Zobel, Maria Margaretha Heinrietta, gen. Henriette, geb. Pfaff (auch: Paff), gesch. Krähe. Revolutionärin. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 23.2.1813 (Ffm.-)Oberrad, † nach 20.1.1865.
Älteste Tochter des Bäckermeisters Tobias Pfaff (1788/89-1818) und dessen Ehefrau Maria Christina, geb. Jäck (1791/92-1830). Aus der Ehe der Eltern stammten vier weitere Kinder: Maria Christina (* 1815), Margaretha Elisabetha (seit 1834 verh. Clemann, * 1816), Tobias (* und † 1817) und Magdalena (* 1818), die alle in Oberrad geboren wurden. Nach dem frühen Tod des Vaters am 3.12.1818 verheiratete sich die Mutter am 7.6.1820 mit Georg Christian Müller (?-1853). Aus der zweiten Ehe der Mutter hatte Henriette die sechs Halbgeschwister Anna Margaretha (* 13.1.1821), Margaretha Charlotta (* 2.12.1821), Anna Maria (1822-1823), Jacob (* und † 1827), Maria (* 1828) und Christian (* 1829). Um 1828/29 war die Familie von Oberrad nach Offenbach gezogen, wo die Mutter am 19.3.1830 an Nervenfieber starb.
Noch in Oberrad genoss Henriette eine ordentliche Schulbildung. Wohl zu Beginn der 1830er Jahre trat sie in die Dienste der Offenbacher Witwe Deon. Danach lebte sie eine Zeitlang bei ihrem Vormund, dem Handelsmann Jakob Scheibler, mit dem sie jedoch in Vermögenstreitigkeiten geriet. Daraufhin verließ sie dessen Haus und heiratete am 14.7.1833 in Offenbach den Buchdrucker Georg Friedrich Krähe. Die Ehe, die kinderlos blieb, wurde ohne Angabe von Gründen kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit am 25.10.1837 aufgelöst. Nach anderthalb Jahren, in denen sich Henriette ihren Lebensunterhalt mit Handarbeiten verdiente, verehelichte sie sich am 27.3.1839 zum zweiten Mal, diesmal mit dem Darmstädter Bürger und Lithografen Isaak
Karl Z. (?-1861). Sie zog mit ihm zunächst nach Seckbach und dann, erst wenige Wochen vor dem 18.9.1848, nach Bornheim. Auch aus dieser Ehe stammten keine Kinder.
Z. war politisch äußerst interessiert und verfolgte regelmäßig als Zuschauerin die Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche, was sie später allerdings bestritt. Sie habe sich nur einmal die „Decorirung der Kirche“ ansehen wollen. So bekam Z. auch die Debatte vom 14. bis 16.9.1848 über den Waffenstillstand im Schleswig-Holsteinischen Krieg mit. Die vollzogene Annahme des von Preußen und Dänemark geschlossenen „Waffenstillstands von Malmö“ empörte auch sie. Mehr als 10.000 über diese Entscheidung erzürnte Menschen aus Ffm. und der näheren Umgebung kamen am 17.9.1848 auf der Pfingstweide zusammen, um ihren Protest kundzutun. Der Beschluss der Nationalversammlung stellte in ihren Augen einen Verrat an den demokratischen Idealen der Revolution dar. Auch Z. nahm an der Volksversammlung auf der Pfingstweide teil.
Die Wut der revolutionären Kräfte entlud sich am darauffolgenden Tag in Krawallen rund um die Paulskirche. Verhaftungen und das Eingreifen preußischer Truppen heizten die gespannte Stimmung und den Hass auf Preußen noch weiter an. Barrikaden wurden errichtet, und es kam zu Kämpfen mit den preußischen und österreichischen Bundestruppen, die am Vortag aus Mainz in die Stadt verlegt worden waren. In dieser Situation unternahmen die preußischen nationalliberalen Abgeordneten General
Hans von Auerswald und
Fürst Felix von Lichnowsky einen verhängnisvollen Erkundungsritt durch die Stadt und ihre Umgebung.
Z. war zu dieser Zeit mit ihrem Ehemann in einer geschäftlichen Angelegenheit unterwegs und geriet unversehens mitten hinein in die sich dramatisch zuspitzenden Ereignisse. Auf der Friedberger Chaussee verfolgte eine Menschenmenge
Auerswald und
Lichnowsky und bewarf sie mit Steinen. Zeugen wollten in dieser Gruppe auch Z. gesehen haben, die angeblich Steine auf die Abgeordneten geworfen und dabei laut gerufen habe: „Auf sie! Das sind die Spitzbuben.“
Lichnowsky und
Auerswald flüchteten in das Haus des Kunstgärtners Schmidt (heute: Merianstraße 23). Z. soll den Hinweis auf das Versteck gegeben haben, woraufhin
Auerswald von den Aufständischen entdeckt und gewaltsam in den Garten geführt wurde. Dabei soll Z., wie mehrere Zeugen erklärten, mehrmals mit ihrem Schirm auf den Kopf des Generals eingeschlagen und immer wieder laut ausgerufen haben: „Das ist der Spitzbub, der das Volk schon lang genug gemordet hat; dem gehört eine Kugel vor den Kopf.“ Und tatsächlich löste sich plötzlich ein Schuss, der
Auerswald zu Boden streckte. Z. habe dem schon im Sterben Liegenden dann einen großen Stein auf den Kopf geworfen, wie einige Zeugen später berichteten; ebenso habe sie
Lichnowsky, den man ebenfalls ergriffen und in den Garten hinausgeführt hatte, mit ihrem Schirm mehrmals in den Rücken gestochen. Auch
Lichnowsky erlag später am Tag seinen Verletzungen, die ihm aber nicht Z. beigebracht hatte. Die Obduktionen an den Leichen ergaben, dass die Schüsse zum Tod der beiden Abgeordneten geführt hatten.
Am 24.9.1848, einem Sonntagmorgen, wurde Z. aufgrund anonymer Hinweise verhaftet und in die Konstablerwache gebracht. Bei der Verhaftung in ihrer Bornheimer Wohnung wurde der Regenschirm sichergestellt – als Corpus Delicti im Fall der Ermordung von
Lichnowsky und
Auerswald. Aus den im Stadtarchiv (heute ISG) erhaltenen Kriminalakten kam der dunkelbraune Schirm mit dem abgebrochenen Griff 1950 an das HMF, in dessen Dauerausstellung er heute zu sehen ist. Z. ging als schirmschwingende „Megäre“, „Furie“ und mutmaßliche Fürstenmörderin in die Ffter Geschichte ein. Doch war Z. vielmehr eine der Frauen jener Zeit, die, von Märzrevolution und Nationalversammlung politisiert, aus ihrer häuslichen Rolle auszubrechen begannen, um Anteil am politischen Geschehen zu nehmen. Der Gerichtsgutachter Christian Reinhold Köstlin (1813-1856) schrieb 1853 über sie: „Jene Zeit, die so viele aus ihrem Gleise schleuderte, hat auch diese Frau aus der dem Weibe geziemenden Bahn gerückt. Sie hat in der Paulskirche gesessen, hat auf Zitz [d. i. der Abgeordnete Franz Heinrich Zitz (1803-1877), der der radikalen Linken in der Nationalversammlung angehörte] und Genossen gehorcht, hat Politik getrieben.“
Der bis dahin unbescholtenen Z. wurde der Prozess gemacht. Sie beteuerte ihre Unschuld am Tod der beiden Politiker: „(…) mit einem Stein das habe ich nicht getan, mit einem Regenschirm das will ich nicht in Abrede stellen (…).“ Sie bezweifelte stark, dass sie
Auerswald im herrschenden Gedränge überhaupt getroffen habe. Fünf lange Jahre, bis 1853, zog sich der Prozess hin, bevor ein Urteil gefällt wurde, obwohl das Gericht bereits im März 1849 die Ermittlungen abgeschlossen hatte. Der verzögerte Vorgang lag in der von Tag zu Tag erwarteten Einführung des Geschworenengerichts in Ffm. Von den unzumutbaren Bedingungen in der langen Untersuchungshaft zeugen Z.s Briefe an ihren Verteidiger
Daniel Heinrich Mumm. (Ihr Antrag,
Maximilian Reinganum als ihren Verteidiger zu bestellen, wurde zuvor – ohne Begründung – abgelehnt.
Reinganum hatte zu Beginn der Ermittlungen bereits Anträge für sie bzw. ihren Mann, der nicht angeklagt wurde, gestellt.)
Am 31.1.1853 wurde Z. vom Appellationsgericht Ffm. wegen Beteiligung an einem Komplott zur Tötung des Generals
Hans von Auerswald sowie wegen Anstiftung und Rädelsführung noch zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt, wobei die ohne ihr Verschulden verlängerte Untersuchungshaft bereits als im Voraus abgesessene Strafe angerechnet worden war. Außer ihr wurden der Schneidergeselle Philipp Rückert (?-1854) und der Etuimacher und Buchbinder Georg Andreas Nispel (1811-1853) wegen der Morde an den Abgeordneten mit Zuchthausstrafen von fünf bzw. 14 Jahren belegt. Das Oberappellationsgericht in Lübeck sprach Z. am 25.1.1855 von der Beteiligung am Komplott frei, bestätigte aber ansonsten das Urteil und ermäßigte die Strafe nur auf 15 Jahre. An dem Strafmaß entzündete sich Kritik. Es wurde unterstellt, dass an Z. als Frau ein Exempel statuiert worden sei. Die Beweislage gegen sie war relativ dünn. Das Urteil jedoch war drakonisch und wohl politisch motiviert. Der Strafrahmen für Totschlag lag damals bei fünf bis 25 Jahren. Dreh- und Angelpunkt für die Höhe der verhängten Strafe war die Frage, ob Z. an einem Komplott zum Schaden der beiden getöteten Abgeordneten beteiligt war. Nachdem Z. vom Vorwurf des Komplottes in zweiter Instanz freigesprochen wurde, hätte das Strafmaß bedeutend geringer ausfallen müssen.
Ihre Zuchthausstrafe verbüßte Z. zuerst im großherzoglich-hessischen Korrektionshaus in Dieburg, später im großherzoglichen Landeszuchthaus zu Marienschloß bei Rockenberg. Nach wiederholt abgelehnten Gnadengesuchen wurde schließlich ihrem erneuten Ansuchen aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes am 20.1.1865 vom Ffter Senat stattgegeben, und Z. wurde auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen. Offenbar war ihr zur Auflage gemacht worden, dass sie das Territorium der Stadt Ffm. nicht mehr betreten dürfe. Wohl daher hielt sie sich zunächst auf dem Gebiet ihres (durch die Heirat mit Karl Z. erworbenen) Heimatstaates Hessen-Darmstadt auf. Ein letztes Mal ist sie im Adressbuch der Stadt Offenbach von 1865 verzeichnet mit dem Eintrag: „Zobel, Karl Wttb., Mainquai 6“. Danach verliert sich ihre Spur.
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