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Schopenhauer, Arthur

Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer
Daguerreotypie von Jacob Seib (3.9.1852).

© Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 12890).
Arthur Schopenhauer und sein Pudel Atma

Arthur Schopenhauer und sein Pudel Atma
Bleistiftzeichnung von Wilhelm Busch (zwischen 1870 und 1872).

© Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 12912).
Schopenhauer, Arthur. Dr. phil. habil. Philosoph. * 22.2.1788 Danzig, † 21.9.1860 Ffm., begraben auf dem Ffter Hauptfriedhof.
Sohn von Heinrich Floris Sch., Handelsherr (1747-1805), und der Schriftstellerin Johanna Henriette Sch., geb. Trosiener (1766-1838).
Vom Vater ursprünglich zum Kaufmann bestimmt, studierte Sch. ab 1809 an der Universität Göttingen Medizin und vor allem Naturwissenschaften, wechselte dann zur Philosophie. Richtungweisender Impuls durch den Skeptiker Gottlob Ernst Schulze. 1811 Fortsetzung des Studiums in Berlin. Schüler von Fichte und Schleiermacher. 1813 Promotion mit einer Arbeit „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ in Jena. Durch Friedrich Majer Kenntnis von der altindischen Vedanta-Philosophie. 1813 Zusammentreffen mit Goethe im literarischen Salon der Mutter Johanna Sch. in Weimar, danach in wissenschaftlicher Beziehung zu Goethe („Über das Sehn und die Farben“, 1816, lat. 1830). Von 1814 bis 1818 in Dresden. Dort Ausarbeitung seines Systems der Philosophie mit seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (erschienen Ende 1818 mit der Angabe des Erscheinungsjahrs 1819). 1818/19 Italienreise. Habilitation an der Universität Berlin. Privatdozent. Ab 1820 wenig erfolgreiche, durch Krankheit unterbrochene Lehrtätigkeit im Schatten Hegels.
Ende August 1831, bei Anzeichen einer Choleraepidemie in Berlin, Übersiedlung nach Ffm., das als „cholerafest“ galt. Erste Wohnung in der Alten Schlesingergasse 32. Fertigstellung der Übersetzung von Balthasar Gracians „Handorakel und Kunst der Weltklugheit“ (aus dem Nachlass herausgegeben). Im Winter 1831/32 Erkrankung. Im Juli 1832 Ortswechsel nach Mannheim. Im Juli 1833 Rückkehr nach Ffm. unter Abwägung der Vor- und Nachteile beider Städte, festgehalten – in englischer Sprache – auf dem Deckel eines Rechnungsbuchs. Motive der eigenen Lebensform gaben den Ausschlag für Ffm. als dauernden Wohnsitz: „Gesundes Klima. Schöne Gegend. Annehmlichkeiten großer Städte. Abwechslung großer Städte. Besseres Lesezimmer. Das Naturhistorische Museum. Besseres Schauspiel, Oper und Concerte. Mehr Engländer. Bessere Kaffeehäuser. Kein schlechtes Wasser. Die Senckenbergische Bibliothek. Keine Überschwemmungen. Weniger beobachtet. Die Freundlichkeit des Platzes und seiner ganzen Umgebung. Du bist uneingeschränkter und weniger mit Gesellschaft behelligt, die der Zufall, nicht deine Wahl dir gibt, und hast die Freiheit, dir mißliebigen Umgang abzuschneiden und zu meiden. Ein geschickter Zahnarzt und weniger schlechte Ärzte. Keine so unerträgliche Hitze im Sommer. Das Physikalische Kabinet.“ (Übersetzung nach Wilhelm Gwinner.)
In der Freien und Handelsstadt Ffm. – einem „comfortable place“, dem „eigentliche[n] Mittelpunkt von Europa“ – fand der aus Danzig stammende und in Hamburg aufgewachsene Sch. als Privatgelehrter und, wie er schreibt, als „Einsiedler, ganz und gar nur mit meinen Studien und Arbeiten beschäftigt“, den förderlichen Freiraum zur weiteren Entfaltung seines Schaffens. Die rechtliche Stellung als „Permissionist“ innerhalb des Ffter Stadtverbands sicherte ihm Wohnrecht und Führung eines eigenen Haushalts. Wohl jeder verpflichtenden Bindung widerstrebend, hat sich Sch. nie um das Ffter Bürgerrecht bemüht. Durch die Auszahlung der väterlichen Erbschaft (1809) war er finanziell unabhängig; er habe „das unschätzbare Glück gehabt, stets meine Subsistenz gesichert zu wissen und nie in den Fall gekommen, für Geld arbeiten oder ein Amt suchen zu müssen“.
In den verbleibenden 27 Jahren seines Aufenthalts in Ffm. hat Sch. die Stadt nur noch für eine viertägige Rheinreise bis Koblenz (1835) und für kurze Tagesreisen nach Mainz, in den Taunus und nach Aschaffenburg verlassen. In Briefen und Gesprächen äußerte er sich des Öfteren – widersprüchlich – über Ffm. und die Ffter, u. a. 1838: „Für die Ffter ist Ffm. die Welt. Es ist eine kleine, steife, innerlich rohe, Municipal-aufgeblasene, bauernstolze Abderiten-Nation, der ich mich nicht gerne nähere.“ Dagegen 1854 an Frauenstädt: „Ich bin der Cholera dankbar, daß sie mich vor 23 Jahren [aus Berlin] vertrieben hat und hierher in’s mildere Klima und sanftere Leben. Guter Ort für eine Eremitage!“ Der Fortgang aus Berlin und die Ansiedlung in Ffm. bedeuteten Verzicht auf akademische Lehrtätigkeit, damit aber auch das Fallenlassen aller Rücksichten auf die herrschende Universitätsphilosophie und ihren Repräsentanten Hegel.
Analog zu den von Sch. geführten Manuskriptbüchern stand zu Beginn der Ffter Zeit der Gedanke an die Vervollständigung seines philosophischen Hauptwerks „Die Welt als Wille und Vorstellung“ durch eine zweite, vermehrte Auflage. Neue Denkansätze oder eine wesentliche Änderung seines Weltbilds hat der Neubeginn für Sch. in Ffm. nicht bedeutet (Arthur Hübscher). Sch. hatte mit Platon und Kant sowie den durch die Romantik übermittelten Erlebnissen der Musik, Mystik und der Geisteswelt der altindischen Vedanta-Philosophie seine eigenen Denkziele bereits in seinem Hauptwerk 1818 gefunden. Dem nun vorherrschenden Begreifen der Welt als Entwicklung und dem Glauben an die fortschreitende Vernunft der Geschichte stand er fremd und ablehnend gegenüber.
Schlechte Verkaufsergebnisse des erwähnten Werks veranlassten Sch., die geplanten Ergänzungen in einer eigenen Schrift zusammenzufassen. Nach 17-jährigem „Schweigen der Indignation“ gab er 1836 sein erstes in Ffm. erschienenes Buch heraus: „Ueber den Willen in der Natur“, verlegt von dem Ffter Buchhändler Siegmund Schmerber in einer Auflage von 500 Exemplaren. In der 142 Seiten umfassenden Schrift erhärtet Sch. die Hauptthesen seiner Metaphysik aus den Ergebnissen der zeitgenössischen empirischen Wissenschaften mit Erörterungen über „Physiologie und Pathologie“, „Vergleichende Anatomie“, „Pflanzen-Physiologie“, „Animalische[n] Magnetismus und Magie“ etc. und vor allem in dem Kapitel über „Physische Astronomie“. In der Vorrede zur zweiten Auflage (1854) warnt er vor dem mechanistisch-materialistischen Entwicklungsgang der Naturwissenschaften.
Sch.s äußeres Leben verlief in einem nach strengen Grundsätzen geregelten Gleichmaß der Tage, in dem das Vorbild Kants erkennbar ist. Der Ffter Jurist Wilhelm (von) Gwinner, Sch.s Testamentsvollstrecker und erster Biograph (1862), gibt eine genaue Beschreibung von Sch.s Alltag, der sich in einem bestimmten Rhythmus vollzog: in der strikt eingehaltenen, ungestörten morgendlichen Arbeitszeit, der Besuchszeit, dem Flötespielen, den Mahlzeiten in den Gasthäusern, den Spaziergängen, dem sommerlichen Bad im Main, den Besuchen der kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt, dem Rauchen der Pfeife aus einem „fünf Fuß langen Weichselrohre“ bis hin zum Schlafen im ungeheizten Zimmer. Sein Umgang beschränkte sich zunächst auf Gespräche mit den Tischgästen an der Table d’hôte der von ihm gewählten Gasthäuser, zunächst des „Russischen Hofs“ auf der Zeil, dann des Gasthofs „Zum Schwan“ im Steinweg, gelegentlich auch des „Weidenbuschs“, später regelmäßig des „Englischen Hofs“ am Roßmarkt. Manche der hier geführten Tischgespräche fanden – oft entstellt – als Anekdoten den Weg in die Öffentlichkeit. Seine Spaziergänge in Begleitung seines Pudels, den er Atma (übersetzt: Weltseele) nannte, seine Neigung zu gestikulierendem Selbstgespräch, wenn er eiligen Schrittes am Main entlang, durch den Rechneigraben, vor das Untermaintor oder auch über den östlich der Stadt gelegenen Röderberg lief, sind durch Friedrich Stoltze satirisch kommentiert worden.
Ausreichend Gelegenheit, sich über die Fortschritte der empirischen Wissenschaften zu informieren und sich diese im Experiment zu eigen zu machen, boten die Sammlungen der 1817 gegründeten SNG und das Kabinett des seit 1824 bestehenden Physikalischen Vereins. Auch andere Einrichtungen der Stadt nahm Sch. in Anspruch, so z. B. die Stadtbibliothek am Obermaintor und die Gemäldegalerie im Städelschen Kunstinstitut in der Neuen Mainzer Straße. Er besuchte das Ffter Theater, insbesondere bei Opernaufführungen, sowie Konzerte und Sitzungen des Ffter „Museums“ (der späteren Museums-Gesellschaft), dem Sch. schon seit 1836 als Mitglied angehörte. Er trat der Casino-Gesellschaft bei und las in deren Lesekabinett die „Times“ sowie deutsche Literaturzeitungen; die Ffter Ober-Postamts-Zeitung hatte er abonniert. Später gehörte er auch der Lesegesellschaft des 1848 gegründeten Bürgervereins an. Die Bestrebungen des 1841 gegründeten Ffter „Vereins zum Schutze der Thiere“ unterstützte Sch. durch Mitgliedschaft. Gelegentlich nahm er Stellung zu öffentlichen Angelegenheiten; bemerkenswert ist seine Denkschrift „An das Committee zur Errichtung des Göthischen Monumentes“ (1837), in der er statt eines Goethe-Standbilds eine Büste als Denkmal vorschlug, was aber keine Zustimmung fand. In der „Apologie“ dieser Denkschrift kritisierte Sch., dass das „kostspielige, schöne und durch seinen Zweck ehrwürdige Gebäude“ der Stadtbibliothek durch die in schlechtem Latein abgefasste Giebelinschrift „Studiis libertati reddita civitas“, die in vier Wörtern drei Fehler enthalte, verunziert sei. Die von Sch. vorgeschlagene Änderung „Litteris recuperata libertate civitas“ wurde 1939 angebracht; inzwischen (2005) wurde das im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte Gebäude der Stadtbibliothek um den original erhaltenen Portikus mit Sch.s Version der Inschrift im Giebelfeld rekonstruiert.
Zu erster öffentlicher Anerkennung kam Sch. mit über 50 Jahren durch die Königlich Norwegische Gesellschaft der Wissenschaft zu Drontheim. Auf deren Preisaufgabe „Läßt sich die Freiheit des menschlichen Willens aus dem Selbstbewußtsein beweisen?“ wurde Sch.s Abhandlung „Ueber die Freiheit des Willens“ 1839 mit der Großen Medaille und der Einladung zur Mitgliedschaft gekrönt. Nicht preiswürdig befunden wurde seine Schrift „Ueber das Fundament der Moral“, die er auf die von der Königlich Dänischen Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen ausgeschriebene Preisfrage eingereicht hatte. Beide Abhandlungen erschienen unter dem Titel „Die beiden Grundprobleme der Ethik, behandelt in zwei akademischen Preisschriften“ 1841 (2. Aufl. 1860) im Ffter Verlag der Joh. Christian Hermann’schen Buchhandlung, deren Inhaber, Friedrich Emil Suchsland, ein Verehrer Sch.s war.
In den Jahren von 1840 bis 1843 Arbeiten „con amore“ an dem Ergänzungsband (2. Band) zu „Die Welt als Wille und Vorstellung“, laut Sch. „das Beste was ich geschrieben habe“. Nach schwierigen Verhandlungen mit dem Verlag F. A. Brockhaus 1844 Neuauflage des ganzen Werks. Die Sch.’sche Philosophie, im Titel „Die Welt als Wille und Vorstellung“ auf eine Kurzformel gebracht, wird in den vier Büchern des ersten (Haupt-)Bands entwickelt. In zwei Betrachtungsfolgen – der Welt als Vorstellung (1. und 3. Buch) und der Welt als Wille (2. und 4. Buch) – werden nacheinander Erkenntnistheorie, Metaphysik (Naturphilosophie), Ästhetik und Ethik abgehandelt. Die Endabsicht der Sch.’schen Philosophie ist ethisch. Moralischer Wert kommt allein solchen Handlungen zu, die dem „ethischen Urphänomen“ des Mitleids entsprechen. Moral gründet nicht in Vernunft, Geist oder Bildung, sondern in Liebe, Sanftmut, Duldsamkeit und Herzensgüte (Alfred Schmidt, Ffm. 1988).
Allmähliches Herausbilden eines Kreises von „Jüngern“, „Evangelisten“ und „Aposteln“, wie Sch. seine Anhänger – Juristen, Dichter, Redakteure, Lehrer etc., zunächst keine „Kathederphilosophen“ – nannte und klassifizierte. Sein erster Anhänger war Justizrat Friedrich Dorguth (1776-1854) in Magdeburg; es folgten der Berliner Privatgelehrte Julius Christian Martin Frauenstädt (1813-1879), dem Sch. seinen literarischen Nachlass vermachte, sowie der Mainzer Kreisrichter Johann August Becker (1803-1881) und der Münchner Jurist Adam von Doß (1820-1873). Mit zwei Ffter Tischgenossen aus der Mitte der Dreißigerjahre, dem Lustspieldichter Georg Römer und dem Anwalt Martin Emden, seinem ständigen Berater in Rechtsfragen, kam Sch. in ein dauerndes freundschaftliches Verhältnis, wie auch mit dem Ffter August Gabriel Kilzer, der ihm den Nachruf widmete (Didaskalia vom 2.10.1860), dem schon erwähnten Wilhelm Gwinner, dem Stadtrat Gottfried Carlot Beck, dem Sch. das Manuskript des zweiten Bands seines Hauptwerks schenkte, und mit Salomon Friedrich Stiebel, Sch.s langjährigem Hausarzt.
Nicht an Änderungen des autoritären politischen Systems interessiert, dem Fortschrittsoptimismus der Paulskirchenbewegung aufgrund seiner geschichtspessimistischen Überzeugungen ablehnend gegenüberstehend und jede Gewalt hassend, war Sch. ein entschiedener Gegner der Revolution von 1848. Die Ffter Septemberunruhen, bei denen neben zwei ermordeten Abgeordneten der Nationalversammlung 62 Militärpersonen und mindestens 33 Barrikadenkämpfer zu Tode kamen, erlebte Sch. als Zeitzeuge. Die von seiner Wohnung an der Schönen Aussicht beobachteten Ereignisse gab er einen Tag später auf dem „Peinlichen Verhöramt“ zu Protokoll: „(...) Am 18. September d. J., ungefähr halb ein Uhr, sah ich aus meinem Fenster einen großen, mit Mistgabeln, Stangen und einigen Gewehren bewaffneten Pöbelhaufen, dem eine rote Fahne vorangetragen wurde, von Sachsenhausen her über die Brücke ziehen (...).“ Am 2.3.1849, im Dankschreiben an Frauenstädt für dessen Geburtstagswünsche, schilderte Sch. Details der Ereignisse: „(...) plötzlich Stimmen und Geboller an meiner verschlossenen Stubenthüre: ich, denkend, es sei die souveräne Kanaille, verrammle die Thür mit einer Stange: jetzt geschehn gefährliche Stöße gegen dieselbe: endlich die feine Stimme meiner Magd: ‚es sind nur einige Österreicher!’ Sogleich öffne ich diesen werthen Freunden: 20 blauhosige Stockböhmen stürzen herein, um aus meinen Fenstern auf die Souveränen zu schießen (...). Aus dem ersten Stock rekognoscirt der Offizier das Pack hinter der Barrikade: sogleich schicke ich ihm den großen doppelten Opernkucker, mit dem Sie einst den Ballon sahn.“
Max Horkheimer urteilte 1960 in der Paulskirche: „Er [d. i. Sch.] haßte die ‚Paulskirchen-Kerle’, wie er die Patrioten nannte, und sein Haß ist bis ans Lebensende nicht verraucht. Unmittelbar entspringt er seiner durch den Aufstand scheinbar bedrohten wirtschaftlichen Unabhängigkeit, mittelbar und theoretisch gilt er dem Nationalismus, dem anbrechenden nationalistischen Zeitalter überhaupt. Der Einheitsfanatismus wie die Gewalt, die in ihm sich meldete, hat ihn abgestoßen.“ In Bezug auf den Verlauf der Geschichte in den letzten hundert Jahren nannte Horkheimer Sch. einen „hellsichtigen Pessimisten“. In seinem 1852 errichteten Testament setzte Sch. zu seinem Universalerben „den in Berlin errichteten Fonds zur Unterstützung der in den Aufruhr- und Empörungskämpfen der Jahre 1848 für Aufrechterhaltung und Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Deutschland invalide gewordenen preußischen Soldaten, wie auch der Hinterbliebenen solcher, die in jenen Kämpfen gefallen“, ein.
Die allgemeine Ernüchterung, die in Deutschland auf die gescheiterte Revolution von 1848 folgte, hat den Zeitgeist für die pessimistische Weltansicht Sch.s aufnahmebereit gemacht. Die Wendung in Sch.s Wirkungsgeschichte bahnte sich mit seinem letzten Werk (1851) an, den essayistischen Abhandlungen „Parerga und Paralipomena“ („Nebenwerke und Zurückgebliebenes“) mit dem Untertitel „Vereinzelte, jedoch systematisch geordnete Gedanken über vielerlei Gegenstände“. Sie enthalten kommentierende Betrachtungen zu seinem Hauptwerk. Die Popularität, die das Werk durch eine breite Bildungswelt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr, ist wohl verknüpft mit der Darstellungsweise, der „praktischen Philosophie“, mit der Sch. den Lesern Wege zur Meisterung der täglichen Aufgaben und inneren Ruhe weisen wollte (z. B. mit Aphorismen zur Lebensweisheit).
Nach dem Erscheinen der „Parerga und Paralipomena“ war die Zeit des „Ignorierens und Sekretierens“ vorbei. Sch.s Name rückte auch in Ffm. mehr und mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Beschäftigung mit Sch. in der Ffter Didaskalia (14.4.1852). Die in Ffm. lebenden Maler Jules Lunteschütz, Julius Hamel und Angilbert Göbel schufen die wertvollsten Altersbildnisse (hauptsächlich im Sch.-Archiv Ffm.); die Bildhauerin Elisabet Ney fertigte 1859 eine von Sch. selbst bewunderte Büste an (neuerer Gipsabdruck im Sch.-Archiv Ffm.). Öffentliche Ehrungen vonseiten der Stadt erfuhr Sch. hingegen keine.
Nachdem bei dem Philosophen im Frühjahr 1860 mit Atemnot und Herzklopfen erste Anzeichen einer schweren Erkrankung aufgetreten waren, erlitt er am 18.9.1860 einen heftigen Erstickungsanfall. Drei Tage später, am 21.9.1860, wurde Sch. von der Haushälterin, die sich für kurze Zeit aus dem Zimmer entfernt hatte, und dem herbeigerufenen Arzt tot in der Ecke seines Sofas lehnend aufgefunden. In der Todesanzeige im Intelligenz-Blatt vom 23.9.1860 wurde als Todesursache „Lungenlähmung“ angegeben. Gedenkfeier und Ehrung durch Otto Volger bei einer Sitzung des im Jahr zuvor gegründeten Freien Deutschen Hochstifts.
Insgesamt sind 109 Porträts, Büsten, Daguerreotypien, Fotografien und Karikaturen von Sch. bekannt (teilweise verschollen bzw. verbrannt). In Ffm. befinden sich u. a. im Sch.-Archiv neben den bereits genannten Altersporträts: Jugendbildnis von K. F. Kaaz (1808), Bildnis von Ludwig Sigismund Ruhl (1815), Ölgemälde von Franz von Lenbach, Lithografien von Karl Bauer (1900), Radierung von Emil Orlik (1922), Daguerreotypien und Fotografien (ab 1842) u. a. von den Ffter Ateliers Johann Wilhelm Albert (1852) und Jacob Seib (1852-55) etc.; im HMF: Lithografie nach einem Porträt von Jules Lunteschütz, Ölgemälde von Jules Lunteschütz (1880), Radierung von Angilbert Göbel (1859) etc.; im Städel: Ölgemälde von Jules Lunteschütz (1855). Bekannte Karikaturen Sch.s stammen von Rolf Michael Gwinner (Aquarell, um 1855), Wilhelm Busch (Bleistiftzeichnung, zwischen 1870 und 1872) und Johann Jakob Ettling (Holzschnitt, 1888). Porträtfotografien Sch.s schufen u. a. die Ffter Carl Friedrich Mylius und Johannes Schäfer. Diverse Sch.-Medaillen und -Plaketten im Münzkabinett des HMF, u. a. von Paul Seiler (um 1900), Max Lewy (1911), Adolf Jäger (1960) und Firma Seno (Udo Seidel und Wally Nolte, 1982). Büste (von Friedrich Schierholz, 1878/79; zerstört 1944) im Treppenhaus der Stadtbibliothek sowie ein 2,60 Meter hohes Standbild (von Friedrich Schierholz, 1893; zerstört 1944) auf dem Dachrand des westlichen Flügels der Stadtbibliothek.
Sch. wechselte in Ffm. häufig die Wohnung: nach der Rückkehr aus Mannheim 1833 Bezug der alten Wohnung Alte Schlesingergasse 32, möglicherweise auch Saalgasse 23; 1836 Übersiedlung in das Haus Am Schneidwall 10 (später Untermainkai 2); April 1840 Umzug in die Neue Mainzer Straße 16, zum ersten Mal mit eigenen Möbeln; 1.3.1843 Übersiedlung an die Schöne Aussicht 17; schließlich, nach Streitigkeiten mit dem Hausherrn wegen seines Pudels, im Sommer 1859 letzter Umzug in das Nachbarhaus an der Schönen Aussicht 16, Sch.s Sterbehaus, das im Zweiten Weltkrieg 1944 weitgehend zerstört wurde. Die massiven Außenmauern des Erdgeschosses, in dem sich Sch.s Wohnung befunden hatte, standen noch komplett und wurden erst nach dem Krieg abgetragen. Somit ist keine der Wohnstätten Sch.s erhalten.
1939 hatte die Stadt Ffm. das ehemalige Wohn- und Sterbehaus Schöne Aussicht 16 erworben, um dort ein Sch.-Museum einzurichten, das am 22.2.1940, zu Sch.s Geburtstag, eröffnet werden sollte. „Mit Rücksicht auf die augenblickliche Lage“, also den Krieg, wurde die Einweihung ausgesetzt und verschoben. Nicht zwei Wasserrohrbrüche, die sich im Januar und Februar 1942 ereigneten, verhinderten die Eröffnung des Museums endgültig, sondern der verheerende Luftangriff am 22.3.1944, der das Haus mit etwa der Hälfte der dort lagernden Archivbestände zerstörte. Über dem Eingang des heutigen Hauses Schöne Aussicht 16 an der Stelle von Sch.s Sterbehaus ist eine Inschrift zum Gedenken an Sch. angebracht.
In Ffm. entstand weit mehr als die Hälfte von Sch.s Gesamtwerk. Ffm. war die Stadt des Aufstiegs und beginnenden Weltruhms des Philosophen. Hier erschließt sich sein geistiges Erbe heute durch das Sch.-Archiv im Archivzentrum der UB Ffm., eine wichtige Stelle der Sch.-Forschung und der Verwaltung seines Nachlasses. Gedanke und Ursprung des Archivs führen auf Sch. selbst zurück, der in seinem Testament der Ffter Stadtbibliothek sieben Daguerreotypien vermachte. 1921 Zusammenlegung mit dem Archiv der Sch.-Gesellschaft. Umfasst u. a. etwa 40 Porträtgemälde und -zeichnungen sowie 20 Porträtfotos und Daguerreotypien Sch.s, fünf Sch.-Büsten, insgesamt 1.300 Briefe und Manuskripte, 656 einzelne Titel seiner Bibliothek sowie Gegenstände seines persönlichen Gebrauchs (Flöten, Sofa u. a.; Stand: 2015). Außerdem ist Ffm. seit 1919 Sitz der 1911 von dem Indologen und Philosophen Paul Deussen in Kiel gegründeten Sch.-Gesellschaft, die von 1936 bis 1982 von dem Publizisten und Philosophen Arthur Hübscher geleitet wurde. Die Sch.-Gesellschaft gibt seit 1912 ein eigenes Jahrbuch heraus, seit 1945 unter dem Titel „Sch.-Jahrbuch“, das als Forum für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen bedeutender mit Sch. befasster Wissenschaftler weltweit dient. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat der Vorstand der Sch.-Gesellschaft die an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz errichtete Sch.-Forschungsstelle mit der Herausgabe des Jahrbuchs beauftragt.
Gedächtnisfeiern, Ausstellungen und internationale Tagungen in Ffm., vor allem der Sch.-Gesellschaft und des Sch.-Archivs (oft in Verbindung mit der Stadt Ffm.), u. a. 1929 „Religion und Philosophie“, zum 70. Todestag 1930 Gedenkfeier im Atrium des Sterbehauses mit Enthüllung einer monumentalen Porträtbüste Sch.s (von Richard Petraschke; zerstört am 9.11.1938; Bronzeabguss im Sch.-Archiv erhalten), zum 75. Todestag 1935 und 150. Geburtstag 1938 Gedächtnisausstellungen, 1955 Tagung „Sch. und die Gegenwart“, zum 100. Todestag 1960 Gedenkfeier in der Paulskirche und Ausstellung im Karmeliterkloster, dabei Verleihung der von dem Ffter Bildhauer Adolf Jäger geschaffenen Sch.-Medaille an hervorragende Forscher der Sch.’schen Lehre, 1965 Sonderausstellung „Sch.s Ffm.“, 1967 Ausstellung über die Nachwirkungen Sch.s, zum 200. Geburtstag 1988 Festveranstaltungen in der Alten Oper und der Johann Wolfgang Goethe-Universität sowie Ausstellung von Sch.-Manuskripten in der Stadt- und Universitätsbibliothek, zum 150. Todestag 2010 Ausstellung „Was die Welt bewegt – Arthur Sch. in Ffm.“ des ISG in Kooperation mit der UB Ffm. und der Sch.-Gesellschaft im Karmeliterkloster, verbunden mit einem Internationalen Kongress und zahlreichen Veranstaltungen, 2019/20 Ausstellung „SELBST DENKEN. 200 Jahre Arthur Sch.s ‚Die Welt als Wille und Vorstellung’“ der UB Ffm. in Zusammenarbeit mit der Sch.-Gesellschaft im Sch.-Studio der UB Ffm., von 2019 bis 2021 biographisches Kabinett „Sch.s Fft.“ in der Dauerausstellung „Fft. Einst?“ im HMF, entstanden in Kooperation mit der UB Ffm. Anlässlich von Sch.s 200. Geburtstag 1988 erschienen eine 10-Mark-Münze und eine 80-Pfennig-Briefmarke.
Sch.straße (seit 1877) im Nordend. Seit 2019 Sch.-Studio als Kommunikations- und Ausstellungsraum in der UB Ffm. Seit 1988 Sch.-Stiftung „Arthur Angelika Hübscher in memoriam Christian Hübscher“ mit Sitz in Ffm.
Denkmal am Nordende des Rechneigrabens (mit Bronzebüste nach dem Modell von Friedrich Schierholz gegossen von der Nürnberger Kunstgießerei Ch. Lenz, errichtet 1895; ursprünglicher Metallsockel im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, mit neuem Steinsockel wiederenthüllt 1952).

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 329-334, verfasst von: Inge Kaltwasser (überarbeitete Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon von Inge Kaltwasser).

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Hinweis: Artikel über das Schopenhauer-Denkmal in Ffm.
Kunst im öffentl. Raum Fft., 4.3.2024.
| Schopenhauer-Gesellschaft e. V., Ffm. http://www.schopenhauer.de/index.php?option=com_content&view=article&id=69&Itemid=74 - http://www.schopenhauer.de/index.php?option=com_content&view=article&id=70&Itemid=75 -
Hinweis: Die Internetseiten enthalten einen umfangreichen biographischen Teil zu Arthur Schopenhauer, u. a. mit den Aufsätzen „Auf den Spuren Schopenhauers in Fft.“ von Thomas Regehly und „Schopenhauer und Fft.“ von Arthur Hübscher.
Schopenhauer-Gesellschaft, 13.5.2015.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_SchopenhauerWikipedia, 8.5.2015.

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Empfohlene Zitierweise: Kaltwasser, Inge: Schopenhauer, Arthur. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1129

Stand des Artikels: 22.9.2021
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 05.2015.