Ältestes Kind des jüdischen Kaufmanns Jacob Buch (1832-1890) und dessen zweiter Ehefrau Therese, geb. Katzenstein (1844-1918). Geschwister: Alfred Buch (1871-1941), Sellma Buch (1874-1878), Sally Buch (1877-1969), Otto Buch (1879-1956).
Amalie Buch wuchs in den privilegierten Verhältnissen einer angesehenen, finanziell abgesicherten Familie auf, die seit vielen Generationen in Hungen beheimatet war. Der Urgroßvater väterlicherseits, Löb Buch, hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts als „Hofjude“ den hohen Status der Familie gesichert. Der Vater Jacob Buch war 1883 und 1887 Vorsteher der Israelitischen Gemeinde in Hungen, ebenso wie früher (1837 und 1849) schon der Großvater Aron Buch (1801-1867). Benannt wurde Amalie nach ihrer Großmutter väterlicherseits.
Im Jahr 1902 zog Amalie Buch nach Ffm., zusammen mit ihrer Mutter, die von der Familie Wiesengrund-Adorno eine Wohnung an der Schönen Aussicht 7 direkt am Mainufer mietete. Am 18.10.1907 heiratete Amalie den bekannten Architekten und Bauunternehmer Max S. (1866-1922). Das Ehepaar bezog bald eine große Wohnung im ersten Stock des Hauses Lange Straße 33 in der östlichen Innenstadt. Die Ehe blieb kinderlos. Während des Ersten Weltkriegs engagierte sich S. in verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen; später wurde ihr das Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes verliehen.
Erst spät, nach dem Tod ihres Mannes (28.2.1922), begann S., künstlerisch zu arbeiten, zunächst als Kunstsammlerin. Bereits in der Schule hatte sie zwar Figuren aus Wachs und Stearin gefertigt, war aber mit ihren künstlerischen Ambitionen auf Unverständnis in der Familie gestoßen. S. besuchte als Gasthörerin erste Veranstaltungen des 1925 eröffneten China-Instituts der Ffter Universität. Ausgehend von ihrer Faszination für ostasiatische Kunst fing sie an, eine international bedeutende Sammlung hochwertiger chinesischer und japanischer Holzschnitte und Gemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert aufzubauen. Die „Seckbach-Sammlung“ wurde zwischen 1926 und 1934 in deutschen Galerien und Museen präsentiert, u. a. in den Galerien von und um Alfred Flechtheim (1878-1937) und Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979) in Ffm., im Museum Folkwang in Essen, in der Kunsthalle Düsseldorf, in der Kunsthalle Mannheim, im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt und im Grassimuseum in Leipzig.
Erste eigene Arbeiten – Skizzen und Studien von Köpfen aus Plastilin, teilweise in Gips gegossen – zeigte S. ab etwa 1929 in Ausstellungen. Auf einer Reise nach Belgien 1929 lernte sie den Maler James Ensor (1860-1949) kennen, der sie zu einer gemeinsamen Ausstellung in Ostende einlud. Durch seinen Einfluss stellte sie fortan auch international aus, u. a. in Madrid, Paris, Florenz, Brüssel und Chicago, etwa neben Kollegen wie Chagall, Signac, Bonnard und Ensor. Ab 1930 widmete sich S., mittlerweile 60 Jahre alt, auch der Malerei. Ihre Aquarelle, Pastelle und Ölgemälde zeigten Blumenstillleben sowie expressionistische Porträts oder Masken.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete S.s Karriere abrupt. Ihre Kunst wurde als „entartet“ eingestuft; ab 1933 durfte sie in Deutschland nur noch beim Jüdischen Kulturbund ausstellen. Noch war es ihr möglich, sich an internationalen Ausstellungen zu beteiligen, u. a. im „Art Institute of Chicago“ mit der Gouache „Die Heilige und ihr Narr“ (1936). Einen Teil ihrer Kunstsammlung konnte sie 1938 ihrem jüngsten Bruder Otto Buch bei dessen Emigration nach Bogotá mitgeben. Im Zuge der systematischen Entrechtung und Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung durch den NS-Staat wurde S. 1939 gezwungen, die Verfügungsgewalt über ihr Bankkonto aufzugeben. Ihr später Entschluss zur Emigration 1941 ließ sich nicht mehr verwirklichen. Weiterhin wohnte sie in der Wohnung Lange Straße (zwischen 1933 und 1945: Hans-Handwerk-Straße) 33, die sie zuletzt mit ihrem Bruder Sally Buch teilte.
Am 15.9.1942 wurden Amalie S. und Sally Buch mit dem sogenannten „Alterstransport“ von Ffm. in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie einen Tag später ankamen. S. war dort weiterhin künstlerisch tätig. Gezielt getäuscht, nahmen viele Künstlerinnen und Künstler in der fatalen Annahme, in ein privilegiertes Ghetto zu kommen, entsprechende Utensilien mit, die sie bei der Ankunft größtenteils behalten durften. Im Laufe ihrer fast zweijährigen Internierung suchte sich nun S. mühsam die unterschiedlichsten Materialien für ihre kreative Arbeit zusammen: Wachs- und Pergamentpapier, Wasserfarben, Farbstifte und Kreide. Sie schrieb, zeichnete und malte auf Pappkartons, Tüten, Notizzetteln oder Gewebestücken. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich rasch. Gegen Ende freundete sich S. mit der Krankenschwester und Mitgefangenen Trude Groag (1889-1979) an, der sie kurz vor ihrem Tod alle in Theresienstadt entstandenen Werke vermachte. Ihr verriet sie auch, wo sie die verbliebenen Bestände an Holzschnitten ihrer Sammlung im Keller ihres Hauses in Ffm. vergraben hatte, und sie vertraute ihr Informationen über den Verbleib ihrer Kunstwerke an. S. starb im Krankenlager, angeblich im Schlaf.
An Amalie S. erinnern in Ffm. eine Gedenkinschrift auf dem Grabstein ihres Mannes Max S. auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße (Block 59b, Nr. 1561 B) und ein Gedenkblock im Namenfries der Gedenkstätte Neuer Börneplatz an der Außenmauer des Alten Jüdischen Friedhofs in der Battonnstraße.
S.s künstlerisches Werk ist zum größten Teil vernichtet oder verschollen. Einige Werke sind fotografisch dokumentiert. Die von S. im Keller vergrabenen Stücke aus ihrer Sammlung wurden nie gefunden.
Siegfried Kracauer, der von 1915 bis 1917 als Architekt im Büro von Max S. angestellt war, nahm Max und Amalie S. zum Vorbild für die literarischen Figuren des Ehepaars Richard und Berta Valentin in seinem autobiographischen Roman „Ginster“ (1928).
2022/23 Ausstellung „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“ im Jüdischen Museum Fft. zur Erinnerung an Amalie S.,
Ruth Cahn,
Rosy Lilienfeld und
Erna Pinner. In der Ausstellung wurden erstmals umfänglich die Werke von S. aus Theresienstadt gezeigt.
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