Sohn des k. k. Kanzleibeamten Josef K. (1853-1902) und dessen Ehefrau Katharina, geb. Lederer (1849-1918). Vier jüngere Geschwister (zwei Brüder, zwei Schwestern). Verheiratet in erster Ehe (von 1911 bis zur Scheidung um 1919) mit der Sozialarbeiterin und Journalistin
Meta K.-Fessel, geb. Fessel (1884-1940), in zweiter Ehe (von 1921 bis zur Scheidung um 1928) mit Ida K., verw. Moeller, aus Hamburg, und vermutlich in erneuter Ehe (seit den 1930er Jahren) mit
Meta K.-Fessel. Zwei Stiefkinder aus der ersten Ehe der zweiten Frau, zwei Söhne aus zweiter Ehe.
K. trat 1910 von der jüdischen zur protestantischen Konfession über.
Besuch der Volks- und Bürgerschule in Wien mit Abschluss 1894. Anschließend Privatunterricht bis zur Matura. Von 1901 bis 1906 Studium der Nationalökonomie, Rechtswissenschaften, Philosophie und Psychologie in Zürich, Wien und Leipzig. Am 29.10.1905 Promotion zum Dr. phil. in Leipzig mit der Arbeit „Ein Beitrag zur Erkenntnis der sozialwissenschaftlichen Bedeutung des Bedürfnisses“ (im Druck 1906).
Vermutlich über den gemeinsamen Doktorvater, den Nationalökonomen
Karl Bücher, hatte K. 1904
Christian Jasper Klumker, den Geschäftsführer der von
Wilhelm Merton gegründeten „Centrale für private Fürsorge“ (nachfolgend kurz: „Centrale“) in Ffm., kennengelernt.
Klumker beabsichtigte 1905, K. als Bibliothekar bei der „Centrale“ einzustellen. Nach einer positiv ausgefallenen Beurteilung durch einen Wiener Professor von K. bot
Klumker über seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Othmar Spann (1878-1950) K. die Stelle an. Wegen laufender universitärer Verpflichtungen und seines Wirkens im Gewerbeförderungswesen in Wien bat K. um Aufschub des Dienstantritts in Ffm. Vermittelt durch Spann hielt er weiter Kontakt zu
Klumker. Im Frühjahr 1906 gründete
Klumker unter Teilnahme von K. das „Archiv deutscher Berufsvormünder“, und im Juni 1906 erschien der Artikel „Die Berufsvormundschaft als Schutzorgan für die unehelichen Kinder“ von K. in der von Helene Stöcker (1869-1943) herausgegebenen Zeitschrift „Mutterschutz“.
Mit Arbeitsbeginn in der „Centrale“ im Oktober 1907 in Ffm. übernahm K. als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ die neugebildete Abteilung IV „Fürsorgeseminar und Bibliothek“ (mit fast 3.500 Bänden Fachliteratur). Zudem wirkte K. von 1907 bis Sommer 1910 als Geschäftsführer des Archivs deutscher Berufsvormünder. Er arbeitete in der praktischen Fürsorge des Unterstützungswesens der „Centrale“ im Bereich Kinderschutz mit. Im Archiv deutscher Berufsvormünder oblag ihm die Auskunftserteilung über Rechts- und Erziehungsfragen des Vormundschaftswesens. Für beide Einrichtungen organisierte er Ausbildungskurse und Tagungen, trat selbst auch als Vortragender auf. Daneben unterstützte er
Klumker bei der Herausgabe des „Jahrbuchs für Fürsorge“ und anderen Veröffentlichungen. K. begleitete seine praktische Fürsorgearbeit mit wissenschaftlichen Studien; die Berliner Jacob-Plaut-Stiftung beauftragte ihn mit einer Studie über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage ihrer verstreut in Hessen wohnenden hilfsbedürftigen Klientel.
Im Juni 1910 wurde K. mit der Errichtung und Organisation des städtischen Kinderfürsorgeamts in Brünn beauftragt. Auf der fünften Tagung deutscher Berufsvormünder im Oktober 1910 in Berlin hielt er einen Vortrag über „Kinderschutz in Österreich“ mit einem Tätigkeitsbericht über sein Brünner Projekt. Nach dessen Abschluss kehrte er im Januar 1911 nach Ffm. zurück. Hier heiratete er im Frühjahr 1911
Meta Fessel, die er in der „Centrale“ kennengelernt hatte, wo sie als freiwillige Mitarbeiterin in der Armenpflege tätig gewesen war und Bittgesuche geprüft hatte.
Als Mitglied des
Merton’schen „Instituts für Gemeinwohl“ widmete sich K. künftig wissenschaftlichen Studien. In diesem Zusammenhang nahm er an den praktischen Übungen von
Klumker, inzwischen hauptamtlicher Dozent für soziale Fürsorge an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, teil. Die Studien für die Jacob-Plaut-Stiftung und insbesondere
Klumkers Übungen im WS 1911/12 über „Die Verwertung von halben Arbeitskräften in Irrenanstalten, Gefängnissen, Armenhäusern und eigenen Werkstätten“ beeinflussten seinen wissenschaftlichen Weg. Nach ersten „sozialpsychologische(n) Versuche(n) zum Verständnis des Ursprungs der Verarmung“ plante K., „einzelne Gruppen Verarmender in ihrer Entwicklung zu verfolgen“ (
Christian Jasper Klumker), und er verfasste die Studie „Über das Berufsschicksal Unfallverletzter“ (im Druck 1915). Darin untersuchte er den beruflichen und sozialen Werdegang von ca. 900 Arbeitern des Baugewerbes und der chemischen Industrie, die Arbeitsunfälle erlitten hatten. Er erkannte das Dilemma der gesetzlichen Unfallversicherung, die den Verletzten zwar Heilbehandlung und Rente für den Ausfall der Erwerbsfähigkeit gewährte, „die Verwertung des etwa verbliebenen Restes der Erwerbsfähigkeit jedoch allein dem einzelnen Verletzten“ überließ. Aufgrund seiner Arbeit erwies er sich nicht nur als Pionier der empirischen Armutsforschung, sondern auch des modernen Gedankens der Rehabilitation. Sein Versuch, sich mit der Studie in Leipzig bei
Bücher zu habilitieren, blieb jedoch erfolglos, obwohl
Klumker und Spann mit ihren Gutachten im Frühjahr 1914 eine akademische Karriere von K. stark befürwortet hatten.
Seit dem 2.8.1914, dem ersten Mobilmachungstag, war K. als wissenschaftlicher Assistent von
Wilhelm Polligkeit in der „Centralleitung“ der Ffter Kriegsfürsorge tätig, die sich um die Soldatenfamilien kümmerte. Ende Oktober 1914 verwandte er die Ergebnisse seiner Untersuchung über Unfallverletzte zur Ausarbeitung eines Vorschlags für die Behandlung von Kriegsverletzten. Die bereits im Druck befindliche Schrift ließ er um einen „Zusatz über die Lage der Kriegsinvaliden“ ergänzen. Am 31.10.1914 erschien ein Artikel „Unfallverletzte und Kriegsverletzte“ über seine Reformvorschläge in der Ffter Zeitung. K. veranlasste einen Sonderdruck des Artikels, den er
Wilhelm Merton, auch angesichts des Soldatentods von dessen jüngstem Sohn
Adolf Merton, widmete. In dem Artikel plädierte K. dafür, dass der Staat „neben dem ärztlichen Heilprinzip und dem Rentenzahlungsprinzip das Prinzip der Arbeitszuweisung zur Geltung bringen“ solle, und mahnte eine staatliche Organisation zur Versorgung beschränkt Arbeits- und Erwerbsfähiger an. Dabei ging es ihm sowohl um die subjektive Befindlichkeit der Versehrten als auch um den volkswirtschaftlichen Faktor, die Restarbeitskraft der Betroffenen zu nutzen.
Im November 1914 übernahm K. die Leitung der in der Kriegsfürsorge neu eröffneten „Beratungsstelle für Kriegsinvalide und Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern“. In der Beratungsstelle arbeiteten seine Frau
Meta K.-Fessel als seine Vertreterin, weitere hauptamtliche Kräfte und zehn Ehrenamtliche, davon sieben Frauen. Bei der Ortsgruppe der Gesellschaft für Soziale Reform in Berlin berichtete K. in einem Vortrag am 15.12.1914 über „Die Fürsorge für die Kriegsinvaliden“. Er schlug u. a. eine Enquete des Reichs vor, die ermitteln sollte, in welchen Berufen es Arbeiten gäbe, die von beschränkt erwerbsfähigen Menschen geleistet werden könnten. Am 18.12.1914 schloss er mit seinem Redebeitrag die „Außerordentliche Tagung des Preußischen Landesverbandes für Krüppelfürsorge in Berlin“ ab, wobei er die Aufmerksamkeit auf die Kriegskranken, darunter die „Kriegszitterer“, lenkte. K.ʼ Engagement, Studien und Vorschläge fanden prompte Resonanz in der Tagespresse (etwa in der FZ) sowie in Fachzeitschriften.
K.ʼ Idee einer umfassenden dauerhaften Organisation der Arbeitsfürsorge nahm der Ffter Bürgermeister
Hermann Luppe sofort auf. Auf seine Einladung hin trafen sich Vertreter der „Krüppelfürsorge“ und der Kriegsfürsorge sowie Gewerkschafter und Sozialdemokraten am 25.1.1915 zu der Tagung „Friedensfürsorge für Kriegsverletzte“ im Bürgersaal des Römers in Ffm. Hauptredner war K., dessen Vorschläge zur Reform der Rentengesetzgebung und Neuorganisation der Arbeitsfürsorge auch von den Sozialdemokraten
Max Quarck und
Eduard Gräf befürwortet wurden. Auf einer sich unmittelbar anschließenden Reise hielt er seinen Vortrag „Die Kriegsinvaliden und der Staat“ in Wien im Militärcasino. Auf Einladung des früheren Kriegsministers General Franz Xaver von Schönaich (1844-1916) referierte er dort vor hochrangigen Vertretern des Militärs, mehrerer Ministerien und der Kriegsfürsorge. K. berichtete
Wilhelm Merton mit Brief vom 5.2.1915 ausführlich über seine Gespräche in Wien, womit er habe erreichen können‚ dass „die Arbeitsversorgung für Kriegsinvalide in die Hand genommen“ werde. Auf der Rückreise hielt K. seinen Vortrag in Nürnberg, mit großer Publikumsresonanz, woraufhin der Bayerische Industriellenverband mehrere tausend Exemplare des Vortrags bestellte; vier weitere (überarbeitete) Auflagen erschienen noch 1915. Auf K.ʼ Anregungen hin gründete sich in Anwesenheit von K. und seiner Frau am 17.3.1915 der „Hauptausschuss für die Kriegsbeschädigtenfürsorge für das Großherzogtum Hessen, die Provinz Hessen-Nassau und das Fürstentum Waldeck“. Drei Wochen später, am 8.4.1915, trat der „Ortsausschuss für Kriegsbeschädigtenfürsorge“ in Ffm. zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Wilhelm Merton und K. waren Mitglieder des Vereins. Damit löste sich die Kriegsbeschädigtenfürsorge aus der von K. geleiteten Beratungsstelle heraus. Diese Stelle wandte sich nunmehr ausschließlich der Hinterbliebenenfürsorge zu, und K. wurde ihr Sprachrohr. Am 16. und 17.4.1915 nahm er zusammen mit seiner Frau
Meta K.-Fessel,
Wilhelm Merton und
Christian Jasper Klumker an der „Allgemeinen Deutschen Tagung für Soziale Fürsorge für Kriegerwitwen und Kriegerwaisen“ teil, zu der der Deutsche Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit in den Plenarsaal des Reichstags eingeladen hatte. K.ʼ Gedanke einer besonderen Arbeitsfürsorge setzte sich auch hier durch.
Infolge der Berliner Tagung, auf der sich der „Hauptausschuss der Kriegerwitwen- und -Waisenfürsorge“ gebildet hatte, entstanden in ganz Deutschland städtische Fürsorgeämter für Kriegshinterbliebene, wobei Ffm. zum Vorbild wurde. K. übernahm am 1.4.1916 die Leitung dieses neuen städtischen Amts, das aus der privaten Beratungsstelle der Kriegsfürsorge hervorgegangen war. Das Amt arbeitete nach dem Grundsatz, dass die Kriegshinterbliebenen durch ihre Not nicht aus ihrer bisherigen sozialen Schicht herausfallen sollten. Hierüber wachte ein ehrenamtlicher Beirat, dem K. ebenfalls angehörte. Im Mai 1916 wurde K. mit der Geschäftsführung der „Vereinigung der amtlichen Fürsorgestellen für Kriegshinterbliebene im Bereich des XVIII. Armeekorps“ (der das Großherzogtum Hessen sowie Teile mehrerer preußischer Provinzen und Regierungsbezirke einschließlich der Stadt Ffm. umfasste) betraut. Militär und bürgerliche Fürsorge arbeiteten zusammen, um dem „Hauptausschuss der Kriegerwitwen- und -Waisenfürsorge“ einen organisatorischen Unterbau zu geben, vergleichbar mit der Zentralisierung in der Kriegsinvalidenfürsorge. Auf einer ersten Informationsveranstaltung der neuen Vereinigung hielt K. im Juli 1916 zwei Vorträge, u. a. über die Aufgabe des städtischen Amts als des „zentralen bürgerlichen Hilfsorgans der Militärverwaltung in der Rentenfürsorge des Reiches für Kriegshinterbliebene“. Im September 1916 nahm das Ehepaar K. an der Tagung des Deutschen Vereins über „Die Armenpflege nach dem Kriege“ teil, und im Oktober 1916 referierte K. über „Die wirtschaftliche Wiederherstellung der Kriegsbeschädigten“ an der ersten Kriegsakademie des Rhein-Mainischen Verbands für Volksbildung in Diez an der Lahn. Er schloss das Jahr mit einem Praxisbericht seiner Dienststelle an den „Hauptausschuss der Kriegerwitwen- und -Waisenfürsorge“ ab. Die Vorträge der im Juli 1916 abgehaltenen Tagung der „Vereinigung der amtlichen Fürsorgestellen für Kriegshinterbliebene (…)“ erschienen im Frühjahr 1917 in Buchform („Das Wesen und die Aufgaben der Kriegshinterbliebenenfürsorge im Deutschen Reiche“). In der Kleinen Presse hob der Rezensent,
Hans Maier, die Bedeutung des von K. geleiteten Amts in Anbetracht der „Unbeholfenheit weitester Schichten“ der Bevölkerung besonders hervor.
Im WS 1916/17 war K. als nebenamtlicher Dozent am Frauenseminar für soziale Berufsarbeit tätig. Er unterrichtete die in der Kriegsfürsorge aktiven Frauen im „Einführungskurs in soziale und ethische Fragen“. Nach dem Ende des Lehrgangs im März 1917 wurde K. zum Militärdienst in Wien eingezogen, wo er im wissenschaftlichen Komitee für Kriegswirtschaft tätig war, und danach abkommandiert in das neuerrichtete k. k. Ministerium für soziale Fürsorge. Seine Militärzeit endete im November 1918, und im Dezember trat er seinen Dienst in Ffm. wieder an. Bereits während des Krieges hatten sich Selbsthilfeorganisationen der Kriegsbeschädigten gegründet, so der Reichsbund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer im November 1917 in Ffm. Zusammen mit
Hans Maier und anderen Vertretern der Stadt und des Militärs begrüßte K. am 4.12.1918 die Gründung des Reichsbunds der Kriegshinterbliebenen.
Als Leiter des Fürsorgeamts für Kriegshinterbliebene stand K. im ersten Nachkriegsjahr einem städtischen Amt vor, das mit 28 besoldeten und zehn ehrenamtlichen Kräften über 70.000 Fälle betreute. Seine Frau
Meta K.-Fessel und er verfassten eine ausführliche Schrift über dessen Organisation und Tätigkeit. Darin verwiesen sie auf die reichsgesetzlich erforderliche Neubildung der Beiräte, die im Sommer 1919 sowohl in der Kriegshinterbliebenen- als auch in der Kriegsbeschädigtenfürsorge umgesetzt wurde. Vertreter der Kriegsopfer drängten in die Beiräte ebenso wie in einschlägige Beschäftigungsverhältnisse. Der Reichsbund, dem sich mittlerweile auch die Kriegshinterbliebenen angeschlossen hatten, beantragte im Juni 1919 die berufliche Unterbringung seines Vorsitzenden und Beiratsmitglieds
Abraham Sauer, der als Arbeiter der Städtischen Straßenbahn beschäftigt war. K. unterstützte die Bewerbung
Sauers ausdrücklich im Interesse der Stadt an einer „gedeihlichen Zusammenarbeit“ mit der Interessenvertretung der Kriegsopfer und bewirkte die Versetzung
Sauers in „sein“ Amt.
Noch im Jahr 1919 trennte sich das Ehepaar K.;
Meta K.-Fessel zog nach Berlin und wurde als erste Frau Regierungsrat im neu errichteten Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt. 1920 wurde K. deutscher Staatsbürger und engagierte sich in der Reichszentrale für Heimatdienst, die auf Seiten der Republik stand und für die Revision des Versailler Vertrags auf dem Weg friedlicher Verständigung eintrat.
In den Jahren 1920 bis 1924 kämpfte K. um seine berufliche Existenz und um die Selbstständigkeit des Fürsorgeamts für Kriegshinterbliebene. Im Herbst 1920 stellte sich die Personalkommission der Stadt Ffm. gegen die Verbeamtung von K. auf Lebenszeit, weil durch eine mögliche Vereinigung der beiden Ämter (für Kriegshinterbliebene und Kriegsbeschädigte) seine Stelle überflüssig würde. Das Wohlfahrtsamt in Person von
Hans Maier lehnte eine zeitnahe Zusammenlegung und damit eine Entlassung K.ʼ aus Gründen des Arbeitsanfalls ab, und K. wurde am 26.4.1921 auf Lebenszeit verbeamtet.
Die Kriegsopferorganisationen unterstützten den Kampf gegen den Zusammenschluss der beiden Ämter bis ins Inflationsjahr 1923; dann stimmten sie mit K. der Vereinigung zu. Dabei setzte der Reichsbund zusammen mit dem Personalrat des Fürsorgeamts für Kriegsbeschädigte und den Gewerkschaften durch, dass K. – entgegen der ursprünglichen Personalplanung der Stadt – zum Leiter der neuen Abteilung „Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge beim Wohlfahrtsamt“ ernannt wurde. K. versah dieses Amt bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden aus städtischen Diensten am 31.8.1926. Bis dahin war er weiter publizistisch tätig und vertrat die Stadt u. a. bei Konferenzen des Reichsbunds. Sein Ausscheiden begründete er mit einer persönlich schwierigen Situation und seinem Interesse, wieder verstärkt wissenschaftlich zu arbeiten. Er verhandelte um den Erhalt seiner Pensionsansprüche (die er verlor) und um eine Abfindung in Höhe von zwei Jahresgehältern (die er erhielt).
Inzwischen hatte K. Kontakt nach Wien aufgenommen, zu Julius Tandler (1869-1936), dem Schöpfer der neuen Wiener Wohlfahrtspflege und Leiter des dortigen Wohlfahrtsamts. Im Sommer 1928 wohnte K. in Wien, und ein halbes Jahr später trat er seinen Dienst als wissenschaftlicher Beamter beim dortigen Wohlfahrtsministerium an. Anders als von ihm erhofft, war dies keine Referentenstelle, sondern er war Vertragsbeamter ohne Pensionsanspruch; die Stelle war aufgrund seines Ausländerstatus zunächst befristet bis 1931, wurde dann verlängert bis 1934 und endgültig gekündigt zum 30.6.1935. In seinen Wiener Jahren kombinierte K. wieder empirische Untersuchungen mit fürsorgerischer Praxis und Theorie: Er untersuchte das Schicksal von Anstaltskindern, die Lebensverhältnisse von 2.000 Pflegekindern sowie die verheerenden Folgen von Alkoholismus für 1.500 Alkoholikerfamilien und 5.000 Alkoholiker-Kinder. Praktisch war K. als Jugendfürsorger tätig. Wie sein Chef Tandler stellte er die Familienfürsorge ins Zentrum der Fürsorge, wobei er sich an
Sigmund Freuds Psychoanalyse annäherte und theoretisch von der materialistischen Geschichtsauffassung leiten ließ (vgl. seine Schrift „Bedürfnis und Befriedigung. Eine Untersuchung über die Hintergrundmächte der Gesellschaft“, 1931). Zusammen mit Julius Tandler verfasste er die sozialmedizinische und sozialpsychologische Studie „Die Sozialbilanz der Alkoholikerfamilie“ (1936).
Die letzten Jahre in Wien bis zu seiner Emigration in die USA lebte K. mit seiner schwerkranken ersten Ehefrau
Meta K.-Fessel zusammen – vermutlich nach einer erneuten Heirat. Mittellos bestieg er am 24.8.1937 in Rotterdam das Flüchtlingsschiff „SS Veendam“ und ging am 4.9.1937 in New York von Bord. In den USA konnte er die ihm früher versagt gebliebene akademische Karriere einschlagen. Er lehrte zunächst als Gastprofessor „of Social Work“ an der Washington University in St. Louis und wechselte zum WS 1940 auf einen Lehrstuhl für Soziologie und Sozialarbeit am College of the City of New York, den er jedenfalls bis 1945 wahrnahm. Über seine weiteren Lebensumstände ist nichts überliefert. K. starb am 15.4.1958 und wurde auf dem Beth-El Cemetery in Paramus/New Jersey begraben.
Weitere Veröffentlichungen von K.: „Die Berufsvormundschaft als Schutzorgan für die unehelichen Kinder“ (in: Mutterschutz, Zeitschrift zur Reform der sexuellen Ethik, 1906), „Kinderschutzämter in Österreich“ (in: Zur Frage der Berufsvormundschaft, 1911), „Bericht über die Organisation des städtischen Kinderschutzamtes in Brünn und über dessen Tätigkeit im ersten Halbjahr seines Bestandes“ (1911), „Fürsorge für Kriegsinvalide“ (in: FZ, 3.12.1914), „Die Fürsorge für die Kriegsinvaliden“ (1915), „Die Kriegsinvaliden und der Staat“ (5 Auflagen 1915), „Friedensfürsorge für Kriegsverletzte“ (Aufsatz, 1915), „Das Schicksal der beschränkt Erwerbsfähigen“ (in: Zeitschrift für Armenwesen, 1915), „Der gegenwärtige Stand und die nächsten Aufgaben der Kriegsinvaliden-Fürsorge“ (in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, 1915), „Aufgaben für die Zukunft“ (Beitrag in: Soziale Fürsorge für Kriegerwitwen und Kriegerwaisen, 1915), „Die praktische Gestaltung der Kriegshinterbliebenen-Fürsorge“ (in: Die Frau, 1915/16), „Aus der Praxis der örtlichen Kriegshinterbliebenenfürsorge“ (Beitrag in: Zur Theorie und Praxis der Kriegshinterbliebenenfürsorge, 1916), „Die Kriegshinterbliebenenfürsorge und die öffentliche Armenpflege“ (Beitrag in: Die Armenpflege nach dem Kriege, 1917), „Das Wesen und die Aufgaben der Kriegshinterbliebenenfürsorge im Deutschen Reiche“ (Beitrag, 1917), „Kriegsbeschädigtenfürsorge“ (Beitrag, 1917), „Die wirtschaftliche Wiederherstellung der Kriegsbeschädigten“ (Beitrag in: Kriegsfürsorge und Kriegswirtschaft, 1917), „Die Fürsorge für die Soldaten und deren Angehörige“ (1918), „Die Organisation und die Tätigkeit des Städt. Fürsorgeamtes für Kriegshinterbliebene in Ffm.“ (mit
Meta Kraus-Fessel, 1919), „Die Politik des Wiederaufbaus“ (1920), „Der Kampf gegen die Kriegsopferfürsorge“ (in: Reichsbund, 1925), „Die Verwaisung als soziale Erscheinung“ (in: Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik, 1930), „Die Wohlfahrtspflege Wiens“ (in: Die Arbeiterwohlfahrt, 1931) u. a.
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