L. entstammte den kleinen, fast ärmlichen Verhältnissen der hessisch-pfälzischen Landjudenschaft. Verheiratet in erster Ehe (seit 1910) mit Elisabeth L., geb. Dentz (1877-1925), Tochter eines Zahnarztes aus Amsterdam, in zweiter Ehe (seit 1927) mit Christiane L., geb. Merens (1881-1960), Tochter eines Finanzbeamten aus Haarlem/Holland.
Von 1877 bis 1886 Besuch des Mannheimer Gymnasiums. Von 1886 bis 1890 Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Heidelberg, München und Berlin. Der Laufbahn des Staatsbeamten, die ihm seine exzellenten Examina eröffneten, standen gesellschaftliche Vorurteile in der badischen Justizverwaltung im Wege. L. trat in den Kommunaldienst ein und wurde städtischer Jurist, dann persönlicher Referent des Oberbürgermeisters in Mannheim und 1898 Stadtsyndikus. Seine politische Heimat fand L. bei jenem typisch süddeutschen Liberalismus, für den zu Beginn des Jahrhunderts
Friedrich Naumann und später
Theodor Heuss standen: gesellschaftskritisch, weltoffen der Vernunft und der Toleranz zugewandt, fortschrittsgläubig und bisweilen experimentierfreudig, zugleich aber an den Bildungswerten des deutschen Idealismus orientiert. Nach dem Tod der Eltern (1915/16) trennte sich L., der von jeher der Religion gleichgültig gegenübergestanden und seine Zugehörigkeit zum Judentum als ein Relikt seiner niederen sozialen Abkunft empfunden hatte, von der israelitischen Gemeinde.
L. verließ Mannheim, um zunächst Stadtrat in Ffm. zu werden. Am 26.10.1916 wurde er in Ffm. mit 40 von 51 Stimmen zum Dezernenten für Wirtschaft, Verkehr und Wohnungswesen gewählt, und am 16.1.1917 wurde er in das Amt eingeführt. In Mannheim hatte er erlebt, wie die Initiative einer planmäßig arbeitenden Verwaltung bis zu einem gewissen Grad wirtschaftliche Standortnachteile und Konjunkturrückschläge ausgleichen konnte. In Ffm. erkannte er die wachsende Gefahr einer schleichenden Rezession. L. entwickelte nun in sorgfältigen Denkschriften zur Wirtschaftspolitik, zum Wohnungsbau und Siedlungswesen der Stadt eine weitsichtige kommunalpolitische Konzeption. Am 2.10.1924 wurde L., seit 1919 Mitglied der DDP, zum Oberbürgermeister gewählt. Er löste damit seinen Parteifreund
Georg Voigt ab. Man wünschte für Ffm. eine energischere und dynamische Führungskraft. Bei seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister am 18.11.1924 hatte der bisherige Verkehrs- und Wirtschaftsdezernent die Weichen bereits gestellt: Die Ffter Internationalen Messen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert eingeschlafen waren, brachten seit 1919 den Handel wieder in Gang. Neue Wohnungsbaugesellschaften waren gegründet, die Pläne für die Errichtung von Sportstätten, Schulen und Krankenanstalten lagen baureif in den Schubladen. Gleichfalls abgeschlossen waren die Vorbereitungen für eine Großmarkthalle.
Vor allem aber wollte L. Raum schaffen für die Niederlassung neuer industrieller Unternehmen. Bereits drei Wochen nach seinem Amtsantritt berief L. eine Eingemeindungskommission. Sie sollte die Gebietserweiterung für die Anlage weitläufiger industrieller Produktionsstätten vorbereiten. Natürlich sollten auch die Betriebe der chemischen und metallverarbeitenden Industrie, die sich einst aus Raummangel und wegen der restriktiven städtischen Gewerbegesetzgebung ins ländliche Umland geflüchtet hatten, in den Steuerbereich Fft.s zurückgeholt werden. Unter L. wurden 1926 Fechenheim im Osten, 1928 Griesheim, Nied, Sossenheim, Schwanheim und Höchst im Westen nach Ffm. eingemeindet. Der gesetzliche Vollzug dieser Eingemeindungen am 1.4.1928 machte Ffm. flächenmäßig zur damals drittgrößten Stadt Deutschlands. Allmählich war auch der Ring der modernen Wohnsiedlungen erkennbar, der in den Vororten Niederrad, Westhausen, Praunheim, in der Römerstadt und am Bornheimer Hang heranwuchs. „Neue Bahnen in der Siedlungspolitik“ hatte L. in seiner Antrittsrede versprochen und dabei an die planmäßige Umsiedlung der Menschen aus den engen, verelendeten Altstadtquartieren in großzügige, lichtdurchflutete Neubaugebiete gedacht. Unter der Leitung von
Ernst May, den L. als Stadtbaudezernenten nach Ffm. geholt hatte, entstanden binnen dreier Jahre mehr als 8.000 Wohnungen. Sie waren der sichtbare Ausdruck von L.s programmatisch gefordertem „Neuem Fft.“.
Großes Engagement entwickelte L. im Preußischen und Deutschen Städtetag. Hier unterstützte er alle Bestrebungen, die die Lage der Städte durch eine Reform der Weimarer Verfassung verbessern wollten. Insbesondere stand ihm eine Neugliederung Deutschlands nicht mehr nach Ländern, sondern nach Wirtschaftsprovinzen vor Augen. Gegen die überkommene territoriale Einteilung in Südhessen führte L. die Idee eines rhein-mainischen Wirtschaftsbezirks mit der Zentrale Ffm. ins Feld, der eine weiträumige und grenzüberschreitende Regionalplanung ermöglichte. Ffm. sollte als der entscheidende Verkehrsmittelpunkt für ganz Südwestdeutschland vor allem sämtliche überregionalen und europäischen Verkehrslinien an sich binden. Am 6.11.1926 kam es im Ffter Römer und unter L.s Schirmherrschaft zur Gründung eines eingetragenen Vereins zur Vorbereitung der Autostraße Hamburg – Ffm. – Basel. Dies war die eigentliche Geburtsstunde der deutschen Autobahnen. Ebenfalls 1926 konnte der Flugbetrieb am Rebstock aufgenommen werden. Gleichzeitig rief L. mit der „Südwestdeutschen Luftverkehrs AG“ eine regionale Fluggesellschaft ins Leben.
Um 1928 stand L. auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. In die Würdigungen zu seinem 60. Geburtstag mischten sich erste kritische Stimmen. Man begrüßte, dass seine „aktive Politik“ der Ffter Wirtschaftskurve wieder aufsteigende Tendenz verlieh. Kritisiert wurden insbesondere die städtischen Wirtschaftsbetriebe und die Kulturausgaben. 1927 hatte der „Sommer der Musik“ mit einem großen Finanzdefizit geendet. Die Ausstellung „Musik im Leben der Völker“ hatte eine repräsentative Bilanz des Musikschaffens der Welt geboten, Publikumszuspruch aus ganz Europa gefunden. Zwei Monate lang wurden täglich mehrere Konzerte geboten. Den Kritikern, die die Kosten vorrechneten, erklärte L., dass sich noch nie eine Stadt „emporgeknausert“ habe. Kulturelle Aktivitäten und innere Besinnung seien „notwendig zur Aufrechterhaltung des tätigen Lebens, um das Leben fernerhin lebenswert zu machen“. L. meinte dies nicht idealistisch, sondern dachte ganz volkswirtschaftlich und pragmatisch. Bildungsstätten, Kultureinrichtungen, Sportanlagen und sinnvolle Freizeitgestaltung waren für ihn Produktivfaktoren einer Gesellschaft. Mit den Vorboten der Weltwirtschaftskrise mehrten sich die Anzeichen, dass die politische Mehrheit, die L. in der Stadtverordnetenversammlung bislang gestützt hatte, der Auflösung entgegenging. Die Sozialdemokraten nahmen Anstoß daran, dass er die Wirtschaftsunternehmen der Stadt rein privatwirtschaftlich führte. Wo es ging, hatte L., um die Betriebe der politischen Einwirkung durch das Parlament zu entziehen, die Rechtsform der Aktiengesellschaft durchgesetzt.
Nach der Kommunalwahl im März 1933 vertrieben die Nationalsozialisten L. aus seinem Amt. Angesichts des SA-Terrors rieten ihm Freunde zur Versetzung in den Ruhestand, um die er am 11. März nachsuchte. Umgehend verließ er Ffm. und ging nach Berlin, wo er hoffte, in der Anonymität der Millionenstadt Schutz zu finden. Kurz nach der Ankunft warf ihn ein Herzanfall nieder. Am 26.6.1933 beschloss der Ffter Magistrat unter dem Druck der NSDAP, die Pensionszahlungen einzustellen: Der „Jude Landmann“ habe durch seine größenwahnsinnige Wirtschaftsführung der Stadt ungeheure Lasten aufgebürdet, für die er nach der nationalsozialistischen Auffassung vom Führertum die alleinige Verantwortung trage. Im November 1933 musste die Stadt auf Anweisung der Kommunalaufsicht die Ruhegehaltsbezüge jedoch wieder auszahlen. Dennoch geriet L. binnen weniger Jahre in materielle Not. Krankheiten und die „Judenvermögensabgabe“ zehrten sein bescheidenes Vermögen auf. Kurz vor Kriegsbeginn verließ er, nach Entrichtung der „Reichsfluchtsteuer“ ausgeplündert und nahezu mittellos, Deutschland. In der niederländischen Heimat seiner Frau fand er Zuflucht. Als nach dem deutschen Einmarsch im Mai 1940 mehrfach die Deportation drohte, verbargen ihn Freunde und Nachbarn. Kurz vor Kriegsende starb L. am 5.3.1945 an Herzmuskelschwäche und Unterernährung im niederländischen Voorburg.
Der sachlich-nüchterne Arbeitsstil Ludwig L.s war jeder persönlichen Repräsentation abhold. Wem die Massenwirkung abgeht, fehlt leicht auch die Anerkennung der Geschichte. Mag sein, dass deshalb die Erinnerung an L. in Ffm. lange verblasst war. Dabei hat er wie keiner seiner Vorgänger und Nachfolger im Amt Fft.s Entwicklung mit fast visionärer Kraft und einem erstaunlichen Gespür für technisch-wirtschaftliche Möglichkeiten vorausgeplant und durch grundsätzliche Entscheidungen vorangetrieben.
Ehrendoktorwürde der Universitäten Heidelberg (1917) und Ffm. (1928).
Porträt (von
Wilhelm Runze, 1953) in der Galerie der Oberbürgermeister vor dem Ludwig-L.-Saal (Magistratssitzungssaal) im Römer.
Gedenktafel (von Günter Maniewski, 1998) an L.s Wohnhaus am Schaumainkai 7, wo L. während seiner gesamten Ffter Zeit (1917-33) lebte. Im Sommer 1987 wurden L.s sterbliche Überreste auf Magistratsbeschluss in ein Ehrengrab auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann A 290) überführt.
Ludwig-L.-Straße durch die „
May-Siedlungen“ Westhausen und Praunheim. Der Magistratssitzungssaal im Römer wurde 2021 „Ludwig-L.-Saal“ benannt. „Ludwig-L.-Preis für Mut und Haltung“, gestiftet 2019 und erstmals verliehen 2021 von der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums Fft.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 438-440,
(redigierte Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon).