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Ennenbach, Sophie

Sophie Ennenbach

Sophie Ennenbach
Fotografie (um 1930).
Bildquelle: Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 4095).

© unbekannt. Der/die Fotograf/-in ist anhand der Bildvorlage nicht zu ermitteln.
Ennenbach, Sophie (eigentl.: Sofie) Henriette, geb. Schlösinger. Sozialbeamtin. Politikerin. * 2.4.1879 Daun/Eifel, † 13.1.1962 Berlin-Staaken.
Fünftes Kind des Buchhalters Johann Friedrich Schlösinger (1847-1906) und dessen Ehefrau Angela, gen. Anna, geb. Leonarz (1851-1919), die 1872 in Köln geheiratet hatten. Zehn Geschwister: August (* 1880), Carl (* 1882), Willy (* 1884), Karoline (* 1886) und Johannette, gen. Netty (* 1893), sowie fünf Geschwister, die sehr früh starben (davon drei vor Sophies Geburt). Verheiratet (von 1900 bis zur Trennung 1914 bzw. Scheidung 1920) mit dem Werkzeugmacher Peter E. (1872-1952). Drei Kinder: Anna E. (seit 1924 verh. Merkel, 1903-1991), Peter Friedrich E. (30.5.1904-20.6.1904), Rose E. (von 1931 bis zur Scheidung 1934 in erster Ehe verh. Heinemann, seit 1939 in zweiter Ehe verh. Schlösinger, 1907-1943).
Aufgewachsen in (Taunusstein-)Wehen im heutigen Rheingau-Taunus-Kreis, das bis 1866 Amts- und Verwaltungszentrale für 35 Ortschaften im Wehener Grund war. Dort war der Vater als Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher am Amtsgericht tätig. Aus familiärer Not zweigte Friedrich Schlösinger 1888 von dem Geld, das er als Gerichtsvollzieher zu verwalten hatte, einen größeren Betrag – 336 Mark – ab, den er später zurückgeben wollte. Aber es kam eine unerwartete Revision, und er wurde wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Gefängnis und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Damit verlor er alle Ansprüche, die er sich im Krieg 1870/71 erworben hatte: Orden, Ehrenzeichen und vor allem den Zivilversorgungsschein, der ihm seine Versorgung und Stellung im Staatsdienst lebenslang gesichert hätte. Die Familie wurde im Armenhaus untergebracht; die Kinder trugen Brötchen und Zeitungen aus, putzten Schuhe im Pfarrhaus und schleppten Holz herbei. Sophie, mit neun Jahren die Älteste der Kinder, kam zu Verwandten nach Braunfels.
Nach seiner Strafverbüßung fand der Vater zunächst überhaupt keine, dann nur sehr unbefriedigende Arbeit; vorübergehend versuchte er sich als Vertreter für Nähmaschinen, was ihm aber auch nicht besonders lag. Schließlich bekam er eine Arbeitsstelle als Kanzleigehilfe in Ffm., so dass er seine Familie aus dem Armenhaus in Wehen in eine Wohnung im Ffter Nordend holen konnte. Laut Einwohnermeldekartei wohnte die Familie ab 3.9.1894 in der Friedberger Landstraße 57, dann ab 2.5.1895 in der Louisenstraße 24 und schließlich ab 2.8.1902 in der Friedberger Landstraße 256 (später Nr. 194).
Durch den Wechsel nach Ffm. ergaben sich auch für Sophie bessere Arbeitsmöglichkeiten. Nach Abschluss der Volksschule 1893 hatte sie es schon in Wehen als Hausmädchen versucht. Aufgrund schlechter Erfahrungen in diesem Beruf (harte Arbeitsbedingungen, knappes Essen, geringe Bezahlung, Übergriffe der Hausherren), die sich in Ffm. fortsetzten, entschloss sie sich, in die Fabrik zu gehen. In der Nähe ihrer Wohnung war eine Fabrik, für die sie schon einmal von Wehen aus Heimarbeit gemacht hatte. Dort wurde Sophie, noch nicht einmal 16 Jahre alt, als Stickerin eingestellt. Sie erhielt einen Wochenlohn von fünf Mark bei einer Arbeitszeit von zehn Stunden am Tag und sechs Tagen pro Woche. Weil sie auch am Sonntag arbeitete, bekam sie eine Mark mehr. (Im Haushalt hatte sie acht Mark im Monat bekommen.) Trotzdem kündigte sie, als der Meister pampig wurde und sie anschrie. Das ließ sie sich nicht bieten.
1896 begann Sophie Schlösinger, als Falzerin in der Steindruckerei „Blümlein & Co.“ in der Lersnerstraße 23 im westlichen Nordend zu arbeiten. Bald stieg sie zur Lagerarbeiterin auf, die für die Büroetage zuständig war, mit neun Mark Wochenlohn, den sie aber komplett zuhause abgeben musste. In dieser Firma lernte Sophie den 30-jährigen Packer Fritz kennen, der sie an die Sozialdemokratie heranführte, indem er ihr etwa die „Volksstimme“ und Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ zu lesen gab. Am 16.6.1898 standen Reichstagswahlen an. Sophie schrieb abends Adressen für die Versendung der Stimmzettel und führte heiße politische Diskussionen mit ihrem Vater, der sie zuletzt als „Fabrik-Besen“ titulierte. Sophie hatte früher einmal geäußert, Missionarin werden zu wollen. Der Vater hielt ihr jetzt vor, dass sie stattdessen zu den „Revoluzzern“ gestoßen sei. Aber für Sophie war das kein Gegensatz; für beides hatte sie dieselben Motive.
Auf Rat des Vaters lernte Sophie Schlösinger neben der Fabrikarbeit Stenografie und Maschinenschreiben in kostenlosen Abendkursen. Mit diesen Qualifikationen bewarb sich die 20-Jährige erfolgreich um eine Stelle als Kontoristin in der Schmirgelfabrik „Burkhard & Co.“ (Rödelheimer Landstraße 31), die sie am 2.4.1900 antrat. In dieser Zeit lernte Sophie den Werkzeugmacher Peter Ennenbach (1872-1952) kennen, der bei der Heizkörperfirma Gaertler in der Adalbertstraße in Bockenheim beschäftigt war. Trotz unterschiedlicher Lebenseinstellungen – „Er widersprach mir in allem und zeigte eine, wie mir schien, spießbürgerliche und enge Auffassung“, schrieb E. in ihren Erinnerungen („Den Enkeln erzählt“, Typoskript in: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Nachlass Schlösinger-Ennenbach-Sideri, S.111) – heirateten sie am 22.12.1900. Für Sophie war es auch eine Flucht aus dem elterlichen Haushalt. Sie genoss das eigene Reich einer kleinen Wohnung, auch wenn sie in den nächsten sieben Jahren öfters umziehen musste (Am Weingarten 28a III, Juliusstraße 9 H, Rotlintstraße 97 III, Gellertstraße 17 II, Münzenberger Straße 4 III).
Peter E. war dem Metallarbeiter-Verband beigetreten; das Ehepaar hatte die „Volksstimme“ abonniert und besuchte gemeinsam Versammlungen, in denen Sophie zum ersten Mal Clara Zetkin (1857-1933) erlebte. Obwohl Peter E. eigentlich keine Kinder wollte, wurden am 25.2.1903 die Tochter Anna und am 30.5.1904 der Sohn Peter (der freilich schon im Alter von drei Wochen starb) geboren. Die Familie wohnte inzwischen in einer Wohnung der gemeinnützigen „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen“ in der Rotlintstraße im Ffter Nordend, die Eltern Schlösinger ganz in der Nähe in der Friedberger Landstraße. Am 5.4.1906 nahm sich der Vater das Leben. Nach dem kurzen Versuch des Zusammenlebens mit der Mutter in einer gemeinsamen Wohnung in der Gellertstraße zog Familie E. am 6.8.1907 in die Münzenberger Straße 4. Dort wurde am 5.10.1907 Tochter Rose geboren.
Entgegen der Erwartungen von Peter E., der hoffte, seine Frau würde sich jetzt ganz auf Familie und Haushalt konzentrieren, gab Sophie E. ihre gewerkschaftlichen und politischen Interessen nicht auf. Bisher konnten Frauen nur unter großen Einschränkungen gewerkschaftlich und politisch tätig sein. So hatte Sophie E. zusammen mit Johanna Tesch, Anna Gehrke und Marie Bittorf am 6.11.1906 den „Verein für die Interessen der Hausangestellten“ in Ffm. gegründet. Auch engagierte sie sich im Ffter Ausschuss für Volksvorlesungen, wo sie Henriette Fürth kennenlernte. Das am 15.5.1908 in Kraft getretene „Reichsvereinsgesetz“ war ein wichtiger Schritt zur politischen Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland. Bis dahin war es ihnen verboten, politischen Vereinen (Parteien) anzugehören. Am 1.5.1909 trat E. in die SPD ein; sie wurde schnell in den Kreisvorstand gewählt und organisierte den ersten Internationalen Frauentag am 19.3.1911 in Ffm. mit Alexandra Kollontai (1872-1952) im (alten) Gewerkschaftshaus in der Allerheiligenstraße. Im September 1911 reiste E. als Delegierte zur 6. Frauenkonferenz und zum Parteitag der SPD in Jena. Bei der Frauenkonferenz unterstützte sie einen Antrag von Clara Zetkin, den Internationalen Frauentag in ganz Deutschland zu wiederholen, und sie berichtete von den Erfolgen der neu eingerichteten Kinderschutzkommission in Ffm. Beim Parteitag griff sie mutig in eine sehr emotional geführte Debatte um Solidaritätsbeiträge für Genossen ein, deren Teilnahme am 1. Mai von den Unternehmern mit Lohnentzug geahndet worden war.
Bald entschloss sich E., nicht nur ehrenamtlich, sondern auch beruflich Verantwortung zu übernehmen. So arbeitete sie ab dem 1.6.1912 als Geschäftsführerin (mit halber Stelle) in der Ffter Ortsgruppe des Verbands der Hausangestellten Deutschlands. Am 26.3.1914 wurde E. in den Vorstand der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Ffm. gewählt; unter den zwölf Vorstandsmitgliedern war sie die einzige Frau.
Sophie E. hatte gehofft, dass sich die Beziehung zu ihrem Mann durch die Arbeit und damit verbundene gesellschaftliche Verpflichtungen verbessern würde, aber das Gegenteil war der Fall. Peter E. konnte nicht akzeptieren, dass seine Frau erfolgreicher war als er, und machte ihr Eifersuchtsszenen. In Fragen der Kindererziehung und Haushaltsführung kam es zu immer größeren Auseinandersetzungen. Schließlich kündigte Peter E. im Mai 1913 seine Arbeitsstelle bei der Firma Gaertler und bezog nur noch die gewerkschaftliche Arbeitslosen-Unterstützung. Im April 1914 entschied Sophie E., sich von ihrem Mann zu trennen. Nachdem ihr durch gerichtliche Verfügung das Sorgerecht für die beiden Kinder zugesprochen war, kam sie mit ihren Töchtern zunächst bei der Mutter unter, die mit der jüngsten Schwester Netty in der Rendeler Straße 33 in Bornheim wohnte. Noch vor Weihnachten 1914 zogen sie zu fünft in ein Haus mit großem Garten im Mittleren Hasenpfad 26 in Sachsenhausen; nach dem Auszug von Schwester und Mutter übersiedelte E. mit den Kindern 1917 nach Offenbach. [Später empfahl Sophie E. ihren Ex-Mann Peter E. zur Einstellung als „Vermittlungssekretär“ im Arbeitsamt Ffm. (ab 1.10.1921), allerdings mit der ausdrücklichen Bitte, dass er nichts von ihrer Fürsprache erfahren sollte.]
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 versuchte E., auf öffentlichen Versammlungen an die Beschlüsse des Basler Friedenskongresses (1912) zu erinnern, wo man sich geschworen hatte, den Krieg zu verhindern. Die Veranstaltungen wurden verboten. Auch „unter Genossen“ gab es keine Übereinstimmung mehr. Entsetzt registrierte E. die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten im Reichstag. Weil auf den offiziellen Parteiversammlungen nicht mehr offen diskutiert werden konnte, trafen sich Funktionsträgerinnen, die abweichend von der Parteiführung pazifistische Positionen vertraten, zu „geheimen“ Versammlungen, u. a. in E.s Wohnung. An einer dieser Versammlungen bei E. nahm auch Toni Sender teil, bevor sie als Ffter Delegierte zur Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen gegen den Krieg im März 1915 in Bern fuhr.
Mit Kriegsbeginn hatte E. als Gewerkschaftsfunktionärin eine neue Aufgabe im Ausschuss für die städtische Arbeitervermittlungsstelle bekommen. Sie wurde damit beauftragt, die Arbeit in der weiblichen Abteilung entsprechend den neuen Anforderungen in den Kriegsjahren zu organisieren. Die Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit hinterließen auch in den Gremien des städtischen Arbeitsamts in Ffm. ihre Spuren. E., die sich ab 1917 der USPD angeschlossen hatte, wurde vorgeworfen, sie habe ihre Neutralitätspflicht als Dienststellenleiterin für die weibliche Arbeitsvermittlung vernachlässigt und eine Unterschriftenaktion gegen bestimmte Frauenvertreterinnen im Erwerbslosenrat unterstützt. Daraufhin wurde sie von ihrer Leitungsfunktion suspendiert. Nach einer längeren Untersuchung wurde schließlich in einer Vollsitzung des Arbeitsamtes am 25.3.1919 festgestellt, dass „trotz eingehender Prüfung im Verhalten der Frau Ennenbach keinerlei Verschulden gefunden werden konnte“. Es wurde dem Magistrat empfohlen, „Frau Ennenbach wieder in ihr Amt einzuführen“. Der entsprechende Beschluss wurde zwei Tage später im Magistrat gefasst.
1921 wurde E. vom Amt aus vorgeschlagen, an einem Lehrgang am Frauenseminar für soziale Berufsarbeit (der späteren „Staatlich anerkannten Wohlfahrtsschule für Hessen und Hessen-Nassau“) teilzunehmen. Dieser Lehrgang (mit Unterricht in Volkswirtschaft, Gesundheitswesen, Pädagogik, Rechtskunde) war für Berufstätige gedacht und musste vor und nach den Dienststunden wahrgenommen werden. Er schloss nach neun Monaten mit einem Staatsexamen ab. Bereits seit 1920 befand sich E.s Dienststelle in der Bleichstraße 52, wo E. eine kleine Wohnung im Dachgeschoss gemietet hatte. Nach dem Wechsel der Dienststelle in größere Räumlichkeiten angesichts stets steigender Arbeitslosenzahlen wohnte E. ab 1926 in der Gronauer Straße, bevor sie 1928 – nach Leistung eines Baukostenzuschusses – eine Neubauwohnung Hinter dem Buchwald 57 (ab 1931: Kettelerallee 57) mit Bad und Heizung in der unter Ernst May errichteten Siedlung am Bornheimer Hang beziehen konnte. Später lebten ihre Tochter Rose und deren am 18.1.1932 geborene Tochter Marianne Heinemann bei ihr in der Wohnung in der Ernst-May-Siedlung. Rose war alleinerziehend; sie hatte den Vater des Kindes nur „formal“ geheiratet, um dem Kind den „Makel des Unehelichen“ zu ersparen.
Zum 1.4.1928 stieg E. zur „Vermittlungsobersekretärin“ im Beamtenverhältnis beim städtischen Arbeitsamt auf. Ebenfalls 1928 wurde E. für die SPD in die Ffter Stadtverordnetenversammlung gewählt, der sie als ehrenamtliches Mitglied vom 5.6.1928 bis November 1929 angehörte. Bedingt durch kommunale Gebietsreformen musste in Ffm. schon nach einem Jahr erneut gewählt werden. Dabei schnitt die SPD wesentlich schlechter ab als im Vorjahr. Aber auch aufgrund innerparteilicher Verschiebungen büßte E. ihr Mandat ein.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verlor E. ihre Stelle. Obwohl Beamtin auf Lebenszeit, wurde sie nach § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums fristlos entlassen, und obwohl ihr auf dem Amt „mindestens ¾ der ihr zustehenden Pension“ zugesichert wurden, bekam sie nichts. Auch Rose Heinemann war von den Maßnahmen der neuen Machthaber betroffen. Ihr Berufspraktikum im städtischen Fürsorgeamt war angeblich planmäßig zu Ende gegangen. Tatsächlich hatte die Beendigung des Dienstverhältnisses andere Gründe: Als Tochter einer politisch Unzuverlässigen durfte sie nicht weiter beschäftigt werden. Vollständig ohne Einkommen mussten die beiden Frauen mit dem Kind nach einer billigeren Wohnung suchen. So zogen sie zunächst nach Praunheim (Hindenburgstraße 200), später ins Ostend (Röderbergweg 33), wo sie die Wohnung mit einer Rabbinerwitwe teilten.
Obwohl E.s Tochter Rose Heinemann für zwei Berufe – Kindergärtnerin und Fürsorgerin – ausgebildet war, wurde sie gar nicht erst in die Arbeitsvermittlung aufgenommen. Sie konnte nur Erwerbslosenkurse besuchen, um Stenografie und Maschinenschreiben zu erlernen. In letzter Verzweiflung rief E. ihren früheren Chef beim Arbeitsamt an, der aber nur ausweichend reagierte: „Ich sehe keine Möglichkeit für Ihre Tochter. – Vielleicht versucht sie es einmal auswärts.“ Tatsächlich bekam Rose Heinemann dank der neu erworbenen Fähigkeiten Ende 1934 eine Anstellung als Einschreiberin bei den Wanderer-Werken (Continental) in Chemnitz. Schon nach vier Monaten konnte sie ihre kleine Tochter nachholen. E. wechselte vorübergehend in eine billige Ein-Zimmer-Wohnung in der Schleidenstraße 26 im Nordend, bevor sie kurz vor Weihnachten 1936 Ffm. verließ und zu Tochter und Enkelin in Chemnitz zog. Dort kümmerte sie sich um Haushalt und Kind. Aus Berlin besuchten sie ihre Neffen Bodo (1908-1943) und Willi Schlösinger (1912-1995), häufiger dann Bodo allein. Schnell wurde klar, dass seine Besuche weniger der Tante als vielmehr der Cousine galten und durchaus auf deren Gegenliebe stießen. Bald schon verlobten sich Rose und Bodo; die Hochzeit fand am 10.6.1939 in Chemnitz statt.
Am 1.9.1939 übersiedelte E. mit Tochter, Enkelin und Neffe/Schwiegersohn nach Berlin. Die kommenden vier Jahre dort waren geprägt durch Teilhabe an der Widerstandsarbeit in der Gruppe Harnack („Rote Kapelle“), Gefängnisaufenthalt und Hinrichtung der Tochter. Gleich nach ihrem Umzug war E. von Bodo Schlösinger in den Widerstandskreis um Mildred (1902-1943) und Arvid Harnack (1901-1942) eingeführt worden. Sie beteiligte sich an Schulungstreffen und pflegte Kontakte insbesondere mit den Frauen von Karl Behrens (1909-1943) und Wilhelm Utech (1905-1969). Anders als ihre Tochter Rose Schlösinger übernahm sie aber keine besonderen Aufgaben.
Das änderte sich schlagartig mit deren Festnahme am 18.9.1942. Solange sich Rose Schlösinger im Polizeigefängnis am Alexanderplatz befand (bis zum 30.3.1943), konnte E. jeden Samstag Wäsche wechseln, Lebensmittel bringen, Bücher austauschen; auf diese Weise konnten mitunter auch Nachrichten aus dem Gefängnis geschmuggelt werden. Außerdem bemühte sie sich, einen Rechtsanwalt zu finden, schrieb ein Gnadengesuch an Hitler, suchte den Gefängnispfarrer auf und pflegte intensiven Briefkontakt zu Bodo Schlösinger bei der Wehrmacht in Russland bis zu dessen Suizid am 23.2.1943 wie zu Tochter und Enkelin in Ffm. Nur einmal in den fast elf Monaten bis zur Hinrichtung bekam sie eine Erlaubnis, ihre Tochter zu besuchen. Große Unterstützung fand sie in ihrem Bruder Willy Schlösinger (1884-1956), Bodos Vater, der ganz in der Nähe ihrer Wohnung seine Schneiderwerkstatt hatte.
Nachdem E. die Nachricht vom Tod ihrer Tochter Rose Schlösinger (5.8.1943) erhalten hatte, zog sie nach Radeland, heute Ortsteil der Stadt Baruth/Mark, etwa 40 Kilometer südlich von Berlin. Dort, in einer seit 1928 mitten im Wald entstandenen Siedlung mit kleinen, einfachen Holzhäusern, wohnte ihre Schwester Karoline. Bei ihr konnte E. zunächst unterkommen, bis sie in der Siedlung eine eigene Wohnung, aber keine Ruhe fand. Friedrich Heinemann (1900-1944), der leibliche Vater ihrer Enkelin, hatte das Sorgerecht bekommen und das Kind zu seiner Familie nach Eschwege gebracht. Die Berliner Wohnung in der Sebastianstraße wurde bei einem Bombenangriff am 3.2.1945 völlig zerstört. In den letzten Apriltagen 1945 tobte ganz in der Nähe die Kesselschlacht von Halbe mit Auswirkungen bis nach Radeland. Alles das versuchte E. mit dem autobiographischen Roman „Das kleine Rodeland im großen Krieg“ aufzuarbeiten, der allerdings nie veröffentlicht wurde. Viele Passagen wiederholte sie – zum Teil wörtlich – in späteren Texten, Briefen und vor allem in ihrer Autobiographie „Den Enkeln erzählt“ (Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Nachlass Schlösinger-Ennenbach-Sideri). In dieser Zeit schrieb sie auch einen „Bericht über Rose Schlösinger“ (überliefert im Bundesarchiv, Stasi-Unterlagen-Archiv, Zentralarchiv, Berlin, Sign. MfS-HA IX Nr. 3264).
Gleich nach Kriegsende begann E., politisch tätig zu werden. Sie schrieb Einladungen „an alle antifaschistischen Frauen“ und beteiligte sich an der Gründung einer Ortsgruppe der KPD. Im Herbst 1945 nahm sie als Radeländer Delegierte an der KPD-Parteikonferenz in der Kreisstadt Luckenwalde teil. Am 1.2.1946 übersiedelte E. ganz nach Luckenwalde, wo sie als „Referentin des Frauenausschusses“ fest angestellt wurde, eine Wohnung und ein Büro im Rathaus bekam. Beim ersten „Deutschen Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“ am 6./7.12.1947 in Berlin war sie eine der über 2.000 Delegierten aus Ost und West. Aus diesem Anlass traf sie Margrit Brucher wieder, die als Delegierte aus Ffm. zu dem Kongress gekommen war. Die beiden Frauen hatten in den 1920er Jahren beim städtischen Arbeitsamt in Ffm. zusammengearbeitet, in dem Margrit Brucher als Berufsberaterin tätig gewesen war.
Mit 72 Jahren kündigte E. zum Jahresende 1951 ihre Stellung. Aber sie blieb auch im Ruhestand aktiv und arbeitete weiter im Friedensrat, mit den Frauen in Stadt und Land, im Kulturbund und in der Partei. Zu ihrem 75. Geburtstag am 2.4.1954 wurde E. mit der Karl-Marx-Plakette in Silber ausgezeichnet, und zum Internationalen Frauentag 1955 bekam sie – zusammen mit Greta Kuckhoff, Lotte Ulbricht, Hilde Benjamin und 40 anderen Frauen – die Clara-Zetkin-Medaille.
Am 6.8.1958 zog E. von Luckenwalde nach Falkensee-Finkenkrug in ein „Feierabendheim“. In ihrem Briefwechsel mit den Verwandten in der Bundesrepublik hatte E. die DDR immer wieder als das bessere und freiere Deutschland dargestellt und verteidigt. So war es für sie sicherlich eine große Anfechtung, dass ausgerechnet als sie bei ihrer Enkelin Marianne (verheiratet mit dem Schriftsteller Rolf Hochhuth) in Gütersloh zu Besuch war, am 13.8.1961 in Berlin die Mauer gebaut wurde. Es sollte der letzte Besuch gewesen sein. Schon bald darauf, am 12.12.1961, kam die Nachricht, dass E. in ein Pflegeheim nach Berlin-Staaken verlegt werden musste, wo sie einen Monat später, am 13.1.1962, starb. Zur Trauerfeier am 17.1.1962 kamen ihre Tochter Anna Merkel aus Ffm. und Rolf Hochhuth aus Gütersloh; dessen Frau, E.s Enkelin Marianne, war erkrankt. Die Urne wurde am 22.3.1962 auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Gerhard Hochhuth.

Literatur:
                        
Bromberger, Barbara/Mausbach, Katja: Frauen und Fft. Spuren vergessener Geschichte. An Stelle eines Vorwortes: Ulrike Holler. 2., erw. Aufl. Ffm. 1997.Bromberger/Mausbach: Frauen u. Fft. 1997, S. 44-47. | Eckhardt, Dieter/Eckhardt, Hanna: Ich bin radical bis auf die Knochen. Meta Quarck-Hammerschlag. Eine Biographie (...). [Ffm. 2016.]Eckhardt/Eckhardt: Meta Quarck-Hammerschlag 2016, S. 66, 130, 151, 169, 212. | Hochhuth, Gerhard: „Ich habe kein ‚Klassenbewusstein’ – nur Menschenbewusstsein”. Rose und Bodo Schlösinger und die Rote Kapelle. Berlin 2023. (Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus 3).Hochhuth: Rose und Bodo Schlösinger und die Rote Kapelle 2023. | Maly, Karl: Das Regiment der Parteien. Geschichte der Ffter Stadtverordnetenversammlung, Bd. II: 1901-1933. Ffm. 1995. (Veröffentlichungen der Ffter Historischen Kommission, Bd. XVIII/2).Maly: Stvv. II 1995, S. 674. | Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Jena vom 10. bis 16. September 1911 sowie Bericht über die 6. Frauenkonferenz am 8. und 9. September 1911 in Jena. Berlin 1911.Protokoll über die Verhandlungen d. Parteitages d. SPD 1911. | Wolter-Brandecker, Renate/Kremer, Hilde: Zum Ursprung der Ffter Frauenbewegung. Stationen einer Stadtbesichtigung. Hg.: Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Ffm.; Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Ffm. Bad Vilbel 1988.Wolter-Brandecker/Kremer: Ffter Frauenbewegung 1988, S. 24f., 45f. | Zentralorgan des Verbandes der Hausangestellten Deutschlands. 15 Jahrgänge. Berlin 1909-23.Zentralorgan d. Verbandes d. Hausangestellten Deutschlands 4 (1912), Nr. 6, S. 44.
Quellen: Amtsblatt für den Stadtkreis Ffm. Ffm. 1869-1933. [Mit Titelvarianten, u. a.: Anzeige-Blatt der städtischen Behörden zu Ffm.] Fortgesetzt als: Mitteilungen der Stadtverwaltung Ffm. [Späterer Titel: Mitteilungen der Stadt Ffm.] Ffm. 1945-86. Fortgesetzt als: Amtsblatt für Ffm. Ffm. 1987-heute.Amtsbl. für Ffm. 46 (1914), Nr. 25 (29.3.1914), S. [107]. | AWO-Zeitung. Titel ab 2015: AWO | FFM Zeitung. Hg.: Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Ffm. e. V. Ffm. 1998-2021.Eckhardt, Hanna: Ein Leben für Demokratie und Sozialismus. [Über Sophie Ennenbach.] In: AWO-Zeitung 2/2017, S. 4. | Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin.Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Nachlass Schlösinger-Ennenbach-Sideri; darin u. a.: Typoskript der Erinnerungen „Den Enkeln erzählt“, niedergeschrieben 1957-60 (Exemplar für die Enkelin Marianne Heinemann, damals verh. Hochhuth). | ISG, Kirchen- bzw. Standesbücher: Heiratsbücher, Ffm., 1533-1848 bzw. 1849-1939.Eintrag der Heirat mit Peter Ennenbach, Ffm., 22.12.1900 (unter Vermerk der Scheidung 1920): ISG, Kirchen- bzw. Standesbücher: Heiratsbuch, Bestand STA 11/284: Standesamt Ffm. I, Heiratsurkunde 1900/I/2655 (Bd. 8, Bl. 233). | ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA T 211, Bd. 2 (Städtische Arbeitsvermittlungsstelle bzw. Arbeitsamt: Beamte und Bedienstete, 1917-20), St. 67-67g. | ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA T 211, Bd. 3 (Arbeitsamt: Beamte und Bedienstete, 1921-25), St. 24, 24a, 28, 38, 48. | ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA T 211, Bd. 5 (Arbeitsamt: Beamte und Bedienstete, 1927-28), St. 30-30d, 36/48, 36/77. | ISG, Bestand Materialsammlungen, 14. Jh.-1994.Materialsammlung Neuland. ISG, Materialsammlungen, S6b/75, Nr. 224; darin u. a.: Erinnerungen von Sophie Ennenbach an Rose Schlösinger. | ISG, Einwohnermeldekartei („Nullkartei“), ca. 1870-1930.ISG, Nullkartei. | ISG, Bestand Nachlässe (S1).Nachlass: ISG, S1/396; darin: Typoskript der Erinnerungen „Den Enkeln erzählt“, niedergeschrieben 1957-60 (Exemplar für den Enkel Helmut Merkel). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/15.263 (Rose Schlösinger). | Neues Deutschland. [Von 1946 bis 1989: Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.] Berlin 1946-heute.Regierung ehrte verdiente Frauen. Staatsakt zur Verleihung der Clara-Zetkin-Medaille (...). In: Neues Deutschland, 8.3.1955, S. 1. | Stadtarchiv TaunussteinStadtarchiv Taunusstein, Az. Wehen XVI, Konv. 3, Fasz. 2. | Studienkreis Deutscher Widerstand, Dokumentationsarchiv, Ffm.Studienkreis Deutscher Widerstand, AN 1283.

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Empfohlene Zitierweise: Hochhuth, Gerhard: Ennenbach, Sophie. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3378

Stand des Artikels: 9.11.2023
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 11.2023.