Zur Person und zu den Familienverhältnissen des Malers Nikolaus Sch. ist fast nichts bekannt, da bislang keine urkundlichen Nachrichten gefunden werden konnten. Mit Hilfe der von Sch. ausgeführten Werke für Kirchen in Ffm. und Umgebung können aber zumindest verschiedene biographische Rückschlüsse gezogen werden.
Sch. schuf in der Zeit von 1495 bis etwa um 1510 Altarretabel und Epitaphien für Auftraggeber in Ffm., Nieder-Erlenbach, Gelnhausen und Aschaffenburg. Er orientierte sich an der Druckgrafik des am Oberrhein tätigen Malers und Kupferstechers Martin Schongauer, dessen Stiche in großer Auflage gedruckt wurden. Des Weiteren lagen Sch. Kaltnadelstiche vom Meister des Hausbuchs vor, einem Maler und Stecher, dessen Werkstatt sich möglicherweise in Ffm. befand und dessen Stiche nur in sehr kleiner Auflage gedruckt wurden und in sehr geringer Anzahl überliefert sind. Zudem bestehen motivische Übereinstimmungen von Sch.s Malereien zu Werken des in Ffm. tätigen Malers
Martin Caldenbach genannt Hess. Auch lassen sich Bezüge zu Glasmalereien ausmachen, die sehr wahrscheinlich in Ffm. entstanden sind. Dies führte zu der Vermutung, dass sich Sch.s Werkstatt in Ffm. befunden habe (Simon, 1912/16; Stange, 1955; Schedl, 2016) und nicht in Seligenstadt, wie 1930 von Grete Tiemann vermutet.
Walther Karl Zülch brachte den Gedanken auf, ob Sch. ein illegitimer Sohn des 1501 verstorbenen Ffter Patriziers, Ratsherrn und erfolgreichen Händlers
Nicolaus Scheid (auch: Scheydt, Schid, Schit u. ä.) gewesen sein könnte (Zülch, 1935; Scheid, 1985; Hubach, 2010). Auf eine mögliche Verwandtschaft mit dem in Mainz tätigen Maler Arnolt Schydt wies Josef Heinzelmann (1987) hin.
Sch. war um die Jahrhundertwende 1500 ein noch der Spätgotik verpflichteter Maler. Seine Malerei ist von größter Akkuratesse im Detail, seine Farbpalette feurig-variantenreich. Ausgangspunkt für die ihm zugeschriebene Werkgruppe ist das Hochaltarretabel in der Gelnhäuser Marienkirche. Das fast vollständig erhaltene Flügelretabel besteht aus einem Schrein mit fünf Skulpturen sowie beidseitig bemalten Flügeln. In den lateinischen Inschriften auf den unteren Rahmenleisten der Flügelinnen- wie -außenseiten werden das Jahr der Entstehung (1500) und der Maler des Retabels [„der Maler Nicolaus“ (PICTOR NICOLAVS) mit dem Beinamen „Schit“ (SCHIT CVI COGNOMEN...)] als Generalunternehmer des Auftrags genannt; der Bildhauer der Skulpturen wird nicht erwähnt. Vielleicht hinterließ Sch. auf diesem Retabel ein Selbstbildnis (Schedl/Weber, 2019).
Auf stilkritischer Basis können Sch. und seiner Werkstatt außerdem die bemalten Flügelaußenseiten des Nikolausretabels in der Gelnhäuser Marienkirche, um 1500 entstanden und stark beschädigt erhalten (Schedl, 2016), sowie weitere fünf Werke zugeschrieben werden.
Das früheste überlieferte Werk Sch.s sind zwei Retabelflügel mit Szenen aus dem Leben bzw. den Martyrien von Heiligen, die in einer lateinischen Inschrift auf 1495 datiert sind. Sie gelangten wohl aus einer Kirche in Ffm. oder Umgebung in das Wallraf-Richartz-Museum in Köln (Schedl/Weber, 2020).
1497 vollendete Sch. ein höchstwahrscheinlich für die Pfarrkirche von Nieder-Erlenbach gemaltes Marienretabel, dessen Predella nicht mehr erhalten ist (erstmals erwähnt bei
Gwinner, 1862; zugeschrieben von Buchner, 1927). Dieses Flügelretabel wurde 1894 von der evangelischen Pfarrgemeinde Nieder-Erlenbach an das Grossherzoglich Hessische Landesmuseum Darmstadt verkauft.
Auch wird Sch. die als Teil eines Epitaphs dienende querrechteckige Tafel mit der Darstellung der Vierzehn Nothelfer zugeschrieben, die um 1495/1500 entstanden sein wird (heute im HMF). In den unteren Ecken ist das Wappen der Ffter Patrizierfamilien
von Hynsperg und von Heringen dargestellt. Sehr wahrscheinlich wurde die Tafel von Carl von Hynsperg († 1472) bzw. seiner fast 30 Jahre nach ihm verstorbenen Frau Guda von Heringen († 1500), die das Haus zum Fürsteneck geerbt hatte, gestiftet. Die gemalte Tafel wird zuerst in der vor 1776 verfassten Chronik von
Franciscus Jacquin, dem Prior des Dominikanerklosters, erwähnt (ISG, Dominikanerkloster: Bücher 18, S. 293, abgedruckt bei Weizsäcker: Kunstschätze des Dominikanerklosters 1923, S. 374). Vermutlich war sie über dem Grabstein des Ehepaars von Hynsperg angebracht, der sich in der Johanniskapelle des Dominikanerklosters befand [vgl. Inschrift des Grabsteins bei Weizsäcker: Kunstschätze des Dominikanerklosters 1923 (mit Bezug auf das Zum Jungen’sche Epitaphienbuch, ehemals Stadtarchiv Ffm., Glauburgmanuskripte, im Zweiten Weltkrieg verbrannt)]. Das Epitaph des Ehepaars wird mutmaßlich aus der Tafel mit der Darstellung der Vierzehn Nothelfer sowie einer nicht mehr erhaltenen Inschrift bestanden haben, die auf einer separaten Holztafel angebracht gewesen sein könnte (Weizsäcker, 1923). Sehr wahrscheinlich handelt es sich um folgende Inschriften, die der Ffter Patrizier
Heinrich Kellner (1536-1589) in seinem Büchlein „Epitaphia Francofurtensia“ überliefert: „Anno 1472 starb Carle von Henspergk[,] weilunt der des Raths zue Franckfurth was[,] vf donnerstag nach S. Bonifacij tag“ / „Anno d(omi)ni 1500 starb gutegen von Heringen, die Carlen von Hensperg seligen Haußfrau was[,] vf freyttag nach S. Lorentzenn tag, den beyden got genedig sein wölle Amen“. Dazu schreibt
Kellner: „Diß zwei stehn vf einer tafel“ (ISG, Holzhausen-Archiv: Zum Jungen Bücher 5). Epitaphien mit auf Holz gemalten Gemälden (= „tafel“) und Inschriften aus dieser Zeit sind – anders als in Ffm. – beispielsweise in Nürnberg noch in größerer Zahl überliefert. In der Johanniskapelle des Dominikanerklosters war auch der Ffter Patrizier Georg von Breidenbach beigesetzt, dessen gemalte Epitaphtafel ebenfalls erhalten ist (Städel Museum).
Eine weitere hochrechteckige Tafel, um 1500 entstanden, die einem Werkstattmitarbeiter Sch.s zugeschrieben wird, gelangte ebenfalls in das Historische Museum. Dargestellt ist der hl. Christophorus mit dem Jesuskind. In der rechten unteren Ecke ist eine kniende Frau mittleren Alters zu sehen, die in den gefalteten Händen einen langen Rosenkranz aus roten Perlen hält. Auf der allseitig beschnittenen Tafel ist kein Stifterwappen überliefert. Vermutlich stammt die Tafel aus einer der Kirchen und Kapellen in Ffm. Erstmals wird sie im Verzeichnis der städtischen Gemäldesammlung von
Philipp Friedrich Gwinner 1867 erwähnt.
Aus der Aschaffenburger Stiftskirche kam 1820 eine Tafel (Epitaph?) mit der Darstellung der Geburt Christi in den Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, die Sch. von Hildegard Dannenberg anlässlich der Ausstellung „Alte Kunst am Mittelrhein“ in Darmstadt 1927 zugeschrieben wurde.
Weitere früher mit Sch. in Verbindung gebrachte Werke werden heute anderen Künstlern zugeschrieben (Schedl, 2016).
Nachdem Sch.s Gelnhäuser Hochaltarretabel von dem Ffter Stadtpfarrer
Ernst Franz August Münzenberger noch überschwenglich gelobt und „zu den schönsten in Deutschland“ vorhandenen Retabeln gezählt worden war (Münzenberger, 1885-90), geriet Sch. in der späteren Forschung zu Unrecht in Vergessenheit.
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