Sohn des Fabrikanten Dr. phil. Theodor W. (1869-1956) und dessen erster Ehefrau Betty, geb. Epstein (1879-1902). Ein Halbbruder aus der zweiten Ehe des Vaters (mit Martha Karoline, geb. Hirschhorn, 1880-1959): Rudolf W. (1906-1964). Offenbar gehörte W. zur weiteren Verwandtschaft des Dramaturgen Edgar W. (1908-1941), der 1932 seine Großkusine, die Schriftstellerin und Fotografin Grete Dispeker (1906-1999), heiratete und 1941 im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde. Doch haben sich die genauen Verwandtschaftsverhältnisse noch nicht belegen lassen.
Hans W. wurde in eine wohlhabende jüdische Familie in Ffm. geboren, verlor seine Mutter aber schon sechs Tage nach der Geburt. Er wuchs in der Folge bei seinem verwitweten Großvater mütterlicherseits, dem Lederfabrikanten Jakob Hermann Epstein (1838-1919), und dessen Haushälterin Hermine Erhardt (um 1864-1949) in der Hermannstraße 22 im Nordend heran. Insbesondere zu seiner „Pflegemutter“ entwickelte er eine innige Beziehung. Als der Vater, der in der Hermannstraße 8 wohnte, 1905 erneut heiratete und seinen Sohn zu sich nahm, sei das, so W., „die Hölle“ für ihn geworden.
W. besuchte die Musterschule in Ffm. und studierte nach der Reifeprüfung, die er im April 1922 ablegte, zunächst Physik in Heidelberg, dann Elektrotechnik in Darmstadt. Er stand schon vor dem Beginn seines Studiums in engem Kontakt mit dem Philosophen Fritz Heinemann (1889-1970), dessen Ffter Vorlesungen und Seminare er zeitweise besuchte und der noch 1960 behauptete, während seiner Lehrtätigkeit als Privatdozent und später als Professor an der Ffter Universität habe W. zu seinen begabtesten Schülern gezählt. W. nahm gelegentlich auch an elektrotechnischen Versuchen des Physikers
Richard Wachsmuth (1868-1941) in Ffm. teil. Schon 1924 aber wechselte er an die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, um Philosophie zu studieren. Er nahm nebenbei Privatunterricht bei dem Bildhauer
Georg Kolbe (1877-1947) und besuchte auch Vorlesungen von
Max Planck (1858-1947), Lise Meitner (1878-1968) und
Max Wertheimer (1880-1943).
W. verstand sein Studium als „Kulturorientierung“, und offenbar hat er keines seiner wechselnden Studienfächer je mit einem Examen abgeschlossen. Seine große Liebe galt bereits in frühen Jahren der Kunst, vor allem der Skulptur. Schon in Ffm. hatte er deshalb die Aufnahmeprüfung für die Bildhauerklasse der Kunst- und Berufsschule absolviert, und nach seiner Exmatrikulation an der Berliner Universität begab er sich für ein knappes Jahr nach Spanien, wo er als Bildhauer wirkte. W. zog 1926 nach Paris und wurde Schüler der Kunsthochschule Académie Julian. In dieser Zeit lernte er Künstler und Literaten wie Georges Bataille (1897-1962), Charles Despiau (1874-1946), André Gide (1869-1951), „Man Ray“ (eigentlich: Emmanuel Rudnitzky, 1890-1976) und Pablo Picasso (1881-1973) kennen.
Im Frühjahr 1932 reiste W. erstmals nach Schweden. Anschließend verbrachte er zu Studienzwecken zwei Monate in Russland und kehrte um die Jahreswende 1932/33 nach Ffm. zurück, um seine Eltern und seine Pflegemutter zu besuchen. Von den politischen Ereignissen in der Heimat aufgeschreckt, entschied er sich, Deutschland endgültig zu verlassen und nach Schweden überzusiedeln. Ob sein Vater, seine Stiefmutter und sein Halbbruder schon damals beabsichtigten, in die USA auszuwandern, ist nicht bekannt. In Stockholm wurde W. klar, dass er einen handwerklichen Beruf ergreifen müsse, um sich den Lebensunterhalt verdienen zu können, und er trat in eine Glasfirma ein. Hier erlernte er die Sandstrahltechnik, erhielt jedoch aufgrund der strengen schwedischen Einwanderungsbestimmungen bis 1946 keine entsprechende Arbeitserlaubnis im Land. In dieser Zeit war er als Bildhauer, Glasfensterdekorateur und Restaurator tätig. Am 21.11.1947 wurde er schwedischer Staatsangehöriger.
W. war ein extrovertierter Mensch, der schnell Freunde fand und mehrere Sprachen beherrschte. Neben Deutsch, Französisch und Schwedisch sprach er Dänisch, Spanisch, Englisch, Italienisch und Russisch. Befreundet war er in seiner Stockholmer Zeit u. a. mit dem deutsch-amerikanischen Ethnologen Paul Leser (1899-1984), der ebenfalls einer wohlhabenden jüdischen Ffter Familie entstammte und von 1937 bis 1942 im schwedischen Exil lebte. Über Leser, der später Professor für Anthropologie in Connecticut wurde, schrieb W. in seiner Trauerrede: „Paul Leser war mir ein Mentor und Freund, wie ich keinen andern im langen Leben fand. Er ist meinen Gedanken einverleibt, als ob er mir stets an der Seite stünde. Es kann nur einen Weg geben, sich des großen Geschenks einer solchen Freundschaft würdig zu zeigen: die Unermüdlichkeit des Weiterstrebens in seinem Sinne der unverbrüchlichen Wahrheitssuche.“ Zwei andere seiner engeren Freunde in Stockholm waren die Fotografin Lisel Funk-Cassel (später verh. Bjørneboe, 1918-2001), die als „Halbjüdin“ aus Berlin nach Schweden geflüchtet war, und der Maler und Musiker Gerhard Lascheit (1913-1942), der Mitte der 1930er Jahre als Homosexueller in seiner Heimatstadt Königsberg nach Paragraph 175 RStGB kriminalisiert worden war. Lascheit wurde 1940 wegen „gleichgeschlechtlicher Betätigung“ von Schweden an das Deutsche Reich ausgeliefert und 1942 im Konzentrationslager Groß-Rosen ermordet.
W. wirkte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Bildhauer, Maler, Schriftsteller und Vortragsredner. Nachhaltige Aufmerksamkeit erlangte er durch seine Arbeiten mit optischen Feinstrukturen, die ihn zu einem Pionier der Holographie machten. Bereits in den 1930er Jahren erwarb er eine Reihe von Patenten, etwa für die „Verbesserung von Reklameschildern und ähnlichen Zwecken“ (1934), den „Teleplan“ (1935) und die „Vorrichtung zur plastischen Projektion“ (1937), die u. a. für die medizinische Diagnostik Bedeutung erlangte. Die eleganteste Erfindung W.s dürfte der „Teleplan“ gewesen sein, ein Spielzeug, bei dem kleinere fliegende Objekte wie Flugzeuge oder „Vögel“ von einem elektrostatisch aufgeladenen Stab in der Luft gehalten und bewegt werden konnten. Seinen Lebensunterhalt verdiente W. in der Nachkriegszeit als Graveur von Glastüren für Konditoreien und öffentliche Einrichtungen in Stockholm. Bis in die 1970er Jahre unterhielt er ein Atelier mit bis zu vier Angestellten. Vor allem in den 1960er Jahren entstanden hier, teils in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Stockholm und teils im Auftrag des Museums für Holographie in Pulheim (geschlossen 1995), etliche Hologramme und kinetisch-optische Reliefe. W. nannte sich um diese Zeit Weil-Alvaron. Später zog er in das westschwedische Malmö um.
W. war sich bereits als Heranwachsender seiner Homosexualität bewusst. Erste Kontakte zur organisierten Homosexuellenbewegung seiner Zeit nahm er um 1924 in Berlin auf. Er wurde Mitglied in der von Adolf Brand (1874-1945) geleiteten Gemeinschaft der Eigenen (GdE), und als sich nach 1948 erste Gruppen für „Homophile“ in Skandinavien gründeten, beteiligte er sich auch an ihrem Aufbau. Er trat dem dänischen Verband von 1948 (Forbundet af 1948), dem schwedischen Reichsverband für sexuelle Gleichberechtigung (RFSL, Riksförbundet För Sexuellt Likaberättigande) und der International Homosexual World Organisation (IHWO) bei, besuchte in der Nachkriegszeit aber auch das Clublokal des Vereins für humanitäre Lebensgestaltung (VhL), wenn er in Ffm. war. Eine erste Reise durch das weitgehend zerstörte Deutschland hatte ihn 1947 erstmals wieder in seine Heimatstadt geführt. 1952 wurde W. zum Vizepräsidenten des International Committee for Sexual Equality (ICSE) in Amsterdam gewählt, aber vom Wirken der sich um eine Internationalisierung der Homosexuellenbewegung bemühenden Verbände war er bald enttäuscht. Angesichts interner Streitigkeiten sei selbst eine skandinavische Zusammenarbeit des schwedischen, dänischen und norwegischen Verbandes eine Illusion.
Auch die Zusammenarbeit zwischen W. und „Rolf“ (eigentlich: Karl Meier, 1897-1974), dem Herausgeber der Schweizer Homosexuellenzeitschrift „Der Kreis“, war nicht von Dauer. Nachhaltigstes Zeugnis der beiderseitigen Bemühungen war die Septemberausgabe des „Kreis“ von 1954. Das Heft mit dem Untertitel „Die Homoerotik in Skandinavien“ entstand unter der Beteiligung des gebürtigen Deutsch-Balten „Gert Lantman“ (eigentlich: Gert Mahler, 1928-2002) und des Dänen Axel Lundahl Madsen (später: Axgil, 1905-2011), der sowohl den dänischen Verband von 1948 als auch die IHWO gegründet hatte. Neben literarischen Texten brachte die Zeitschriftennummer Essays über die skandinavische Gesetzgebung zur Homosexualität und zur schwedischen Sexualreformbewegung unter Elise Ottesen-Jensen (1886-1973).
Nach eigenen Angaben veröffentlichte W. in den Jahren von 1952 bis 1960 im „Kreis“, doch dürften die meisten seiner Arbeiten – vermutlich eigene Gedichte, aber auch Übersetzungen anderer Autoren – anonym oder unter anderem Namen erschienen sein. Nach 1955 verfasste er auch regelmäßig Beiträge für die Mitgliederzeitschriften des schwedischen RFSL, „Följeslagaren“ (Der Gefährte) und „Förbundsmeddelande“ (Verbandsmitteilungen). Eine detaillierte Bibliographie zu W. liegt nicht vor.
Über die letzten Jahre im Leben W.s können nur bruchstückhafte Angaben gemacht werden. 1982 arbeitete W. auf Vermittlung von Raimer Jochims (* 1935), dem damaligen Rektor der Städelschule, vorübergehend in einem Atelier der Ffter Kunstakademie. In den 1980er Jahren hatte er drei Ausstellungen in Ffm., zwei am Städel Museum und eine im Rahmen der Eröffnung des Deutschen Filmmuseums (1984). Bei der Gelegenheit war er Ehrengast der Stadt Ffm. W. wurde 1992 Ehrenmitglied des Schwedischen Erfinderverbands (Svenska Uppfinnareföreningen), und 1996 nahm er, nahezu erblindet, als Ehrengast an der internationalen Konferenz „Holographic Network“ an der Akademie der Künste in Berlin teil. W. starb 1998 in seiner Wohnung in Malmö an Herzversagen. Er hatte testamentarisch verfügt, dass er anonym beigesetzt werde, da er sich keiner Religion verbunden fühlte.
Nachlass im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek (NL 0251).
2014 Ausstellung „Hans Weil (1902-1998). Aus dem Nachlass des Künstlers und Erfinders“ im Museum Goch.
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