Tochter des Kaufmanns Karl Schneider und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Bösen. Zwei Brüder. Die Familie zog 1910 nach Metz in Elsass-Lothringen, von wo sie 1919 ausgewiesen wurde und nach Ffm. übersiedelte. Verheiratet (seit 1930) mit dem aus dem fränkischen Fechenbach stammenden Frauenarzt Dr. med. Josef S. (1892-1960). Nach seinem Medizinstudium in München und Würzburg war Josef S. an das Universitätsklinikum in Ffm. gegangen und hatte 1924 in Bad Homburg die erste gynäkologische Praxis für den gesamten Hochtaunuskreis eröffnet; später begründete er Frauenstationen an zwei Krankenhäusern. Zwei Söhne: Hans S. (* 1932), Peter S. (* 1935).
1925 Abitur an der Viktoriaschule im Ffter Westend. Beginn eines Jurastudiums an der Universität in Ffm., abgebrochen nach einem Semester aufgrund von Konflikten mit dem Vater. Ab November 1925 circa 15-monatige Tätigkeit als Erzieherin in einem englischsprachigen Privathaushalt in Kafr el Zayat (Ägypten). Wiederaufnahme des Jurastudiums für ein Semester an der Universität Genf. Kurzer Parisaufenthalt. Von 1927 bis 1931 Studium von romanischer und englischer Philologie, Geschichte und Deutsch an der Universität Ffm., ohne Abschluss. Von 1932 bis 1933 und von 1940 bis 1943 Studium der Medizin, abgeschlossen mit Promotion. Auf staatliches Geheiß ab Juli 1943 Einsatz im Notdienst am Kreiskrankenhaus Bad Homburg. Ab August 1944 dort Anstellung in der von ihrem Mann Josef S. geleiteten Abteilung für Gynäkologie, wo sie bis 1946 als Ärztin tätig blieb. Katholisch-christlich geprägt, lehnte das Ehepaar S. den Nationalsozialismus ab und überlebte mit einer Haltung der inneren Emigration.
Die Familie S. wohnte in Bad Homburg unweit des Kurparks in der Louisenstraße 104. Bald nach Kriegsende 1945, nachdem die amerikanische Militärregierung zur Unterbringung ihres Personals Villen in der Nachbarschaft der S.s beschlagnahmt hatte, kam es zu Kontakten mit Mitarbeitern der amerikanischen Militärregierung, u. a. mit der aus Stuttgart stammenden Journalistin und jüdischen Remigrantin Jella Lepman (1891-1970). Lepman, die für die amerikanische Besatzungsmacht im Rahmen des Reeducation-Programms als Beraterin für Frauen- und Jugendfragen arbeitete, schlug S. als Leiterin des Frauenfunks für den von der amerikanischen Besatzungsmacht gegründeten Sender „Radio Fft.“ vor, der seit dem Frühjahr 1946 seinen Sitz in den notdürftig wiederhergerichteten Rundfunkgebäuden in der Eschersheimer Landstraße in Ffm. hatte. Erst im zweiten Anlauf und nach eingehender politischer Prüfung erhielt S. die Stelle. Am 1.5.1946 wurde unter dem Titel „Ausgewähltes für Geist und Herz“ ihre erste Halbstundensendung ausgestrahlt; das Manuskript der Sendung, die von Friedensaktivistinnen wie Bertha von Suttner,
Annette Kolb und
Rosa Luxemburg handelte, war zuvor von Golo Mann, seinerzeit US-Kontrolloffizier und Zensor bei Radio Fft., gegengelesen worden. Im Oktober 1946 nahm S. im Auftrag der US-Militärregierung als einzige Deutsche am Internationalen Frauenkongress (mit 200 Frauen aus 55 Ländern) in South Kortright/New York teil; dort persönliche Begegnung mit Eleanor Roosevelt (1884-1962). S.s Äußerungen zur deutschen NS-Vergangenheit, insbesondere zum Widerstand gegen das NS-Regime (den es ihrer Ansicht nach nicht gegeben habe) und zur Autoritätsgläubigkeit deutscher Frauen, die in einem Artikel in der New York Times vom 15.10.1946 kolportiert wurden, lösten in Deutschland ein heftiges und kritisches Medienecho aus; ebenso führte S.s teils nur anekdotische Berichterstattung im Frauenfunk über die Konferenz zu empörten Zuschriften politisierter Frauen, die die Repräsentativität von S.s Mission in Frage stellten. 1947 nahm S. an einem internationalen Frauenfriedenskongress in Paris teil, und beim Interzonalen Frauenkongress anlässlich der Jahrhundertfeier der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Ffm. 1948 hielt sie das Hauptreferat zum Themengebiet „Frau und Frieden“ (im Handwerkersaal, 23.5.1948).
1948 trat S. in die CDU ein. Nach Ablösung von Radio Fft. durch den Hessischen Rundfunk 1949 blieb sie Leiterin des Frauenfunks. 1949 mehrwöchige Amerikareise mit Angestellten des HR. S. bezeichnete ihre Arbeit beim Rundfunk (seit Anfang der 1950er Jahre mit Sitz im neuen Funkhaus am Dornbusch) als eine „seltsame Mischung von Redaktionsarbeit und mündlicher und schriftlicher Seelensprechstunde“. Der Frauenfunk verzeichnete die geringste Sendezeit (ca. 60 Minuten wöchentlich im Jahr 1950), aber die meiste Hörerpost; üblich waren seinerzeit außerdem Besuche von Hörerinnen und Hörern in S.s Büro. Das Themenspektrum der Sendungen war weit gefächert: Neben Ratgeber- und Lebenshilfe-Sendungen gab es Buchbesprechungen, Kulturhistorisches, Frauenporträts, Berufskunde etc. S. selbst berichtete häufig von ihren Erfahrungen auf Frauenkongressen im In- und Ausland; bevorzugte Formate waren Interviews oder Diskussionsrunden.
Als Journalistin und frauenpolitische Funktionärin trat S. nach Gründung der DDR in der Logik des Kalten Krieges für den Ausschluss des internationalistisch und kommunistisch/sozialistisch orientierten Demokratischen Frauenbunds Deutschlands (DFD) aus den überparteilichen Frauenverbänden der Westzonen ein; in Rundfunkkommentaren und dem Essay „Propaganda“ (1952), der mit Finanzierung des amerikanischen Hochkommissariats veröffentlicht und unter den Frauenorganisationen verbreitet wurde, warnte sie vor den Gefahren des kommunistischen Totalitarismus. Nach Aufbau einer hessischen CDU-Frauengruppe, an dem sie ab 1948 maßgeblich beteiligt war, zog S. 1954 auf einem sicheren Listenplatz als eine von zwei weiblichen Abgeordneten in den Hessischen Landtag ein und übernahm in den Folgejahren Parteiämter auf Bundes- und Landesebene. Nach zwei Legislaturperioden und dem Tod ihres Ehemanns gab S. aus gesundheitlichen Gründen 1962 das Landtagsmandat und die Tätigkeit beim Rundfunk auf. Umzug nach Neggio im Tessin. Von 1963 bis 1976 zahlreiche Vorträge, meist über Frauenthemen, im Auftrag des Goethe-Instituts in Europa, Asien und Afrika. Von 1969 bis 1975 Mitglied des Ausschusses für das Kulturprogramm am Goethe-Institut.
Von ihrer Herkunft eher unpolitisch, wählte S. während der Weimarer Republik abwechselnd das Zentrum oder die Deutsche Staatspartei. In ihrer zweiten Lebenshälfte arbeitete sie sich durch die ihr zugefallene, zunächst fachfremde Leitungsaufgabe beim Frauenfunk zunehmend in Fragen der Frauen-, Gesellschafts- und Parteipolitik ein. Sie verstand es, ihre partei- und frauenpolitischen Aktivitäten mit ihrem Beruf als Journalistin inhaltlich eng zu verknüpfen und bewährte sich als erfolgreiche Netzwerkerin auf der Ebene nationaler und internationaler Frauenverbände. Ausgehend von einem bürgerlich-konservativen Grundverständnis vertrat S. ein traditionelles Frauenbild, in dem Mutterschaft und Hausfrauendasein dem „natürlichen“ Wesen der Frau entsprachen und eine zentrale Rolle spielten. Die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frau sah sie mit dem Grundgesetz verwirklicht. Hauptaufgabe einer weiblichen Interessenpolitik bestand für S. zunächst in der staatsbürgerlichen Erziehung der Frauen und der Förderung ihrer politischen Partizipation, in der Befürwortung weiblicher Berufsausbildung und in den 1960er Jahren auch der weiblichen Erwerbsarbeit sowie in der sozialen Verbesserung der Lage von alleinstehenden Frauen und von Familien. Innerhalb der CDU gehörte S. zum sozialpolitisch orientierten, eher gemäßigten Flügel; ihre Bewunderung für die Vereinigten Staaten und ihr teilweise starker Antikommunismus stießen nicht nur bei linken, sondern auch bei konservativen Pazifistinnen auf Widerspruch.
S. war eine wichtige Figur beim Aufbau der CDU-Frauengremien im Nachkriegsdeutschland und bekleidete über ihr Landtagsmandat (1954-62) hinaus Parteiämter auf Bundes- und Landesebene. Von 1950 bis 1960 Landesvorsitzende der CDU-Frauenvereinigung Hessen, in dieser Eigenschaft zugleich Mitglied im hessischen Landesvorstand der CDU und Landesdelegierte in der Bundes-Frauenvereinigung. Zeitweise Vorstandsmitglied der CDU-Frauenunion, bis sie sich 1956 (nach einem gescheiterten Versuch, die langjährige Vorsitzende Helene Weber in ihrer Funktion abzulösen) aus dem Vorstand zurückzog. 1959 Mitglied der 3. Bundesversammlung. Von 1962 bis 1970 Mitglied im Fernsehrat des ZDF als Vertreterin der CDU, aufgrund dieser Funktion Mitglied des CDU-Bundesvorstands (1962-66), zunächst nur als kooptiertes Neumitglied, ab 1964 gewählt durch den Bundesparteiausschuss. Mitglied der 1955 gegründeten Europäischen Frauen-Union (EFU; Zusammenschluss christlicher, christdemokratischer und konservativer Parteifrauen), dort ab 1963 Leiterin der Kommission Film, Funk und Presse.
S. befürwortete das Engagement parteipolitisch gebundener Frauen in überparteilichen und überkonfessionellen Frauenverbänden auf nationaler und internationaler Ebene, lehnte aber jegliche Zusammenarbeit mit dem in der sowjetisch besetzten Zone aktiven sozialistischen Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) und mit der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) strikt ab. 1947 Mitbegründerin des Bad Homburger Frauenverbands, des späteren Ortsrings Bad Homburg im Deutschen Frauenring. Ab 1949 Mitglied im neu gegründeten Deutschen Frauenring (DFR), zeitweise (1952-54) als Beisitzerin in dessen Vorstand und ab 1954 als Leiterin des Referats für Rundfunk und Fernsehen; bis 1970 häufig Delegierte des DFR auf den Konferenzen des International Council of Women (ICW) und der International Alliance of Women (IAW). Ab 1950 aktive Mitarbeit im Internationalen Verband der Frauen in Rundfunk und Fernsehen. 1952 Gründerin des Ffter Clubs von Soroptimist International, einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen.
Veröffentlichungen: „Hundert Jahre Frauenbewegung in Deutschland“ (1951), „Propaganda. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen“ (1952), „Frausein – heute“ (1965), „Der Weg der Frau in die Politik“ (1965, zahlreiche Neuaufl. bis 1994), „Der Hessische Landtag. Beispiel des deutschen Nachkriegsparlamentarismus“ (1966), „Die neue Eva“ und „Soziologisch-Politische Bedingtheit des Wesens der Frau“ (Aufsätze in: Ursula von Mangoldt: „Eva – Wo bist du?“, 1967), „Frauenträume – Frauentränen. Über den unterhaltenden deutschen Frauenroman“ (1969), „Gesellschaftspolitische Frauenarbeit in Deutschland. 20 Jahre deutscher Frauenring“ (1970) und „Überleben ist nicht genug. Frauen 1945-1950“ (1981). Außerdem regelmäßig publizistisch tätig für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten, teilweise unter Mehrfachverwertung der Themen und Artikel.
1957 Bundesverdienstkreuz.
Nachlass in der Stiftung „Archiv der deutschen Frauenbewegung“ in Kassel. Sendemanuskripte des Frauenfunks von Radio Fft. und HR im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden.
Seit 2002 Dr.-Gabriele-S.-Preis des Ffter Clubs von Soroptimist International an Frauen für herausragende gesellschaftspolitische Leistungen für die Region, gestiftet anlässlich des 50-jährigen Bestehens des von S. gegründeten Clubs.
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