Sohn des Regierungsbaurats Walther B. [nach anderen Angaben: Wilhelm B.] und dessen Ehefrau Agnes, geb. Baumann. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt soll B. geheiratet haben. Name und Lebensdaten seiner Frau sind nicht überliefert.
B. wuchs in Berlin-Steglitz auf. Nach dem Besuch des Helmholtz-Realgymnasiums leistete er zunächst einige Monate „Freiwilligen Dienst“ auf der Nordseeinsel Amrum, dann ein Jahr Militärdienst in der 5. Kompagnie des Infanterie-Regiments im schlesischen Glogau. Im Herbst 1935 nahm er an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein Studium der Medizin auf. Die Approbation als Arzt erlangte er am 17.12.1940, und am 1.2.1941 wurde er Assistenzarzt am Städtischen Krankenhaus in Rathenow/Havelland. In seiner Dissertation vom 12.11.1941 („Ärztliche Grundlagen zur Frage der Behandlungsduldung“) widmete er sich der Rolle des Arztes im Spannungsfeld zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten über den eigenen Körper und den Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen, hier dem nationalsozialistischen Staat und dem Sozialversicherungssystem.
Vermutlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zog B. nach Ffm., wo er als Militärarzt für die US-amerikanische Armee und als Neurologe tätig wurde. Nach eigenen Aussagen hatte B. in der Nachkriegszeit vor allem mit amerikanischen Patienten und Kollegen zu tun. Nach 1945 rezipierte er auch die angloamerikanische psychologische Fachliteratur in besonderem Maß. Zusammen mit dem griechischen Psychiater (Captain) Peter Emanuel Sifneos (1920-2008), der um jene Zeit am 97. Allgemeinen Krankenhaus für die United States Army in Ffm. tätig war, legte B. im Herbst 1949 im „Medical Bulletin of the European Command“ einen medizinischen Fallbericht über eine Thrombose der Arteria inferior posterior cerebelli auf Englisch vor. Er praktizierte in den Folgejahren als Facharzt für Nerven- und Gemütsleiden, zunächst unter der Anschrift Niedenau 62, dann in der Melemstraße 5.
Im Sommer 1949 gründete B. gemeinsam mit dem kaufmännischen Angestellten
Heinz Meininger und anderen den „Verein für humanitäre Lebensgestaltung“ (VhL), der als erste Interessenvertretung Homosexueller in Ffm. nach 1945 vor allem den Bedürfnissen seiner Mitglieder nach Unterhaltung und Selbstentfaltung entgegenkam. Daneben sollte der VhL auf die Entkriminalisierung der männlichen Homosexualität in der Bundesrepublik Deutschland hinwirken und arbeitete zeitweise mit dem ebenfalls 1949 in Ffm. von dem Arzt
Hans Giese neu gegründeten „Wissenschaftlich-humanitären Komitee“ (WhK) zusammen. Erklärtes Ziel des VhL wie des WhK war die Beseitigung bzw. Reform des Paragraphen 175 StGB, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte. Der VhL zählte schon nach wenigen Monaten 120 Mitglieder. Doch ist über die Rolle, die B. in dem Verein spielte, nichts bekannt. Eine offizielle Funktion übernahm er offenbar nicht.
Der VhL bemühte sich früh um eine internationale und überregionale Vernetzung aller Gruppen innerhalb der „homosexuellen“ Emanzipationsbewegung seiner Zeit. Auf dem Ersten Kongress des „International Committee for Sexual Equality“ (ICSE), der 1951 in Amsterdam stattfand, hielt B. einen Vortrag unter dem Titel „Zur Sinnfrage der Homoerotik“. Der Redetext kam wenig später in drei Teilen in der Schweizer Zeitschrift für Homosexuelle „Der Kreis“ zum Abdruck. Um den „Ffter Homosexuellenprozessen“ von 1950/51, die bundesweit für Aufsehen gesorgt hatten, von „homophiler“ Seite etwas entgegenzusetzen, wurde der Zweite Kongress des ICSE 1952 in Ffm. abgehalten. Auch hier gehörte B. neben
Hans Giese und
Hermann Weber zu den Rednern. Wenig später wurde B. von der Internationalen Freundschaftsloge (IFLO) zu einem Vortrag nach Bremen eingeladen, und 1955 trat er, erneut neben
Giese, dem vorläufigen Kuratorium des „Cultuur en Ontspanningscentrum“ (COC) in Amsterdam bei. Das COC war 1946 gegründet worden und ist heute (2021) die älteste noch bestehende LSBTIQ*-Organisation der Welt. B. und
Giese waren die einzigen Deutschen in dem achtköpfigen Aufsichtsgremium.
Im Schweizer „Kreis“ veröffentlichte B. zwischen 1951 und 1967 über zwanzig Gedichte, Artikel und persönliche Stellungnahmen. Je einen Zyklus von Sonetten widmete er Geliebten, die er „Klit“ und „Hoam“ nannte. Einzelne seiner Beiträge kamen auch in Hamburger Zeitschriften wie „Der Ring“ und „Der Weg (zu Freundschaft und Toleranz)“ zum Abdruck. B. kritisierte die Verhältnisse in Ländern wie Deutschland und Österreich, „wo unnötiges Leid durch sinnlose Gesetze geschaffen wird“. Er verneinte die Möglichkeit einer „Heilung“ von der Homosexualität durch tiefenpsychotherapeutische Maßnahmen und begrüßte es, als etwa die US-amerikanische Psychologin Evelyn Hooker (1907-1996) in einem Vortrag auf dem 14. Internationalen Kongress für angewandte Psychologie in Kopenhagen (1961) ein „plastisches Bild des ‚gay life‘“ gab, wie sie es in Los Angeles beobachtet hatte. Hooker war die erste Forscherin der allgemeinen Psychologie, die nachwies, dass sich homo- und heterosexuelle Männer in Hinblick auf ihre psychische Gesundheit nicht voneinander unterscheiden. B.s Artikel „Über das Vorurteil gegen die Homosexualität“ wurde mehrfach in Zeitschriften für „Homophile“ veröffentlicht, zunächst im Spätsommer 1956 in „Der Ring“ (Nr. 8/9), im Herbst 1957 auf Englisch in der US-amerikanischen Zeitschrift „The Mattachine Review“ (Okt.) und gleich zweimal, im Sommer 1957 und 1961, in „Der Weg (zu Freundschaft und Toleranz)“ (jeweils Nr. 8).
Ende 1962 wurde B. zum Beisitzer des Hamburger Wissenschaftlich-humanitären Komitees gewählt, zu dessen Gründung der Schriftsteller Kurt Hiller (1885-1972) die Initiative ergriffen hatte. Um diese Zeit hatte sich in Ffm. eine „homosexuelle“ Selbsthilfegruppe unter der Bezeichnung „Gesellschaft zur Wahrung der Bürger- und Menschenrechte, zur Förderung der Bestrebungen gegen Willkür und Missbrauch der Macht und für Resozialisierung“ gebildet, mit der B. bestrebt war, in Kontakt zu treten. Öffentlich sprach er sich Anfang der 1960er Jahre auch in Form von Leserbriefen für die Straffreiheit des „homosexuellen Grundtatbestandes“ aus. In Briefen an Hiller mahnte er zur Eile, was die Bemühungen anging, eine bevorstehende Strafrechtsreform zur Homosexualität positiv zu beeinflussen. Er distanzierte sich dabei von den Theorien
Hans Gieses, der in der Zwischenzeit von Ffm. nach Hamburg gezogen war und dort u. a. als Schriftführer der von ihm initiierten Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung fungierte, und bekannte sich zu den Ausführungen des Dresdener Arztes und Sexualwissenschaftlers Rudolf Klimmer (1905-1977), die dieser in seinem Buch „Die Homosexualität als biologisch-soziologische Zeitfrage“ (erstmals 1958 im Hamburger Verlag Kriminalistik erschienen) gemacht hatte. Anfang 1963 war B. neben
Theodor W. Adorno und
Karl Gerold einer der wenigen ausgewählten Ffter, die die Petition Hillers zur Beseitigung des Paragraphen 175 StGB unterschrieben.
Wohl aus gesundheitlichen Gründen – B. litt an progressiver Multipler Sklerose, die durch Aufregungen, Frustrationen und existenzielle Sorgen beschleunigt wurde – konnte sich B. nicht in die aktive Vereinsarbeit im WhK Hillers einbringen, und seine Position als Beisitzer wurde bald dem Komponisten Juan Allende-Blin (* 1928) übertragen.
Über die letzten Lebensjahre B.s ist so gut wie nichts bekannt. Belegt ist, dass er seit 1938 mit dem Kinderarzt und Psychotherapeuten Gerd Biermann (1914-2006) gut bekannt war, der von 1959 bis 1970 die psychosomatische Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche an der Münchener Universitäts-Kinderpoliklinik leitete. Für dessen „Handbuch der Kinderpsychiatrie“ (1969) übersetzte B. einen Beitrag des österreichisch-amerikanischen Psychoanalytikers René Arpad Spitz (1887-1974) aus dem amerikanischen Englisch.
B. starb 1973 in Ffm. an den Folgen der Multiplen Sklerose.
Beiträge von B. in „Der Kreis” (ohne Gedichte): „Zur Sinnfrage der Homoerotik“ (3 Teile, 1951), „Über die Behandlung der Homosexualität“ (1954), „Zur Situation in Österreich“ (1956), „Ein deutscher Abonnent“ (1957), „‚…und sie bewegt sich doch!‘“ (1961), „Zur ‚Legende‘ von Larion Gyburc-Hall“ (1963).
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