Sch. entstammte einer bedeutenden Gelehrtenfamilie. Sein Vater, der Gymnasialprofessor
Carl Wilhelm Sch. (1805-1892), wirkte nicht nur als Pädagoge, sondern war ein angesehener Philologe und ein Sanskritforscher der ersten Stunde; er gehörte zu den frühen Anhängern des Philosophen
Arthur Schopenhauer, mit dem er mehrmals korrespondierte. Der Großvater, der Pastor Johann Gottfried Sch. (1769-1848), verbrachte 1801 eine Kur in (Bad) Pyrmont zusammen mit
Goethe, mit dem er später noch Briefe wechselte. Ein Großonkel, der Philologe Christian Gottfried Sch. (1747-1832), hatte 1785 in Jena die Allgemeine Literatur-Zeitung mitbegründet, verkehrte u. a. mit
Goethe und
Schiller und stand auch mit Immanuel Kant (1724-1804) in Verbindung.
Harald Sch. war das siebte von acht Kindern von Carl Sch. und dessen Frau Kristiane
Johanna, geb. Briem (1805-1886), einer gebürtigen Isländerin. Verheiratet (seit 1870) mit der Musiklehrerin
Charlotte Caroline (auch: Karoline) Johanne (auch: Johanna) Sch., geb. Hilliger (1844-1916), einer Tochter des Ffter Musiklehrers
Johann Christian Jacob Hermann Hilliger (1813-1865). Drei Kinder:
Ludwig Harald Sch. (1873-1941), Sprachforscher;
Ernst Wilhelm
Harald Sch. (1875-1958), Pädagoge;
Marie Emma Lucie Sch. (1877-1890).
Sch. verbrachte seine Kindheit und gesamte Schulzeit in Bielefeld. Im Mai 1859 ging er nach Göttingen, um dort zu studieren. Die Entscheidung für Mathematik als Studienfach traf er aus Neigung. Damit brach er zwar beruflich mit der geisteswissenschaftlichen Familientradition. Dennoch blieb er der Philosophie und auch der Philologie verbunden, indem er sie im Eigenstudium weiterbetrieb. In Göttingen lernte Sch. gleich zu Beginn Ernst Abbe (1840-1905) aus Eisenach kennen. Mit Abbe schloss Sch. einen außergewöhnlichen Freundschaftsbund, der ein Leben lang halten sollte. Sie nannten sich die „Firma“, was nicht nur ihre gemeinsamen Ziele und übereinstimmende Haltung ausdrücken sollte, sondern auch die Verpflichtung zu wechselseitiger Sorge füreinander. An der Universität Göttingen besuchte Sch. vor allem Vorlesungen in Mathematik und Physik, zum Teil mit Abbe gemeinsam, der ihm jedoch bereits zwei Jahre Studium in Jena voraus hatte. Im Hinblick auf eine künftige Lehramtstätigkeit absolvierte Sch. auch einen Kurs im Drehen, Feilen und Glasblasen bei einem Universitätsmechaniker, damit er später eigene physikalische Übungsgeräte bauen konnte. Nach vier Semestern in Göttingen wechselte Sch. im April 1861 an die Universität in Berlin. Besonders interessierte er sich für die Zahlentheorie. Er hörte in Berlin u. a. den Mathematiker Karl Theodor Weierstraß (1815-1897), der damals (ab 1859) in seinen Vorlesungen die logisch korrekte Fundierung der Analysis entwickelte und vorstellte.
Nachdem er im März 1862 sein Studium in Berlin beendet hatte, zog es Sch. erstmals nach Ffm. Sein Freund Ernst Abbe lebte bereits seit Herbst 1861 in Ffm., wo er als Dozent beim Physikalischen Verein tätig war. Abbe konnte Sch. nun eine Stelle als Hauslehrer für die drei Kinder des Bankiers Franz Joseph Schuster (1823-1906) vermitteln. Im April 1863 verließ Abbe, dessen Vertrag beim Physikalischen Verein im Spätsommer 1862 geendet hatte, die Stadt Ffm., um sich in Jena zu habilitieren. Ein weiterer Ffter Freund von Sch. war der Bankier Robert Flersheim (1843-1915), den er zumindest im Jahr 1864 regelmäßig traf. Neben seiner Beschäftigung als Hauslehrer bereitete sich Sch. auf die Staatsprüfung für den höheren Schuldienst vor, die er im Juni 1863 bestand. Seit 1865 unterrichtete Sch. außerdem am Ffter Gymnasium. Auch setzte er seine Mathematikstudien privat fort. Im Februar 1867 bewarb er sich in Göttingen um die Zulassung zur Promotion. Im zweiten Anlauf erhielt er am 28.6.1867 die Doktorwürde. Im Schuljahr 1868/69 leistete er sein Probejahr an der Musterschule in Ffm. ab. Anschließend war er zunächst Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerbe- und Handelsschule in Speyer, dann (seit 1872) Rektor der Gewerbe- bzw. Realschule in Traunstein/Oberbayern. Von dort wurde er 1878 erneut an das Gymnasium in Ffm. berufen, wo er spätestens 1880 vom Lehrer zum Oberlehrer aufstieg; 1893 wurde er zum Gymnasialprofessor ernannt. Mit der Reform des Gymnasiums kam er an das 1897 daraus hervorgegangene Lessing-Gymnasium. Wegen starker Kurzsichtigkeit wurde Sch. zum 1.1.1899 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Dank Abbe bekam er bis zu seinem Tod eine Rente aus der Carl-Zeiss-Stiftung, als Beihilfe für seine wissenschaftliche Arbeit, die er im Ruhestand fortsetzte. Daneben pflegte er seine literarischen Ambitionen und philosophischen Studien.
Im historischen Rückblick wurde Sch. lange nur als Studienfreund von Ernst Abbe wahrgenommen. In der
Schopenhauer-Forschung jedoch wurde er 2022 als der jüngste Anhänger
Schopenhauers zu dessen Lebzeiten entdeckt. Spätestens mit 16 Jahren las er
Schopenhauer und verarbeitete dessen Philosophie 1857 in einem Schulaufsatz. Eine direkte Begegnung mit dem Philosophen kam nicht zustande. Allerdings schrieb Sch. 1859 für seinen Vater einen Brief an
Schopenhauer, da Carl Sch. damals bereits erblindet war. Als Sch. 1862 nach Ffm. kam, lebte der Philosoph schon nicht mehr. Als Philosoph oder gar als
Schopenhauer-Anhänger trat Sch. öffentlich nicht hervor. Er wirkte aber indirekt, zumindest auf seinen besten Freund Ernst Abbe, der durch ihn angeregt
Schopenhauer studierte und besonders dessen Ethik schätzte.
Veröffentlichungen: „Untersuchungen über functionale Congruenzen“ (1867), „Untersuchungen über die Entwicklung der Industrie im Mittelalter“ (in: Jahres-Berichte der Königlichen Realschule Traunstein, 1878), „Die gegenwärtige Bedeutung des mathematisch-physikalischen Unterrichts an Gymnasien“ (in: Programm des städtischen Gymnasiums zu Ffm., 1887), „Sunufatarungo. Vereinigte Gedichte von Vater und Sohn“ (mit
Ludwig Harald Sch., 1914) und „Kriegslieder von Vater und Sohn“ (hg. v.
Ludwig Harald Sch., 1915).
Bestattet in der Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann F 371).
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