Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
alljährlich zur Frankfurter Buchmesse ist die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Stadtgespräch. Daher wurden Friedenspreisträger und -trägerinnen schon in der Buchausgabe der „Frankfurter Biographie“ mit einem Eintrag bedacht, eine Tradition, die das Frankfurter Personenlexikon fortsetzt. In der historischen Friedenspreisreihe des FP erscheint diesmal, kurz vor der aktuellen Verleihung am Buchmessensonntag in der Paulskirche, der Artikel des Monats.
Artikel des Monats Oktober 2025:
Aristokratin und Bürgerin der Bundesrepublik
Sie war die dritte Frau und die erste Journalistin, die mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde: Marion Gräfin Dönhoff. Die damalige Chefredakteurin und spätere Herausgeberin der Wochenzeitung „Die Zeit“, eine der bedeutendsten und einflussreichsten Publizistinnen der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland, stammte aus einer ostpreußischen Adelsfamilie. Zu Beginn der 1930er Jahre hatte sie Nationalökonomie in Frankfurt studiert, um die Verwaltung der Familiengüter in Ostpreußen zu übernehmen. Der Verzicht auf ihre Heimat, aus der die Gräfin 1945 vertrieben worden war, war ihr nicht leichtgefallen. Doch sie fand in den 1960er Jahren zu einer Haltung des „Liebens, ohne zu besitzen“, und unterstützte die Neue Ostpolitik der Bundesregierung.
1971, im Jahr nach dem Abschluss des Moskauer und des Warschauer Vertrags unter faktischer Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, ging der Friedenspreis an Marion Gräfin Dönhoff. In der Verleihungsurkunde hieß es: „Als Publizistin ist Gräfin Dönhoff für eine Politik der Versöhnung eingetreten, für eine Verständigung zwischen allen Nationen in West und Ost. Kritik und Beitrag zur politischen Wirklichkeit nach dem Grundsatz der Demokratie bestimmen ihre Lebensarbeit für die Idee eines Zusammenlebens der Völker ohne Gewalt.“ Beim Festakt zur Verleihung am 17. Oktober 1971 in der Frankfurter Paulskirche verband Marion Gräfin Dönhoff ihre Rede mit dem Appell, im Warschauer Vertrag den „Anfang eines neuen Kapitels“ zu sehen: Das Kapitel werde zwar „kaum Entspannung heißen“, sagte sie, doch „vielleicht könnte man es mit ‚Friedens-Umrisse‘ überschreiben: eine Phase, in der man behutsam ein Problem nach dem anderen untersucht, gemeinsame Interessen herausschält, Konflikte entschärft und die Fragen, die unlösbar sind, einstweilen zurückstellt.“ Ein solches Vorgehen erfordere „viel Geduld und Detailplackerei“ – aber es lohne sich, dabei mitzumachen.
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Die Friedenspreisreihe des Frankfurter Personenlexikons wird in unregelmäßiger Folge fortgesetzt.
Eine andere Serie wurde im vorigen Monat im FP begonnen und widmet sich Frankfurter Rechenmeistern der frühen Neuzeit. In dieser Reihe, mit einem biographischen Artikel auf neuestem und exklusivem Stand der mathematikhistorischen Forschung, stellt sich diesmal Johann Georg Büttner vor, ein Frankfurter Schul- und Rechenmeister, der unter dem Titel „Arithmetisches Textbüchlein“ 1632 ein Rechenbuch mit gereimten Regeln und Aufgaben veröffentlichte. Das Büchlein fand breite Beachtung, auch bei anderen Rechenmeistern, und erlebte insgesamt 17 Auflagen bis 1817.
Neues aus der Frankfurter Personengeschichte ist in der aktuellen Monatslieferung außerdem über den Philosophen und Botaniker Hermann Karl von Leonhardi, den Landschaftsmaler Johann Christian Heerdt und den Gemälderestaurator Friedrich Leonhardi (in chronologischer Reihenfolge nach dem Geburtsjahr) zu erfahren.
Wie der alte Rechenmeister –
Johann Georg Büttner heißt er –
verabschiede ich mich hier und heute
mit einem Reim, Ihr lieben Leute.
Mit einem kleinen Augenzwinkern
grüßt Sie herzlichst
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. November 2025.