Sohn des Philosophen
Eduard Carl G. (1881-1934), der später den Rhein-Mainischen Verband für Volksbildung leitete und das
Schopenhauer-Archiv in Ffm. begründete, und dessen aus Nürnberg gebürtiger Ehefrau
Lilly Gertrude, geb. Hellmann (1885-1983). Die Mutter wurde in der NS-Zeit als Jüdin verfolgt und überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt, wohin sie am 19.1.1944 von Ffm. aus deportiert worden war. Die Tante, die Literaturwissenschaftlerin
Hanna Hellmann (1877-1942), wurde nach einer Denunziation von den NS-Behörden zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen und von dort 1942 in ein Vernichtungslager deportiert. Der Onkel, der Kaufmann Julius Hellmann (1876-1939), starb am 2.1.1939 im KZ Buchenwald.
Verheiratet (seit 1964) mit der Lehrerin und Künstlerin Maren G., geb. Hoff (1927-2017), Tochter des Mediziners Ferdinand Hoff (1896-1988), der trotz Kritik an seiner nationalsozialistischen Vergangenheit 1951 auf den Lehrstuhl für Innere Medizin an der Ffter Universität berufen wurde und am Universitätsklinikum die I. Medizinische Klinik leitete. Aus der Ehe von Hans Bernt und Maren G. gingen zwei Söhne hervor:
Peter Martin und
Jan Mathias G.
G. wuchs bei seinen Eltern im Röderbergweg 170 auf. Die Familie zog 1932 in eine Wohnung Auf dem Mühlberg 14 in Sachsenhausen. Danach lebte G. zeitweise in der Schloßstraße und ab 1937 mit seiner Mutter Am Leonhardsbrunn 7 in Bockenheim.
G. besuchte von 1921 bis 1924 die neu gegründete Röderbergschule, eine koedukative Reform-Volksschule, in der sein Vater Elternbeiratsvorsitzender war, und von 1924 bis 1933 das Kaiser-Friedrichs-Gymnasium (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium), wo er am 28.2.1933 das Abitur machte. Vom Sommersemester 1933 bis zum Sommersemester 1934 studierte er Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Ffm. Wegen der jüdischen Abstammung seiner Mutter wurde ihm die Zugehörigkeit zur „Deutschen Studentenschaft“ verwehrt. G., schon als Jugendlicher bildhauerisch tätig, bewarb sich mit Arbeitsproben am Städelschen Kunstinstitut, wo er sich 1934 immatrikulierte. Seine Lehrer waren die Bildhauer
Richard Scheibe und
Josef Hartwig. 1936 schuf G. eine Bronzebüste zum Gedenken an
Rudolf Geck, den langjährigen Feuilletonchef der Ffter Zeitung, der auf G.s verstorbenen
Vater einen warmherzigen Nachruf veröffentlicht hatte. Diese Porträtbüste
Gecks wurde von
Benno Reifenberg erworben und soll bis 1943 im Konferenzzimmer der FZ gestanden haben, bevor sie im Krieg verlorenging. Eine um dieselbe Zeit entstandene Büste
Reifenbergs von G. befindet sich seit 1995 als Dauerleihgabe in der Sammlung des Städel Museums.
Als sogenannter „Mischling ersten Grades“ war G. am Städel zahlreichen Repressionen ausgesetzt: Er hatte Ausstellungsverbot, durfte im Schulatelier kein Porträt seiner jüdischen Mutter anfertigen, und der in Ffm. ansässige Gipsgießer nahm keine Aufträge mehr von ihm an. Herbert Garbe, ein „Parteigenosse“, der 1936 die Leitung der Bildhauerklasse übernommen hatte, setzte ihm dann im April 1938 ein Ultimatum zum Verlassen der Kunsthochschule innerhalb von acht Tagen. G., dessen Onkel zu dieser Zeit bereits Opfer der NS-Verfolgung geworden war, ging im Frühjahr 1939 nach Frankreich ins Exil, wo er in Paris an der École des Beaux-Arts studierte. Dort befreundete er sich mit dem Bildhauer Charles Despiau und hatte kurze Begegnungen mit Pablo Picasso, Marc Chagall und mit Aristide Maillol, den er 1942 auf der Arno-Breker-Ausstellung in der Pariser Orangerie traf. Bei Kriegsausbruch kam G. als angeblicher deutscher Spion für fünf Monate in Haft; danach meldete er sich freiwillig zum Arbeitsdienst und floh beim Vormarsch der Wehrmacht 1940 in das unbesetzte Frankreich, kehrte aber später wieder nach Paris zurück. Dort nahm er im Hotel „Majestic“ Kontakt zu Bernhard von Tieschowitz (1902-1968) auf, einem Mitarbeiter des Kunstschutzes, der später (ab 1942) nach Entlassung von Franz Graf Wolff-Metternich (1893-1978) als dessen Stellvertreter den Kunstschutz in Paris leitete. Unter der Protektion von Tieschowitz war G. zeitweise für den Kunstschutz tätig, hatte im 14. Arrondissement ein kleines Atelier und verkehrte in deutsch-französischen bildungsbürgerlichen Kreisen. In diesem Zusammenhang fanden Begegnungen mit Ernst Jünger statt (vgl. Erwähnungen G.s in Jüngers Autobiographie „Strahlungen“, 1949). Mithilfe eines vom Kunstschutz ausgestellten Dienstausweises reiste G. 1941 nach Ffm. und besuchte seine Mutter, wurde dort aber denunziert, zur Fahndung ausgeschrieben und verlor seine deutsche Staatsangehörigkeit. Ende 1943 lehnte er eine zweite Reise nach Ffm. als zu gefährlich ab. Danach lebte er mit seiner Freundin Gräfin Madeleine Bariatinsky, einer Journalistin, unter falscher Identität in der französischen Provinz bei Angers. 1947 kehrte G. nach Paris zurück, wo er ein Atelier in der Rue Didot, unweit des Gare Montparnasse, hatte. Ein Versuch, die Mutter nach ihrer Rückkehr aus Theresienstadt zu einem dauerhaften Aufenthalt in Frankreich zu bewegen, scheiterte.
1950 erwarb das Kulturamt der Stadt Ffm. von G. (der sich damals Harry G. nannte) eine Bronzebüste des Ffter Historikers
Friedrich Bothe (Verbleib der Büste unbekannt). Um 1951/52 arbeitete G. an einer Büste des Mediziners Ernst Marx (1870-1951), des Ehrenpräsidenten der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft (Verbleib der Büste unbekannt, wobei unklar ist, ob sie überhaupt fertiggestellt und verkauft wurde). Im Juni 1952 beteiligte sich G. erstmals nach seiner Flucht an einer Ausstellung in Deutschland: In der Schau „Bildhauer der Gegenwart“ im Ffter Kunstverein war er mit Skulpturen und Porträtzeichnungen vertreten, und das Städel kaufte zwei seiner Zeichnungen an. 1953 erwarb der Ffter Unternehmer
Alfred Teves für den Garten des Verwaltungsgebäudes im Zweigwerk seines Unternehmens in Gifhorn eine (bis heute vor Ort erhaltene) überlebensgroße Bronzestatue, die zuvor im „Salon d’Automne“ in Paris gezeigt worden war. Im Rahmen des Wiederaufbaus der im Krieg zerstörten Ffter Katharinenkirche wurde G. ebenfalls 1953 von der Stadt Ffm. zur Teilnahme an einem beschränkten Wettbewerb zur Ausgestaltung des Altarraums eingeladen. 1955 schuf er für die Matthäuskirche in Ffm. fünf bronzene Kanzelreliefs mit der Darstellung des Christusmonogramms und der vier Evangelisten, gestiftet von einem Ffter Industriellen.
1957 nahm G. seinen Hauptwohnsitz wieder in Ffm., wo seine Mutter lebte und er noch viele Freunde hatte. In Eschersheim in der Niedwiesenstraße 8 baute er sich die Umkleidekabinen und das ehemalige Wirtschaftsgebäude eines Nidda-Flussbads zum Atelier und Wohnhaus um. G.s Atelier wurde zum beliebten Treffpunkt von Künstlern, Philosophen und Musikern. G. spielte hervorragend Flöte und veranstaltete häufig Hauskonzerte, u. a. mit dem Pianisten Michael Ponti (* 1937), und Lesungen mit dem rumänischen Schriftsteller Petru Dumitriu (1924-2002). Auf Einladung der Stadt Ffm. beteiligte sich G. 1959 an dem beschränkten Wettbewerb zur Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus an der Paulskirche. Bei der Ausschreibung zur Errichtung eines Ehrenmals auf dem Höchster Friedhof 1963 erhielt er den dritten Preis. 1967 hatte er seine erste Einzelausstellung (mit Monotypien, Metallbildern, Porträtbüsten im evangelischen Gemeindesaal in Gravenbruch). Aufgrund eines Arbeitsunfalls Ende der 1960er Jahre litt G. an einer fortschreitenden Schwerhörigkeit.
Im Herbst 1976 gehörte G. zu den elf Künstlerinnen und Künstlern (davon acht Malerinnen und Maler, u. a.
Georg Heck, sowie drei Bildhauer), die die neue Gruppe „Ffter Kreis“ bildeten. Er beteiligte sich an den Gruppenausstellungen des „Ffter Kreises“ in Ffm., so im November 1976 in der Galerie Hubert im Technischen Rathaus, im November 1977 im Refektorium des Karmeliterklosters, im Oktober 1979 im Wandelgang der Paulskirche und im Mai 1982 in Kooperation mit Künstlern aus Fft.s Partnerstadt Lyon mit Arbeiten zum Thema „
Goethe“ in der Paulskirche. Weitere Einzelausstellungen: Kirche St. Markus in Nied (1983), Galerie „Weingeist“ in Heddernheim (mit einer Eröffnungsrede des mit G. befreundeten Ffter Anglisten Helmut Viebrock, 1989), Galerie Ursel Steinacker in Koblenz (aus Anlass von G.s 75. Geburtstag, 1990), Heussenstammstiftung (1991) u. a. Zu G.s Freundeskreis gehörten der Rechtswissenschaftler
Helmut Coing (1912-2000), der Bildhauer Hermann zur Strassen (1927-2019) und der Kulturreferent Rudi Seitz (1930-2002).
Ab 1947 Mitglied im „Salon d’Automne“ in Paris. Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler. Langjähriges aktives Mitglied im Ortsverein Ffm. des Deutschen Schwerhörigenbunds.
G. konnte zu seinem Leidwesen wegen der politischen Verhältnisse weder am Städel noch an der École des Beaux-Arts seine künstlerische Ausbildung beenden und vervollkommnen. Er war spezialisiert auf Porträtbüsten, insbesondere Kinderdarstellungen, und Porträtreliefs. Seine Vorbilder waren Aristide Maillol und Wilhelm Lehmbruck.
Weitere Werke im öffentlichen und halböffentlichen Raum in Ffm.: Gedenktafel für Anne Frank am ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Ganghoferstraße 24 am Dornbusch (1957), „Kranichbrunnen“ im Park des Bürgermeister-Gräf-Hauses im Hühnerweg 22 in Sachsenhausen (Bronzeguss, 1957/58), Bronzebüsten von
Hugo Sinzheimer und Theodor Thomas in der Europäischen Akademie der Arbeit in Ffm. (1958), Weltkarte im Goethe-Gymnasium in der Friedrich-Ebert-Anlage 24 (Relief aus dunklem Granit, 1959), Porträtrelief von Carl von Weinberg für die nach ihm benannte Schule (1961), Porträtbüste von
Fritz Tarnow für das nach ihm benannte Studentenwohnheim am Dornbusch (1962), Brunnen für den neugestalteten Rosengarten im Palmengarten (gestiftet vom Kaufhaus M. Schneider anlässlich seines 75. Jubiläums, 1962; abgeräumt in den 1980er Jahren), Gedenktafel für
Philipp Jakob Spener an der Paulskirche (Bronzerelief, entstanden im Auftrag der Stadt Ffm. und des Evangelischen Regionalverbands, 1980), Gedenkplakette für
Richard Lucae im Foyer der Alten Oper (Bronze, 1983), Relief zur Darstellung des Taufgeschehens im Altarraum in der Markuskirche in Bockenheim (1984; nach Umbau der Markuskirche zum Zentrum Verkündigung 2004-05 nicht mehr vor Ort vorhanden), Porträtbüste des Philosophen
Bruno Liebrucks (entstanden im Auftrag des Landes Hessen, 1986; heute im Zentrum Geisteswissenschaften der Goethe-Universität in Ffm.), Gedenktafel für
Leo Frobenius an dessen ehemaligem Wohnhaus am Untermainkai 4 (entstanden im Auftrag der Frobenius-Gesellschaft, 1988) u. a. Werke in öffentlichen Sammlungen und in Privatbesitz, u. a. im Städel Museum und in der Sammlung Gierig.
Verfasser autobiographischer Erzählungen, erschienen u. a. als Sammlung „Autogeschichten“ (hg. v. Deutschen Schwerhörigenbund, Ortsverein Ffm., 1992) und posthum in einer Auswahl von drei Kurzgeschichten in einer biographischen Broschüre zum 100. Geburtstag (hg. v. Bernd Goldmann, 2015).
1991 Preis der Heussenstammstiftung.
Beigesetzt in der Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann F 1242).
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