Tochter des Gutsbesitzers Carl Fessel und seiner Frau Hedwig. Verheiratet (von 1911 bis zur Scheidung um 1919 und vermutlich erneut seit den 1930er Jahren) mit
Siegfried Kraus (1880-1958).
Nach Privatunterricht auf dem Gutshof und einem „Haushaltsjahr“ absolvierte Meta Fessel eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin in Berlin, mutmaßlich an der Schule von Alice Salomon (1872-1948). Danach Wechsel nach Ffm., wo sie von 1907 bis 1909 ehrenamtlich in der „Centrale für private Fürsorge“ tätig war. Hier lernte sie den dort beschäftigten Sozialwissenschaftler und Fürsorger
Siegfried Kraus kennen, den sie 1911 heiratete. Bis ins Kriegsjahr 1916 erstellte K.-F. zwei wissenschaftliche Studien: In der einen beschäftigte sie sich in der Folge der Ffter Heimarbeit-Ausstellung von 1908 mit den sozialen Verhältnissen der Heimarbeiterinnen und Kinder in der Nadel-, Perlkranz- und Taillenstabindustrie im Taunus („Die Heimarbeit im rhein-mainischen Wirtschaftsgebiet“, 1914), in der anderen befasste sie sich – im Auftrag des Archivs deutscher Berufsvormünder – mit den „Leistungen der öffentlichen Armenpflege für Kinder und Jugendliche im Königreich Bayern“ von 1881 bis 1909 (erschienen in der Zeitschrift für Armenwesen, 1916).
Im Ersten Weltkrieg arbeitete K.-F. hauptberuflich mit ihrem Mann
Siegfried Kraus zusammen in der Fürsorge für Kriegsopfer, zunächst in der „Beratungsstelle für Kriegsinvalide und Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern“ und seit April 1916 im städtischen Fürsorgeamt für Kriegshinterbliebene. Hier vertrat sie ihren Mann als Leiterin während dessen Wehrdienstzeit in Österreich von März 1917 bis November 1918. In den Kriegsjahren engagierte sich K.-F. aktiv für das Frauenwahlrecht, u. a. zusammen mit
Meta Quarck-Hammerschlag,
Martha Wertheimer und
Rosa Kempf. Sie war Schriftführerin der Ortsgruppe Ffm. des Deutschen Reichsverbands für Frauenstimmrecht. Bald kam es zur Trennung des Ehepaars K., jedoch bestand weitere Zusammenarbeit. Nach dem Ersten Weltkrieg befasste sich K.-F., wie auch
Sophie Ennenbach und
Berta Sachs, mit der Frage der nun durch die Kriegsheimkehrer arbeitslos gewordenen Frauen und mahnte deren Weiterbeschäftigung an, um der sozialen Not gegenzusteuern.
1919 zurück in Berlin, widmete sich K.-F. wieder der Sozialarbeit, kümmerte sich um Arbeiterfamilien im Wedding, in Moabit, am Prenzlauer Berg. Seit dem 1.10.1919 war sie, als erste Frau verbeamtet, im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt als Leiterin der Abteilung für Kleinkinderfürsorge und der Fürsorge für die „sittlich gefährdete weibliche Jugend“ tätig, zunächst als Referentin, dann als Regierungsrätin (bis zum vorzeitigen Ruhestand 1925). Sie nahm an zahlreichen Tagungen und Kongressen zur Jugendfürsorge und mit sexualpolitischer Thematik teil und veröffentlichte dazu mehrere Artikel.
Nach SPD- und zeitweiliger KPD-Mitgliedschaft war K.-F. seit Anfang/Mitte der 1920er Jahre als Kommunistin und Anarchistin dem Kinderheim „Barkenhoff“ in Norddeutschland eng verbunden; zusammen mit dem dort wirkenden Maler Heinrich Vogeler (1872-1942) u. a. kümmerte sie sich um Kinder und Jugendliche aus armen Familien. Sie war aktiv in der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) und 1924 Mitbegründerin der „Roten Hilfe Deutschland“ (RHD). Als ab 1926 der „Barkenhoff“ unter staatlicher Observation stand, veröffentlichte sie die Schrift „Polizei-Terror gegen Kind und Kunst. Dokumente zur Geschichte der sozialen Republik Deutschlands“ als „Appell an die ‚Partei der anständigen Menschen‘“ (1927). Zwar hatte der polizeiliche Inspizient mustergültige Sauberkeit, beste Ernährung und gute Betreuung der Kinder attestiert, doch heftig die „kommunistische“ Indoktrination beklagt. Mit dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868-1935) verband K.-F. eine Arbeitsgemeinschaft; sie schrieb Mitte/Ende der 1920er Jahre einen längeren Artikel mit dem Titel „Frauenarbeit und Frauenemanzipation in der Nachkriegszeit ab 1919“ für das von ihm herausgegebene Buch „Sittengeschichte der Nachkriegszeit“ (1931; Reprint u. d. T.: „Zwischen zwei Katastrophen“, 1966). K.-F. war befreundet u. a. mit Käthe Kollwitz (1867-1945), dem Ehepaar Erich (1878-1934) und Creszentia, gen. Zenzl, Mühsam (1884-1962) sowie dem Paar Rudolf Rocker (1873-1958) und Milly Witkop (1877-1955). Sie versteckte Mühsam später zeitweise, um ihn vor der NS-Verfolgung zu beschützen. Biographischen Überlieferungen zufolge war sie die Autorin des Buches „Der Leidensweg Erich Mühsams“ (1935), erschienen unter dem Namen seiner Witwe Zenzl Mühsam. Freilich zerbrach die Freundschaft der beiden Frauen bald.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 flüchtete K.-F. erst einmal nach Amsterdam, um der Festnahme durch die Gestapo zu entgehen. Mitte der 1930er Jahre lebte sie in Wien, den Meldeunterlagen der Stadt Wien zufolge erneut als Ehefrau von
Siegfried Kraus. In Wien verhalf sie dem verfolgten Anarchisten, Sprachwissenschaftler und Historiker Max Nettlau (1865-1944) zur Flucht und rettete auch seine umfangreiche Bibliothek. 1939, nach dem „Anschluss“ Österreichs und einer Zwischenstation in Paris, entschloss sie sich zur Emigration in die USA. Die mit ihr befreundete amerikanische feministische Anarchistin Emma Goldman (1869-1940) suchte ihr eine Lehrtätigkeit in Kanada zu verschaffen. Doch K.-F. war unheilbar krank. Sie nahm sich 1940 in New York City das Leben.
Weitere Schriften: „Die Organisation und die Tätigkeit des Städt. Fürsorgeamtes für Kriegshinterbliebene in Ffm.“ (mit
Siegfried Kraus, 1919), „Fürsorgewesen und Arbeiterklasse“ (in: Sozialistische Monatshefte, 1919), „Schwangeren-, Mütter- und Kinderschutz als Aufgabe der Justizreform“ (in: Die neue Generation, 1922), „Krisis in den Beratungen des Ges(etz)-Entw(urfs) zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ (in: Soziale Praxis, 1923), „Die Arbeiterhilfe im Kampfe gegen den Hunger in Deutschland“ (1924), „Strafe auf Schwangerschaftsunterbrechung“ (in: Die neue Generation, 1926), „Frauen im Polizeidienst“ (in: Die neue Generation, 1927), „Schule und Aufklärung“ (in: Die Ehe, 1929) u. a.
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