Es ist nur ein kurzer Aufenthalt B.s in Ffm., allerdings unter dramatischen Umständen, nachgewiesen. Ende Juli 1834 war die revolutionäre Flugschrift „Der Hessische Landbote“, die der damalige Gießener Student Georg B. zusammen mit dem Butzbacher Lehrer und Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig (1791-1837) verfasst hatte, fertig gedruckt. Aufgrund von Denunziationen lief sofort nach Auftauchen der ersten Exemplare die von der Bundeszentralbehörde in Ffm. koordinierte Fahndung nach der Herkunft des „staatsgefährdenden“ Werks an. Am Abend des 1.8.1834, einem Freitag, wurde ein Kurier des „Landboten“, der Student Karl Minnigerode (1814-1894), mit einem beträchtlichen Teil der Gesamtauflage verhaftet, als er das Gießener Stadttor passieren wollte. B., der unverzüglich davon erfahren haben muss, brach kaum eine halbe Stunde später zu einem nächtlichen Fußmarsch nach Butzbach und weiter nach Offenbach auf, um alle Beteiligten zu warnen. Am folgenden Tag erreichte er gegen Mittag in Offenbach die Drucker des „Landboten“, u. a. Carl Preller, der gerade noch rechtzeitig alle Spuren verwischen konnte. Von Offenbach aus ging B. nach Ffm., da er als Vorwand für seine Tour den Zufall nutzte, dass sein Straßburger Studienfreund Eugène Boeckel (1811-1896) auf einer Deutschlandreise in Ffm. Station machte und ihn brieflich dorthin eingeladen hatte. Zunächst besuchte B. in der Töngesgasse einen Vetter des Vaters, den Pfarrer
Karl Christian Becker, und dessen Frau Maria Dorothea, geb. Meuller (1797-1874), bei denen er übernachtete. Am nächsten Mittag traf B. seinen Freund Boeckel im Gasthaus „Zum Schwanen“ im Steinweg. Noch aus Ffm. schrieb er am selben Tag (3.8.1834) einen harmlos klingenden Brief an die Eltern in Darmstadt, in dem er – auch in dem Bewusstsein, dass seine Post von den Behörden gelesen werden könnte – seine späteren, dem Alibi dienenden Aussagen gegenüber dem Untersuchungsrichter schon vorformulierte. Abends verließ er Ffm. und kehrte mit Übernachtungen in Vilbel und Butzbach nach Gießen zurück, wo er am 5.8.1834, einem Dienstag, ankam. Dort fand er sein Zimmer nach einer Haussuchung versiegelt und sprach daraufhin bei dem zuständigen Universitätsrichter Conrad Georgi (1799-1857) vor, der entgegen einem bereits vorliegenden Haftbefehl auf eine Festnahme B.s verzichtete, da dieser „sich gewiß nicht gestellt haben würde, wenn er sich nicht sicher wüßte“.
Von Bedeutung war Ffm. für B. vor allem als Presse- und Verlagsstandort. So erschien B.s „Danton’s Tod“ erstmals in dem von
Karl Gutzkow herausgegebenen „Literatur-Blatt“ zur Zeitschrift „Phönix. Frühlings-Zeitung für Deutschland“ in Ffm. Am 21.2.1835 hatte der Autor das Manuskript dieses Dramas, das er gerade „in höchstens fünf Wochen“ in seinem Darmstädter Elternhaus heimlich niedergeschrieben hatte, an den Verleger
Johann David Sauerländer in Ffm. geschickt und einen weiteren Brief an den Schriftsteller und „Phönix“-Mitredakteur
Karl Gutzkow beigelegt. Auf Empfehlung
Gutzkows nahm der Verleger das Drama am 25.2.1835 gegen ein Gesamthonorar von 100 Gulden an. Ein persönliches Treffen zur Textredaktion, das
Gutzkow vorschlug, lehnte B. angesichts der gegen ihn laufenden Untersuchungen als zu gefährlich ab. Er sei „in Eile“, weshalb
Gutzkow allein den „Danton“ mit Rücksicht auf die Zensur „bereinigen“ solle. Kurz darauf, Anfang März 1835, floh B. nach Straßburg. Vom 26.3. bis 7.4.1835 erschien „Danton’s Tod“ als Vorabdruck (in Auszügen) in der bei
Sauerländer verlegten Zeitschrift „Phönix“. Anfang Juli 1835 ließ
Sauerländer die Buchausgabe (in einer Auflage von etwa 400 Exemplaren) folgen; deren Untertitel „Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ hatte der „Phönix“-Chefredakteur Eduard Duller beigesteuert. Die redaktionelle Bearbeitung des Dramentexts, die für Vorabdruck wie Buchausgabe verlagsintern durch
Sauerländer und vor allem durch
Gutzkow vorgenommen worden war, „um dem Censor nicht die Lust des Streichens zu gönnen“ (so
Gutzkow), missfiel nicht nur dem Autor; auch
Gutzkow bezeichnete das Ergebnis selbstkritisch als „die Ruine einer Verwüstung“. Die Resonanz auf das Werk in der Presse war relativ groß. Im Ffter Konversationsblatt vom 4.9.1835 reagierte Karl Baur, der frühere Deutschlehrer B.s am Darmstädter Gymnasium, mit dem Gedicht „Rezept aus der neuesten ästhetischen Küche“ kritisch auf das Drama seines ehemaligen Schülers.
Bald nach der Erstveröffentlichung von „Danton’s Tod“ im „Phönix“, wohl noch im April 1835, erhielt B. einen Auftrag
Sauerländers, den er Anfang Mai akzeptierte: Er übersetzte in den folgenden Wochen, etwa bis Ende Juni 1835, zwei Dramen („Lucrèce Borgia“ und „Marie Tudor“) für eine bei
Sauerländer erscheinende und zunächst von
Gutzkow organisierte Ausgabe „Sämmtlicher Werke“ von
Victor Hugo. Dafür erhielt er wiederum ein Honorar von 100 Gulden, wodurch er sich seinen Lebensunterhalt in Straßburg zu sichern versuchte. Um dieselbe Zeit, im Juni 1835, erschien dreimal ein Steckbrief gegen B. wegen Verdachts der „Theilnahme an staatsverrätherischen Handlungen“ im Ffter Journal. Anfang Oktober 1835 kamen B.s Übersetzungen als Band VI der
Sauerländer’schen
Hugo-Ausgabe (insges. 19 Bde., 1835-42) heraus.
Einige Monate nach B.s Tod, zu Anfang Juni 1837, veröffentlichte
Gutzkow einen Nachruf im „Ffter Telegraph“, der als die erste bedeutende Würdigung B.s gilt. In seinem – mittlerweile in Hamburg herausgegebenen – „Telegraph für Deutschland“ publizierte
Gutzkow im Mai 1838 Auszüge aus „Leonce und Lena“ als Fortsetzungsdruck, im Januar 1839 das „Lenz“-Fragment, wofür er beide Texte von B.s Braut Wilhelmine Jaeglé zur Verfügung gestellt bekam.
B.s „Nachgelassene Schriften“ (hg. v. seinem Bruder Ludwig B. in Verbindung mit den anderen Geschwistern, 1850) und erstmals „Sämmtliche Werke“ (hg. v. Karl Emil Franzos, 1879) wurden bei
Sauerländer in Ffm. verlegt. Einen Neudruck des „Hessischen Landboten“ veröffentlichte der B.-Herausgeber Karl Emil Franzos am 17./18.11.1877 in der FZ.
Porträtzeichnung (von August Hoffmann, 1834), im Original zuletzt im Familienbesitz, bei dem Bombenangriff auf Darmstadt am 11./12.9.1944 vernichtet. Diese Zeichnung diente als Vorlage für einen Holzstich (erschienen in der sozialdemokratischen Zeitschrift „Die Neue Welt“, 1876) und einen Stahlstich (von Anton Limbach; erschienen in der Ausgabe von B.s „Sämmtlichen Werken“, 1879). Außerdem sind zwei Skizzen überliefert, die Alexis Muston, ein Straßburger Studienfreund, auf einer Wanderung im Odenwälder Felsenmeer im Oktober 1833 von B. zeichnete (seit 2013 als Dauerleihgabe der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen im Freien Deutschen Hochstift).
Auch drei der fünf Geschwister B.s wurden schriftstellerisch tätig und nutzten Ffm. als Medien- und Verlagsstadt, nicht nur für die Werkausgabe von Georg B., die sie bei
Sauerländer 1850 herausbrachten. Die Schwester Elisabethe
Luise Emma B. (1821-1877), eine der bedeutendsten Vertreterinnen der frühen Frauenbewegung in Deutschland, war vermutlich seit 1842 mit
Karl Gutzkow und dessen Frau Amalie, geb. Klönne (1817-1848), später mit dessen zweiter Frau Bertha, geb. Meidinger (1829-1909), befreundet. Bertha Gutzkow war die Schwester des Ffter Verlegers Karl (eigentlich: Carl) Meidinger (1830-1861). In dessen Verlag veröffentlichte Luise B. ihr erstes Buch „Die Frauen und ihr Beruf“ (1855). Als Schriftstellerin publizierte Luise B. künftig in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften, u. a. in der Neuen Ffter Zeitung, dem Ffter Museum und der Didaskalia. Ihr posthum erschienenes Romanfragment „Ein Dichter“ (1878) spielt zur Zeit des Ffter Wachensturms von 1833.
Der Bruder Dr. med. Friedrich Karl Christian
Ludwig (auch: Louis) B. (1824-1899), der in Ffm. 1848 die Sitzungen des Vorparlaments und den Septemberaufstand erlebte, ließ seine „empirisch-naturphilosophischen Studien“ unter dem Titel „Kraft und Stoff“ ebenfalls 1855 bei Meidinger erscheinen. Das Buch wurde zum Bestseller (21 Auflagen und 17 Übersetzungen bis 1904) und machte seinen Verfasser berühmt. Außerdem veröffentlichte Ludwig B. bei Meidinger die in Dialogform abgefasste Grundsatzschrift „Natur und Geist“ (1857), die er dem Andenken des Bruders Georg widmete. Er war Gründungsmitglied (1859), später Ehrenmitglied und Meister des Freien Deutschen Hochstifts. Seit 1860 war er verheiratet mit Caroline Georgine
Sophie B., geb. Thomas (1836-1920), einer Tochter des Literaten Dr. jur. Georg Christian Thomas (1797-nach 1862), der seit 1830 Redakteur der Ober-Postamts-Zeitung und seit 1844 Advokat in Ffm. war.
Der jüngste Bruder Prof. Dr. jur.
Alexander Karl Ludwig B. (1827-1904) lebte für einige Monate im Jahr 1849 in Ffm., wo er sich nach seiner Beteiligung am Badischen Aufstand dem Zugriff der Gerichte zu entziehen hoffte. Seine Übersetzung von Byrons „Childe Harold’s Pilgrimage“ erschien 1853 bei Meidinger. Im Jahr 1855 nach Frankreich ausgewandert, verfasste er als Literaturwissenschaftler u. a. „Französische Literaturbilder (...)“, die die J. C. Hermann’sche Buchhandlung in Ffm. 1858 verlegte. Auch er gehörte als Ehrenmitglied und Meister dem Freien Deutschen Hochstift an (seit 1865); am „Hochstiftstag“ 1866 hielt er einen Vortrag über französische Bühnenkunst in Ffm. Seine Erinnerungen an das Ffter Parlament und
Heinrich von Gagern veröffentlichte er 1872 in einer französischen Zeitschrift.
Nachlass von Georg B. im Goethe- und Schillerarchiv in Weimar. Der Briefwechsel zwischen B. und
Gutzkow ist die wichtigste Quelle für B.s literarisches Arbeiten und Verlagskontakte im Jahr 1835. Der Brief vom 21.2.1835, mit dem B. sein Manuskript von „Danton’s Tod“ an
Johann David Sauerländer nach Ffm. schickte, ist eines von lediglich 13 im Original erhaltenen Briefdokumenten von B.s Hand (im Besitz der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt). Drei weitere Originalbriefe B.s (an seinen Studienfreund August Stoeber und dessen Bruder Adolph, 24.8.1832, 3.11.1832 und 9.12.1833) befinden sich seit 2015 als Dauerleihgabe der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen im Freien Deutschen Hochstift.
Wie anlässlich der Tagung „Georg Büchner und die Romantik“ im Freien Deutschen Hochstift in Ffm. im April 2018 bekanntgegeben wurde, wird die 1980 gegründete „Forschungsstelle Georg B.“ am Institut für Neuere deutsche Literatur der Philipps-Universität Marburg, die u. a. die „Marburger Ausgabe“ der Schriften B.s erarbeitete, mit dem Übergang der Leitung von Burghard Dedner, der in den Ruhestand trat, an Roland Borgards in den kommenden Jahren sukzessive an die Ffter Goethe-Universität überführt.
Sonderbriefmarke der Deutschen Post zu B.s 200. Geburtstag (2013).
Georg-B.-Straße in Nieder-Eschbach. Georg-B.-Schule, eine integrierte Gesamtschule mit Grundstufe (bis 1985: Schulzentrum bzw. Gesamtschule Bockenheim-Süd), in Bockenheim.
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