Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
in vergangene Zeiten zu reisen und das alte Frankfurt zu sehen – davon träumen viele. Die Vorstellung von einem verlorenen Stadtbild wird beflügelt beim Betrachten historischer Bilder, die umso besser wirken, je authentischer sie scheinen. Gerade frühe Fotografien üben daher eine besondere Faszination aus. Und so war es eine kleine Sensation, als ein Bildband vor knapp 25 Jahren eine Auswahl von Fotografien präsentierte, die kurz zuvor auf einem Dachboden wiederentdeckt worden waren: Sie zeigen das alte Frankfurt, wie es vor 1914 war, in Farbe! Den Fotografen dieser Bilder stellt unser diesmaliger Artikel des Monats vor.
Artikel des Monats: Meister des lichten Blaus an Altfrankfurts Himmel
Er war (fast) der erste, der Frankfurt in Farbe fotografierte: Carl Knabenschuh. Der Architekt, der ein begeisterter Amateurfotograf war, begann bereits 1908 mit dem Autochromverfahren zu experimentieren, das erst im Jahr zuvor auf den Markt gekommen war. Diese technische Neuerung ermöglichte es ihm, echte – also nicht nachkolorierte – Farbbilder aufzunehmen. Auf insgesamt fast 500 Dias, davon über 100 Autochromen, überlieferte er bis 1925 das Bild seiner Heimatstadt, Szenen aus der Altstadt und den Vororten, aber auch Ansichten von Landschaften und Parks sowie gelegentlich einmal ein Stillleben, etwa aus einer Äpfelweinkneipe, wo auf der eichenen Theke ein riesiger blaugrauer Bembel im „Faulenzer“ wippt, um das goldgelbe „Stöffche“ in ein geripptes Glas zu schenken. Nach seiner Pensionierung war Knabenschuh in den 1930er Jahren mit der Vermessung und Dokumentation von Gebäuden in der Altstadt befasst, die abgebrochen und an anderer Stelle wiedererrichtet werden sollten. Mit Kriegsbeginn bekam diese „Altstadtaufnahme“ eine andere Dringlichkeit.
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Für die derzeitige Rekonstruktion der kriegszerstörten Altstadt im Dom-Römer-Bereich konnten auch Pläne, Risse und Zeichnungen von Carl Knabenschuh als Quellen herangezogen werden. Sie werden heute im Institut für Stadtgeschichte aufbewahrt, ebenso wie Knabenschuhs frühe Farbfotografien der Stadt, die nichts von ihrem Reiz verloren haben. Aufgrund der Besonderheiten des Autochromverfahrens, das der Autor Tobias Picard in seinem Artikel über Carl Knabenschuh im Frankfurter Personenlexikon genauer beschreibt, wirken diese ersten Farbfotos wie hingetupfte Widerspiegelungen, die auf merkwürdig surreal-reale Weise vergangene Zeiten abbilden.
Ähnlich wie Knabenschuhs Fotografien möchte auch das Frankfurter Personenlexikon Ihnen, liebe Leserinnen und Lesern, eine authentische, farbige Darstellung der Stadt, ihrer Geschichte und deren handelnder Personen bieten. Natürlich soll es nicht zu bunt werden. Aber ein Farbtupfer hier und da macht die Sache anschaulich und kann daher auch in einem wissenschaftlichen Lexikon nicht schaden.
Eine abwechslungsreiche Lektüre im Frankfurter Personenlexikon wünscht Ihnen
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Juni 2017.