sömmerringstraße zu beziehen, um ihm dort die Fortsetzung seiner Arbeit zu ermöglichen. Mitten in der Bearbeitung der Reinschrift starb H. im Frühsommer 1946. Seine Tochter, Dr. Margarete Wetzel, gab die Studie posthum (1952) heraus. Darin kommt H. zu dem Schluss, dass beide Werke
Goethes, „Wilhelm Meister“ und „Faust“, im Hinblick auf ihre Entstehung und ihr Motiv auf der Gottesidee beruhen: „Faust wie Wilhelm Meister sind Gottgeführte
[sic!] Menschen. Sie suchen das Göttliche, weil sie es brauchen.“ (Hering: Wilhelm Meister und Faust 1952, S. 440.)
Ernst Beutler, der 1946 die Trauerrede auf H. gehalten hatte, verfasste auch das Vorwort zu jenem posthum erschienenen Werk, worin er über H. äußerte: „Er kannte wie keiner die Verbundenheit des Dichters mit seiner Vaterstadt, die Geschichte und Lebensform der Goetheschen Familie, ihre Verwurzelung im alten reichsstädtischen Kulturboden.“ (Vorwort zu Hering: Wilhelm Meister und Faust 1952, S. 2.)
Weitere Veröffentlichungen (in Auswahl): „Zum Erdgeist in
Goethes ‚Faust’“ (in: Freies Deutsches Hochstift: Festschrift 1899), „Der Einfluss des klassischen Altertums auf den Bildungsgang des jungen
Goethe“ (1902), „
Freiherr vom Stein,
Goethe und die Anfänge der ‚Monumenta Germaniae historica’“ (1907), „Aus dem Deutschen Hause zu Wetzlar“ (1908), „Heinrich Wilhelm von Gerstenberg und sein Freundeskreis“ (1909), „Ludwig Julius Friedrich Höpfner in seinen literarischen Beziehungen“ (1911), „Die Entwicklung des Gottesbegriffes bei
Goethe in ihrer Bedeutung für die Gestaltung des ‚Faust’“ (1912), „Aus dem Fft. des jungen
Goethe nach der Francofurtensiensammlung seines
Vaters“ (1925), „Der Prosahymnus ‚Die Natur’ und sein Verfasser“ (in: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft, 1927), „Johann Georg Sulzer“ (1928) und „Das Elternhaus
Goethes und das Leben in der Familie“ [in:
Voelcker (Hg.): Die Stadt
Goethes 1932], meist erschienen im Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (sofern nicht anders vermerkt).
Nachlass, darunter persönliche Aufzeichnungen, Briefe, Fotografien, Zeitungsartikel und Manuskripte, im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts in Ffm.
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