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Böhm, Franz

Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft.

Franz Böhm

Franz Böhm bei einer öffentlichen Fragestunde des CDU-Stadtkreisverbands Ffm. im Volksbildungsheim am 24.4.1957
Fotografie (1957; Ausschnitt).

© Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 1466).
Böhm, Franz Josef Emil. Prof. Dr. jur. Dr. jur. h. c. Dr. rer. pol. h. c. Jurist. Politiker. * 16.2.1895 Konstanz, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 26.9.1977 Rockenberg, begraben auf dem Ffter Hauptfriedhof.
B. stammte aus einer höchst angesehenen Karlsruher Familie. Sein Vater war badischer Kultusminister.
Abitur in Karlsruhe. Von 1914 bis 1918 Kriegsteilnahme an allen Fronten, zuletzt in Palästina. Von 1919 bis 1922 Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg. 1924 zweites Staatsexamen und Berufsbeginn in der Justiz. Von 1925 bis 1931 Referent in der Kartellabteilung des Reichswirtschaftsministeriums. Seit 1926 verheiratet mit Marietta B., geb. Ceconi (1899-1978), der Tochter von Ricarda Huch; aus der Ehe stammt ein Sohn, Alexander B. (1929-2006), späterer Professor für Straf- und Strafvollzugsrecht. 1931 Wechsel an die Universität Freiburg. 1932 Promotion. 1933 Habilitation für Handels- und Wirtschaftsrecht. B., von Anfang an in Konflikt mit dem Nationalsozialismus, ging 1936 nach Jena, wo das Regime aber 1938 (nach Denunziation und mehreren Verfahren) seine Lehrtätigkeit blockierte. B. hatte enge Beziehungen zum Widerstand, u. a. zum Kreis um Carl Friedrich Goerdeler, und wurde nach dem 20. Juli 1944 nur durch Namensverwechslung gerettet. Ende April 1945 kehrte B. als Professor und Prorektor nach Freiburg zurück. 1946 folgte er der Berufung zum ordentlichen Professor für Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Ffm. 1947 kamen seine Familie und Ricarda Huch von Jena in den Westen. An der Ffter Universität lehrte B. bis zu seiner Emeritierung 1962.
Zusammen mit Walter Hallstein und Helmut Coing ist Franz B. eine der markantesten Gestalten der frühen Bundesrepublik. Sein Lebensthema war die sachgerechte staatliche Begrenzung wirtschaftlicher Macht unter Erhaltung des freien Wettbewerbs. In diesem Sinn hat er (zusammen mit Walter Eucken und Hans Großmann-Doerth) den Freiburger Ordoliberalismus im Kartell- und Wettbewerbsrecht praktisch umgesetzt. Die Grundgedanken wurden vor 1933 entwickelt und avancierten nach 1945 zum theoretischen Grundbaustein der (demokratischen und liberalen) sozialen Marktwirtschaft. 1945/46 kurzzeitig Kultusminister in der ersten hessischen Regierung (unter Karl Geiler), dann zweimal (1947 und 1954) Dekan der Juristischen Fakultät und 1948/49 Rektor der Universität, begann B. – neben der intensiven Aufbauarbeit an der Universität und in zahlreichen Gremien – eine politische Karriere. Er leitete die deutsche Delegation bei den Verhandlungen mit Israel (1952) mit dem Ergebnis des Luxemburger Abkommens zur „Wiedergutmachung“. Als direkt gewählter Abgeordneter der CDU gehörte er von 1953 bis 1965 dem Bundestag an, in dem er vor allem das umstrittene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 (GWB) durchsetzte.
Mitbegründer (1949) und erster Vorsitzender (1949-71) der „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ in Ffm. sowie Mitinitiator des Deutschen Koordinierungsrats der „Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ (1949). Von 1951 bis 1969 Vorstandsvorsitzender der von ihm mitbegründeten Stiftung „Institut für Sozialforschung“, in deren Stiftungsrat er später zum Ehrenmitglied ernannt wurde.
Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Stephen-S.-Wise-Preis (1955; den damit verbundenen Geldbetrag in Höhe von 4.200 Mark stiftete B. der Ffter Jüdischen Gemeinde zur Förderung ihres kulturellen Lebens), Goetheplakette der Stadt Ffm. (1960), Freiherr-vom-Stein-Preis (1970), Alexander-Rüstow-Plakette der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (1970) und Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1975).
Festschriften zum 70. Geburtstag („Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung“, hg. v. Helmut Coing, Heinrich Kronstein und Ernst-Joachim Mestmäcker, 1965) und zum 80. Geburtstag („Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung“, hg. v. Heinz Sauermann und Ernst-Joachim Mestmäcker, 1975).
Franz-B.-Schule, eine berufliche Schule für Wirtschaft und Verwaltung, am Dornbusch.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Michael Stolleis.
Artikel in: Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 84, verfasst von: Sabine Hock.

Literatur:
                        
Diestelkamp, Bernhard/Stolleis, Michael (Hg.): Juristen an der Universität Ffm. Baden-Baden 1989.Rudolf Wiethölter in: Diestelkamp/Stolleis (Hg.): Juristen 1989, S. 208-252; dort alle Literaturnachweise bis 1989, Anm. 1. | Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule. Bd. I: 1914 bis 1950. Neuwied/Ffm. 1989.Hammerstein: JWGU I 1989, bes. S. 764-767. | Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. Band II: Nachkriegszeit und Bundesrepublik 1945-1972. Göttingen 2012.Hammerstein: JWGU II 2012. | 100 Jahre Rechtswissenschaft in Fft. Erfahrungen, Herausforderungen, Erwartungen. Hg. v. Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Ffm. Ffm. 2014.Pahlow, Louis: Die Entzauberung des Ordoliberalismus. In: Hundert Jahre Rechtswissenschaft in Fft. 2014, S. 395-408. | 100 Jahre Rechtswissenschaft in Fft. Erfahrungen, Herausforderungen, Erwartungen. Hg. v. Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Ffm. Ffm. 2014.Teubner, Gunther: Wirtschaftsverfassung oder Wirtschaftsdemokratie? Franz Böhm und Hugo Sinzheimer jenseits des Nationalstaats. In: Hundert Jahre Rechtswissenschaft in Fft. 2014, S. 519-534. | Kaff, Brigitte (Bearb.): Franz Böhm. Beiträge zu Leben und Wirken. [Hg. v. Archiv für Christlich-Demokratische Politik.] Melle 1980.Kaff (Bearb.): Franz Böhm 1980. | Kleinheyer, Gerd/Schröder, Jan (Hg.): Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft. 5. Aufl. Heidelberg 2008.Knut Wolfgang Nörr in: Kleinheyer/Schröder: Juristen 2008, S. 486f. | Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm. Red.: Martin Lambert. Krefeld 1995. (Ludwig-Erhard-Stiftung: Symposion 34).Ludwig-Erhard-Stiftung: Wirtschaftsordnung als Aufgabe 1995. | Mestmäcker, Ernst-Joachim: Bausteine zu einer Wirtschaftsverfassung: Franz Böhm in Jena. [Hg. v. Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen.] Jena 1996. (Lectiones Jenenses 4).Mestmäcker: Bausteine zu einer Wirtschaftsverfassung 1996. | Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Hg.: Hessische Landeszentrale für politische Bildung. Wiesbaden [1995]. (Kleine Schriftenreihe zur hessischen Landeskunde 4).Zulauf, Jochen: Die hessischen Kultusminister der Nachkriegszeit (...). In: Republik, Diktatur u. Wiederaufbau. Hess. Persönlichkeiten d. 20. Jh.s 1995, S. 99f. | Schiedermair, Ulrike/Setzepfandt, Christian: Die Wiese auf dem Ffter Hauptfriedhof. Neujahrsgruß 2018 (...). Ffm. [Copyright 2017].Schiedermair/Setzepfandt: Die Wiese auf dem Ffter Hauptfriedhof 2018, S. 22f. | Schwab, Dieter u. a. (Hg.): Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat. Berlin 1989.Hollerbach, Alexander: Wissenschaft und Politik: Streiflichter zu Leben und Werk Franz Böhms (1895-1977). In: Schwab u. a. (Hg.): FS Paul Mikat 1989, S. 283-299.
Quellen: Bundesarchiv (BArch) Berlin.Bundesarchiv Berlin, Sign. R 3001/52107 (Personalakte Franz Böhm). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/2.132. | Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Sankt Augustin/Berlin.Nachlass: Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin. | Universitätsarchiv Ffm. (UAF), Archiv der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Ffm.Universitätsarchiv Ffm., Personal-, Dekanats- und Rektoratsakten.
Internet: Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. http://www.lagis-hessen.de/pnd/118512471Hess. Biografie, 21.5.2015. | Tabula Rasa, Zeitung für Gesellschaft und Kultur, München. http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_6234/
Hinweis: Sebastian Sigler: Franz Böhm – wie einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft der Gestapo entkam. Erschienen in: Tabula Rasa, Nr. 109 (3/2015).
Tabula Rasa, 21.5.2015.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_B%C3%B6hmWikipedia, 12.5.2015.

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Empfohlene Zitierweise: Stolleis, Michael: Böhm, Franz. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1817

Stand des Artikels: 31.1.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2015.