Neuerscheinungen vom 10. März 2018

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

manchmal gilt es, ein Zeichen zu setzen, im Großen oder auch ganz im Kleinen, bevor es zu spät sein könnte. Nicht zuletzt deswegen ist der Artikel des Monats diesmal einem außergewöhnlichen Kirchenbaumeister gewidmet.

Artikel des Monats März 2018:
Wegweiser für die Demokratie

Er baute das Symbol für den demokratischen Neubeginn in Deutschland nach 1945: Rudolf Schwarz. Bereits am Anfang seiner Karriere war der Architekt in Frankfurt tätig gewesen, wo er zusammen mit Dominikus Böhm 1927 den Wettbewerb um die Frauenfriedenskirche gewonnen hatte; der preisgekrönte Entwurf kam jedoch nicht zur Ausführung. Im November 1946 dann wurde Schwarz, der kurz zuvor als Generalplaner für den Wiederaufbau der Stadt Köln eingesetzt worden war, mit dem Wiederaufbau der Paulskirche in Frankfurt beauftragt. Als führender Kopf einer Planungsgemeinschaft, der außerdem Gottlob Schaupp und Johannes Krahn angehörten, gab er der Paulskirche ihre neue und bis heute gültige Gestalt.
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Schluss: 

Die Signalwirkung, die vom Wiederaufbau der Paulskirche pünktlich zum 100. Jubiläum der Nationalversammlung 1948 für den politischen Neubeginn in Deutschland in jener Zeit ausgehen würde, hatte Oberbürgermeister Walter Kolb erkannt. Gegen mancherlei Widerstände setzte der überzeugte Demokrat daher das Projekt durch. Künftig sollte die Paulskirche kein Gotteshaus mehr sein, sondern „das Haus aller Deutschen“, das als nationale Gedenk- und Tagungsstätte dienen sollte. Auf einen Spendenaufruf vom 20. Januar 1947 hin gingen wirklich Gaben aus allen deutschen Ländern für die neue Paulskirche ein, insgesamt 1,8 Millionen Reichsmark und 327 Sachspenden, darunter etwa ein paar Tausend Klinkersteine aus Leipzig und ein Waggon Kreide aus Rügen.

Die neue Paulskirche, die zur Hundertjahrfeier der Deutschen Nationalversammlung am 18. Mai 1948 eingeweiht wurde, ist als Symbol für Tradition und Neubeginn der Demokratie in Deutschland nicht wegzudenken. Ihr architektonisches Konzept, das die Planungsgemeinschaft unter Rudolf Schwarz entwickelte, wird diesem Symbolcharakter kongenial gerecht. Der Bau respektiert die Tradition als Originalschauplatz der Nationalversammlung von 1848, verleugnet nicht die Zerstörung unter der nationalsozialistischen Herrschaft und zeugt vom Neubeginn und Aufbauwillen der Nachkriegszeit. Dabei ist die neue Paulskirche von einer hohen Ästhetik, „einer fast mönchischen Strenge“, womit der Baumeister Rudolf Schwarz eine besondere Hoffnung verband: „Der Bau dient heute geistigen Dingen von hohem Rang (…), und er ist von einer solch nüchternen Strenge, daß darin kein unwahres Wort möglich sein sollte.“ (Schwarz: Kirchenbau 1960, Nachdr. 2007, S. 94.)

Das mag nicht jedem gefallen. Doch wer die Geschichte kennt, wird auch die Paulskirche in ihrer heutigen Gestalt schätzen.

Frankfurter Frühlingsgrüße sendet Ihnen
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. April 2018.