Der Vater Bernhard W. (1815-1877) war Schwiegersohn und Teilhaber von Ludwig Ahron Gans (1794-1871), dem die Ffter Farbengroßhandlung „
Leopold Cassella & Comp.“ gehörte.
Die Söhne Carl und
Arthur W. traten in jungen Jahren in die Firma bzw. die „Ffter Anilinfarbenfabrik Gans & Co.“ unter der Leitung ihres Onkels
Leo Gans ein. Nach dem Zusammenschluss zur „Leopold Cassella & Co.“ 1894 bekamen die Brüder W. leitende Funktionen. Um 1900 galt das Unternehmen als weltgrößter Hersteller synthetischer Farbstoffe. Das Werk an der Mainkur in Fechenheim beschäftigte damals rund 2.000 Mitarbeiter. 1904 Fusion der Cassella (unter Umwandlung in eine GmbH) mit den Höchster Farbwerken zu einem „Zweibund“, der drei Jahre später mit der Firma Kalle zum „Dreiverband“ erweitert wurde. Zugleich (1907) übernahmen die Brüder W. die Gesamtleitung der Firma. Als passionierte Reiter hatten Carl und
Arthur W. das Vollblutgestüt Waldfried (1896) gegründet, das durch seine Zucht- und Rennerfolge eines der renommiertesten in Deutschland wurde. „In Anerkennung ihrer außerordentlichen Verdienste um die Pferdezucht und den Rennsport“ wurden sie 1908 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben. 1925 wirkten die Brüder W. am Fusionsvertrag zur IG Farbenindustrie AG mit, in der sie beide als Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder vertreten waren.
Carl W. absolvierte seine kaufmännische Lehrzeit ab 1877 teilweise in der Firma „Leopold Cassella & Comp.“, in die er nach Abschluss seiner Ausbildung 1882 endgültig eintrat. 1885 Prokurist, 1892 Teilhaber und Kaufmännischer Leiter. W. betrieb die weltweite Expansion des Unternehmens.
Innerhalb kürzester Zeit gelang Carl und
Arthur W. der Aufstieg aus dem bürgerlichen Mittelstand in den Kreis der führenden Großindustriellen im Deutschen Reich. Mit ihrer jüdischen Herkunft hatten die Brüder, die beide seit 1880 evangelisch getauft waren, früh abgeschlossen. Sie bemühten sich in jeder Hinsicht um Assimilation, pflegten einen großbürgerlichen Lebensstil und suchten die Nähe zur Aristokratie. 1894 Heirat mit der Engländerin Ethel Mary, gen.
May, Villiers Forbes (1866-1937) aus dem Hause der Earls of Granard. 1898 Bau der Villa Waldfried im englischen Landhausstil südlich von Niederrad (kriegszerstört 1944). Bedeutende Kunstsammlung. Neben seinem Engagement im Pferderennsport begründete W. den Polo- und den Golfsport in Ffm. Mitglied der deutschen Delegation bei den Versailler Friedensverhandlungen 1919 und bei den Reparationsverhandlungen 1924 in London (Dawes-Plan).
In ihrem unternehmerischen Erfolg sahen die Brüder W. schon früh eine mäzenatische und soziale Verpflichtung. Wie sein
Arthur von W. machte sich auch Carl von W. als Stifter verdient um die Gründung der Ffter Universität (1914); beide Brüder förderten zahlreiche weitere kommunale Einrichtungen (u. a. Städelsches Kunstinstitut, Hallenbad, Kindergärten, Kinderdorf Wegscheide). Als Leiter der Cassella zeigten sie zudem ein beispielloses soziales Engagement für Betriebsangehörige und deren Familien (Werkswohnungen, Betriebskrankenkasse, zusätzliche Altersversorgung, Studienstipendien, Urlaubsbeihilfe).
Dem Nationalsozialismus standen die Brüder Carl und
Arthur von W. schon vor und auch in der ersten Zeit nach dessen Machtübernahme durchaus aufgeschlossen gegenüber, wobei sie die Radikalität des Regimes verkannt haben mögen. Es war für sie wohl unvorstellbar, dass man sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, die für sie selbst keinerlei Rolle mehr spielte, ausgrenzen könnte; teilweise sollen sie sogar antisemitische Haltungen angenommen haben. Offenbar teilten sie gewisse ordnungspolitische Vorstellungen der Nationalsozialisten, und möglicherweise verknüpften sie mit deren Regierungsantritt auch Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Einem amerikanischen Geschäftspartner der Firma „DuPont“ soll Carl von W. bei einem Besuch bei den IG Farben noch im Juni 1933 erklärt haben, dass der Nationalsozialismus seine volle Zustimmung finde. [Vgl. Hansert: Arthur von Weinberg (1860-1943). Text des Ausstellungskatalogs: Hansert: Philipp Franck. Vier (...) Taunuslandschaften, gemalt (...) im Auftrag von Arthur von Weinberg 2018, S. 56f.]
Nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 musste W. aufgrund seiner jüdischen Herkunft alle Wirtschaftsämter niederlegen. 1937 Tod seiner Frau May von W. (beigesetzt in der „W.kapelle“ der Niederräder katholischen Kirche „Mutter vom Guten Rat“). Nach dem Novemberpogrom 1938 Verkauf der Villa Waldfried mit dem weitläufigen Grundbesitz und der umfangreichen Kunstsammlung unter erheblichem Druck an die Stadt Ffm. Seit 1939 Exil bei seiner Schwester in Italien.
Carl von W. wurde zum Ehrendoktor der Ffter Universität (1927) ernannt und erhielt die Silberne Plakette der Stadt Ffm. (1928).
Seit 2020 Stolperstein für W. vor seinem ehemaligen Wohnsitz in der Waldfriedstraße 11 in Niederrad.
Von 2017 bis 2019 biographisches Kabinett für die Brüder
Arthur und Carl von W. in der Dauerausstellung „Frankfurt Einst?“ des HMF.
Carl-von-W.-Park mit Gedenkstein auf dem Gelände der ehemaligen Villa Waldfried. Carl-von-W.-Siedlung und die dortige Carl-von-W.-Straße im nördlichen Westend. Carl-von-W.-Schule, eine Gesamtschule, in Goldstein; dort Porträtrelief (von
Hans Bernt Gebhardt, 1961).
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 543-545,
).
Dieser Artikel wurde noch nicht abschließend für das Frankfurter Personenlexikon überarbeitet.