Sch.’ Großvater väterlicherseits, Franz Xaver Ignatz Sch. (1800-1870), geboren in Olpe, studierte Bergbau und war u. a. als Hüttenverwalter in Mexiko und Nordamerika tätig. Er übersiedelte 1839 nach Ffm., erlangte hier das Bürgerrecht und heiratete 1840 Maria Wilhelmine Henriette Zahn. Er betrieb zunächst (seit 1842) eine Eisengießerei im Cardini’schen Garten am Oberräder Fahrweg (später: Offenbacher Landstraße 3) in Sachsenhausen, bot daneben unter Verwertung der Abfallprodukte seit 1844 medizinische Schlackenbäder an, erweiterte die Gießerei bis 1851 um eine Maschinenfabrik, nahm seinen Schwager Christoph Georg Carl Heinrich Zahn als Teilhaber auf und lebte nach dem Konkurs des Unternehmens (1860) als Privatier in Ffm.
Sch.’ Vater, Carl Heinrich
Oscar Sch. (1841-1895), besuchte zunächst das Gymnasium in Ffm., dann die Gewerbeschule und seit 1858 das Polytechnikum in Karlsruhe. Nach einjährigem Studienaufenthalt in England übernahm er die Bauleitung der Eisenbahnlinie von Ffm. nach (Bad) Homburg vor der Höhe, die von einer englischen Aktiengesellschaft finanziert wurde und zu deren Betriebsdirektor er im Alter von nur 25 Jahren ernannt wurde. Als die Strecke in den Besitz des preußischen Staates überging, wurde Carl Heinrich
Oscar Sch. 1880 bei der preußischen Eisenbahnverwaltung angestellt und zog mit seiner Familie von Homburg nach Ffm.; er stieg später zum Königlichen Baurat und Eisenbahndirektor auf. Schon 1879 hatte er dem Magistrat der Stadt Ffm. den Entwurf für den Bau eines aus vier Linien bestehenden Trambahnnetzes unterbreitet, das u. a. eine Nord-Süd-Verbindung und einen Anschluss an den noch zu errichtenden Hauptbahnhof vorsah. Dieses Unternehmen sollte über eine Aktiengesellschaft finanziert werden. Carl Heinrich
Oscar Sch. erbat dafür eine 40-jährige Betriebskonzession und versprach der Stadt, die ersten drei Linien bis 1881 fertigzustellen. Der Magistrat wies das Projekt ab, zumal die Ffter Trambahn-Gesellschaft bereits Konzessionen auf entsprechende Streckenführungen besaß.
Carl Heinrich
Oscar Sch. hatte 1871 die aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Gabriele Bertha Schwarzschild (1850-1897) geheiratet. Die Ehe musste aufgrund der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit der Brautleute in der Georgenkirche in Eisenach geschlossen werden. Gabriele Bertha Sch. trat kurz nach der Hochzeit zur evangelischen Konfession über. Aus der Ehe stammten vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, von denen Oscar Sch. das älteste war. Er wuchs zunächst in der elterlichen Villa in Homburg vor der Höhe auf. Nach dem Umzug nach Ffm. wohnte die Familie in einer Erdgeschosswohnung im Gärtnerweg 58, dann in einer Dienstwohnung in der Cranachstraße 6 in Sachsenhausen.
Oscar Sch. besuchte in Ffm. die Wöhlerschule, die damals wegen Umbauarbeiten vorübergehend in der Adlerflychtschule untergebracht war, und anschließend das städtische Gymnasium. Am 26.4.1888 wurde er in der Paulskirche konfirmiert. Aufgrund seiner schlechten schulischen Leistungen wechselte er auf Rat des Direktors
Karl Reinhardt 1890 an das Gymnasium in Weilburg an der Lahn, wo er 1892 das Abitur ablegte. Entsprechend dem Wunsch des Vaters begann er 1892 ein Studium der Rechtswissenschaften und Nationalökonomie, u. a. an den Universitäten in Heidelberg, München, Berlin und Rom. Nach zwei gescheiterten Promotionsversuchen in München, zuerst in Nationalökonomie bei Lujo Brentano (1844-1931) und – nach dem Tod des Vaters (1895) – mit einer literaturhistorischen Arbeit bei Franz Muncker (1855-1926), gab er sein Studium 1896 auf, um als freier Schriftsteller, gestützt auf das väterliche Erbe, zu leben. Schon früher hatte er auf Vermittlung von
Adolf Bartels, dem Redakteur der Didaskalia in Ffm., Reiseberichte sowie Kunst- und Theaterkritiken für dieses Blatt verfasst, und er war mit Gustav Luhde, dem Redakteur des Ffter Journals, befreundet. Seine Bekanntschaft mit Karl Wolfskehl (1869-1948) 1894 in Rom hatte ihm Kontakte zu dem Kreis um
Stefan George eröffnet. 1896 erschienen erste Gedichte Sch.’ in den von
George begründeten „Blättern für die Kunst“, und 1898 brachte Sch. den Gedichtband „Orpheus“ heraus. In München, wo er seit Ende 1899 wohnte, gehörte Sch. zur Schwabinger Bohème und zum Kosmikerkreis. Er lernte dort u. a. Franziska zu Reventlow (1871-1918), Ludwig Klages (1872-1956) und Alfred Kubin (1877-1959) kennen. Nach Sch.’ Kritik an dem Buchkünstler Melchior Lechter (1865-1937) kam es 1900 zum Bruch mit dem
George-Kreis. 1901 heiratete Sch. die möglicherweise aus Ffm. stammende Sängerin Nina (nach anderen Angaben: Hermine) Burk (1879-?), doch bereits Ende 1902 folgte die Scheidung. Auch eine zweite Ehe, 1905 mit der gebürtigen Darmstädterin Louisa Hoby (1881-?) geschlossen, wurde bereits nach einem Jahr wieder geschieden.
Die Erzählungen „Haschisch“, erstmals 1902 im Südwestdeutschen Verlag in Ffm. veröffentlicht, begründeten in ihrer Mischung aus phantastischen und erotischen Motiven Sch.’ Ruf als berühmt-berüchtigter Schriftsteller, wobei er selbst zunehmend das Image eines Dandys und Flaneurs kultivierte. In den nächsten Jahren unternahm Sch. zahlreiche Reisen und hielt sich für längere Zeit in Paris, Berlin, England und Italien auf. Seit 1907 lebte er teilweise in Berlin, doch in seiner Rastlosigkeit ging er immer wieder auf Reisen, u. a. nach Marokko, Portugal (1908), England und Irland (1909/10), Ägypten, Palästina, Griechenland (1911) und Russland (1913).
Auch nach dem Tod der Mutter (1897) und der Großmutter Mathilda Schwarzschild (1903), die zuletzt in Eschersheim gewohnt hatte, hielt sich Sch. öfters in Ffm. auf, zumal er testamentarisch zum Vermögensverwalter für seine Geschwister ernannt worden war. Er verkehrte in Ffm. u. a. im Café Bauer am „Tisch der Geistreichen“, einem intellektuellen Stammtisch, an dem auch
Arthur Pfungst,
Martin Buber und Carl Muth (1867-1944) teilnahmen. Weitere Bekannte von Sch. in Ffm. waren der Schriftsteller
Rudolf Geck, der das Feuilleton der Ffter Zeitung leitete, und der Kunsthistoriker
Albert Dessoff, der der Gesellschaft für ästhetische Kultur in Ffm. vorstand.
Nachdem Sch. 1914/15 kurzzeitig als Kriegsberichterstatter an der Westfront gewesen war, zog er sich nach einer psychischen Krise nach Salzburg zurück, wo er seitdem, bis zu seinem Tod, seinen Wohnsitz hatte. Er beschäftigte sich intensiv mit der aufkommenden Psychoanalyse, der er sich bereits 1912 bei Karl Abraham (1877-1925) in Berlin unterzogen hatte. Zudem vertiefte er sich in astrologische, buddhistische und mystische Studien, und ab 1923 beteiligte er sich an der von Hermann Graf Keyserling (1880-1946) 1920 begründeten „Schule der Weisheit“ in Darmstadt. 1929 schloss Sch. seine dritte Ehe, mit Emeline Maria Primer, Tochter von Professor Paul Primer (1850-1942), der Lehrer am Kaiser-Friedrichs-Gymnasium (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium) in Ffm. war. 1931 kam Sch. wieder nach Ffm., wo er im Alter von 58 Jahren am 17.12.1931 starb.
In seiner schriftstellerischen Arbeit widmete sich Sch. einem breit gefächerten Themenspektrum. Sein Leben und seine Werke bieten aufgrund von Sch.’ zahlreichen prominenten Bekanntschaften und vielfältigen Interessen ein Panorama des Fin des Siècle in der deutschen und europäischen Gesellschaft, wovon besonders seine Tagebücher zeugen. Neben zahlreichen Gedichten, Theaterstücken, Erzählungen und Reiseberichten verfasste er Essays zu kultur- und zeitgeschichtlichen Themen, die überaus populär waren und ihm die Anerkennung von Schriftstellern wie
Thomas Mann und Stefan Zweig (1881-1942) einbrachten. So setzte er sich kritisch mit der Rolle des Bürgertums im Kaiserreich auseinander oder versuchte, seine – als problematisch empfundene – jüdische Herkunft in dem biographischen Essay über Benjamin Disraeli (1804-1881) zu verarbeiten. Auch griff er seine Eindrücke und Erlebnisse aus der Zeit der Münchner Bohème literarisch auf.
Weitere Werke (in Auswahl): „
Stefan George, der Führer der neudeutschen Romantik“ (in: Didaskalia, 1.7.1896, S. 607f.), „Französische Gesellschaftsprobleme“ (1907), „Die Kunst der Politik [(durch Benjamin Disraëli, Lord Beaconsfield)]“ (1911), „Brevier für Weltleute. Essays über Gesellschaft, Mode, Frauen, Reisen, Lebenskunst, Kunst, Philosophie“ (1911), „Wenn wir Frauen erwachen… Ein Sittenroman aus dem neuen Deutschland“ (1913, ab 8. Aufl. 1925 u. d. T.: „Bürgerliche Bohème. Ein deutscher Sittenroman aus der Vorkriegszeit“), „Das rätselhafte Deutschland“ (1920), „Psychoanalyse und Yoga“ (1923) und „Fahrten ins Blaue. Ein Mittelmeerbuch“ (1925).
In der dreibändigen Autobiographie von Sch. („Die Geister des Hauses. Jugenderinnerungen“, 1925; „Dämon Welt. Jahre der Entwicklung“, 1926; „Ergo sum. Jahre des Reifens“, 1927) nimmt Ffm. einen zentralen Platz ein. Den Umzug von Homburg nach Ffm. 1880 schildert der Schriftsteller darin als „Vertreibung aus dem Paradies meiner Kindheit“; verstärkt wurde dieses Gefühl dadurch, dass der Vater, obwohl gebürtiger Ffter, sich mit den „preußischen Verhältnissen“ schnell versöhnt hatte, während die Großeltern Schwarzschild aus ihrer antipreußischen Gesinnung keinen Hehl machten. Der erste Band der Autobiographie mit dem Titel „Die Geister des Hauses“ (1926) enthält Sch.’ „Jugenderinnerungen“ an die Schulzeit, Erlebnisse des Heranwachsenden in der Ffter Altstadt und das Wirken des Vaters im Dienst der preußischen Eisenbahnverwaltung, etwa bei der Eröffnung des Ffter Hauptbahnhofs im Jahr 1888.
Die Schwester Hedwig Sch. (1874-1948) war seit 1904 in zweiter Ehe mit dem Künstler und Schriftsteller Alfred Kubin verheiratet. Kubin war ein wichtiger Freund und Gesprächspartner für Oscar Sch. und illustrierte einige von dessen Büchern. Der Bruder Richard Ferdinand Sch. (1876-1950) war als Kunstmaler und Fotograf tätig. Vom ihm stammen u. a. zahlreiche Aufnahmen des
George-Kreises. Aus der ersten Ehe der Schwester Mathilde Sch. (1880-1945) mit dem Fabrikanten Georg Alewyn (1871-1935) stammte der spätere Literaturwissenschaftler Richard Alewyn (1902-1979).
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