Erstes von sechs Kindern des Schneiders Wilhelm Friedrich T. und dessen Ehefrau Wilhelmine Friederike, geb. Gennrich. Vier Brüder und eine Schwester. Verheiratet (seit 1899) mit
Johanna T., geb. Carillon. Drei Söhne, u. a.
Carl T.Der gelernte Schneider kam nach 1890 auf seiner Wanderschaft als Geselle über Berlin nach Ffm., wo er seit 1892 bei dem Schneidermeister Johann
Bernhard Carillon (1838-1908) in Sachsenhausen arbeitete. 1899 heiratete T. eine Tochter seines Meisters,
Johanna Carillon, deren unehelich geborenen Sohn Friedrich, gen. Friedel (1896-1916; gefallen im Ersten Weltkrieg), er annahm; aus der Ehe stammten zwei weitere Söhne, Wilhelm, gen. Busch (1899-1943), und
Carl, gen. Carlemann (1902-1970). Seit 1903 arbeitete T. bei der eng mit Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie verbundenen Union-Druckerei und Verlagsanstalt. Zunächst war er als Expedient im Versand der dort erscheinenden überregionalen „Volksstimme“ tätig; ab 1905 war in den Abteilungen der Buchhaltung und Kasse beschäftigt, und zuletzt leitete er die Anzeigenabteilung. Im April 1933, im Zuge der Einstellung der Zeitung und Liquidierung der Druckerei durch die neuen, nationalsozialistischen Machthaber, wurde T. entlassen und ging damit zwangsweise in den Ruhestand.
Der jüngste Sohn
Carl T., der im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv war, konnte angesichts einer drohenden Verhaftung im November 1935 in die Schweiz fliehen, wo ihn die Eltern gemeinsam für einige Wochen 1937 und erneut für ein paar Tage 1938 besuchten. Der mittlere Sohn Wilhelm T., der bei der Firma „Voigt & Haeffner“ in Ffm. arbeitete, kam dort bei dem schweren Luftangriff vom 4.10.1943 ums Leben. Im Zuge der „Aktion Gitter“ wurde
Johanna T. als ehemalige Reichstagsabgeordnete der SPD am 22.8.1944 durch die Gestapo verhaftet. Bei einer „zweiten Sprecherlaubnis“ im Untersuchungsgefängnis Klapperfeld sah sich das Ehepaar am 9.9.1944 zum letzten Mal. Einige Tage später (18.9.1944) wurde
Johanna T. in das Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen. Mehrfach versuchte T., seine Frau durch entsprechende Eingaben freizubekommen; er schrieb zunächst an das Ffter Gestapohauptquartier in der Lindenstraße, dann an die Leitung des KZ Ravensbrück und schließlich (27.11.1944) auch an die „Kanzlei des Führers“ – ohne Erfolg. Am 16.2.1945 erreichte ihn eine letzte Karte seiner Frau. Erst am 15.7.1945 bekam er die Nachricht, dass
Johanna T. bereits im März 1945 im KZ Ravensbrück gestorben sei. Ihren Abschiedsbrief übergab ihm die nach Ffm. zurückgekehrte Widerstandskämpferin
Lore Wolf am 27.8.1945. Richard T. trug seitdem die letzten Briefe seiner Frau aus der Haft immer bei sich, in seiner Brieftasche, die ihm in den Fünfzigerjahren jedoch gestohlen wurde. Aufrufe in den Ffter Zeitungen an den Dieb, alles zu behalten, aber die Briefe zurückzugeben, waren vergeblich.
Seit 1892 Mitglied der SPD, deren Distriktverwaltung und Vorstand er von 1899 bis 1915 angehörte.
T.s ehrenamtliche Tätigkeit im Bereich der Arbeiter-Kulturvereine galt in besonderem Maße der Volksbühnenbewegung. Bereits 1890 der damals entstehenden Berliner Freien Volksbühne beigetreten, gehörte er auch der Ffter Volksbühne seit deren Gründung 1921 an.
Von 1892 bis 1904 Mitglied der Ffter Filiale des Deutschen Schneider- und Schneiderinnen-Verbands. Mitglied im Verein Arbeiterpresse und Unterstützungs-Vereinigung (nachweislich 1903-12), im Arbeiter-Gesangverein „Union“ in Ffm. (1906 bis nachweislich 1922) und im Deutschen Republikanischen Reichsbund (nachweislich 1927-32). Gründungsmitglied der Arbeiterwohlfahrt in Ffm. Bis 1933 Versichertenvertreter im Ausschuss der Allgemeinen Ortskrankenkasse Ffm.
1960 Ehrenplakette der Stadt Ffm. und Ehrenmitglied der Ffter Volksbühne.
Familiennnachlass im ISG. Weitere Nachlasssplitter im HMF.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 465f.,
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