Eines von elf Kindern des Landgerichtssekretärs Nicolaus Anton T. und dessen Ehefrau Elisabeth Cordula, geb. Jansen.
Den Entschluss, Priester zu werden, fasste T. nach eigenen Worten mit 14 Jahren. Abitur in Aachen. Seit 1832 Studium der Theologie in Bonn. Auf Wunsch des Kölner Erzbischofs zwei zusätzliche Semester juristische Studien. 1836 Eintritt in das Kölner Priesterseminar. 1837 Priesterweihe. Seit 1838 Kaplan in Kornelimünster. Ab 1842 Lehrer an der Stadtschule in Jülich. 1847 Pfarrverwalter an St. Alban in Köln. 1848 Administrator, dann seit 1849 Pfarrer der Gemeinde St. Jakob (mit der Pfarrkirche St. Georg) in Köln. Daneben von 1849 bis 1858 Sekretär des Kölner Dombauvereins und dadurch Kontakt mit Persönlichkeiten des kirchlichen, politischen und künstlerischen Lebens. 1848 Mitinitiator der in Köln herausgegebenen katholischen Tageszeitung „Rheinische Volkshalle“ (1849-55 „Deutsche Volkshalle“). Von 1852 bis 1858 Abgeordneter für die Wahlkreise Düren/Jülich und Mitbegründer der katholischen Fraktion im Preußischen Abgeordnetenhaus.
Im November 1858 wurde T. als Nachfolger des verstorbenen Tirolers
Beda Weber Stadtpfarrer in Ffm. Mit dem Amt des Stadtpfarrers verbunden war die Funktion eines Bischöflichen Kommissars, der nichtresidierender und nichtdotierter Domkapitular am Limburger Kapitel war. Die katholische Gemeinde hatte sich zunächst für den Innsbrucker Theologieprofessor Alois Flir (1805-1859) als neuen Stadtpfarrer ausgesprochen, der aber keine Freigabe erhielt. Die Wahl fiel schließlich auf den Rheinländer T., der vom Ffter Senat im Amt bestätigt wurde, obwohl T.s bisheriges Wirken nicht auf einen Ausgleich strittiger Fragen zwischen der Limburger bischöflichen Behörde und dem städtischen Senat hoffen ließ.
T.s Amtsvorgänger
Weber hatte eine Instruktion der verfassungsmäßigen freistädtischen Schulaufsichtsbehörde, der „Katholischen Kirchen- und Schulkommission“, für die Religionslehrer (in der Regel Kapläne) an den katholischen Schulen akzeptiert, war dafür aber bischöflicherseits gemaßregelt worden. T. dagegen verweigerte mit bischöflicher Unterstützung die Befolgung der Instruktion, da sie die Erteilung des Religionsunterrichts als staatliche Dienstaufgabe statt als göttlichen Auftrag erscheinen lasse. Der Dissens war Ausdruck der Emanzipationsversuche der katholischen Kirche vom Staatskirchentum in den Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz (Erzbistum Freiburg). Vor diesem Hintergrund führten T. und das Limburger bischöfliche Ordinariat einen Prinzipienstreit um die Stellung des Stadtpfarrers zu den Ffter katholischen Schulen. Zum Konfliktpunkt wurden dabei auch die Weisungen T.s an die Oberlehrer. Diese wollten die Weisungen nicht mehr hinnehmen und fanden damit Unterstützung bei den weltlichen Mitgliedern der Katholischen Kirchen- und Schulkommission. T. wies seine Kapläne an, bei Fortgeltung der Religionslehrer-Instruktion keinen schulischen Religionsunterricht mehr zu erteilen, legte seine nach der Ffter Verfassung gebotene Mitarbeit in der Kommission nieder und ging mit einer Rechtfertigungsschrift an die Öffentlichkeit.
T. erklärte, an der Suprematie über die katholischen Schulen festhalten zu wollen, und machte weiterhin Gebrauch von der Praxis, einzelne Schülergruppen spontan zur Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen aus dem Unterricht zu holen. Die Oberlehrer weigerten sich zunehmend, dies zu akzeptieren, und fanden auch damit Rückhalt bei den weltlichen Kommissionsmitgliedern. T. nahm die Machtprobe an und legte eine Sonderbeichte fest, zu der eine Lehrkraft die Kinder in die Kirche führen sollte, was T.s Auffassung von der Schule als unselbstständigem, dienendem Annex der Kirche unterstrich. Der Kommissionsvorsitzende Senator
Johannes Speltz antwortete im Oktober 1859 mit einer umfangreichen Gegendarstellung, mit der er die an geltenden staatsrechtlichen Bestimmungen orientierte Position der weltlichen Kommissionsmehrheit darlegte. Der gesamte Vorgang fand ein eingehendes publizistisches Echo in der demokratischen Presse, besonders in der Ffter Gemeinnützigen Chronik. Innerhalb der katholischen Welt gewann T. damit weiter an Ansehen.
In Ffm. knüpfte T. an die Förderung des Vereinslebens durch
Beda Weber an (Elisabethenverein und Kolpingverein, 1859), blieb regelmäßiger Redner bei den Generalversammlungen der katholischen Vereine (den späteren Katholikentagen) und holte als Organisator die 15. Versammlung 1863 nach Ffm. und damit erstmals in eine überwiegend protestantische Stadt. Auf diesem Ffter Katholikentag regte T. die Bildung eines Broschürenvereins an, mit dem Ziel, weiten Bevölkerungskreisen volkstümlich-katholische Abhandlungen zu den unterschiedlichsten Themen zur Verfügung zu stellen. Bei der 16. Generalversammlung in Würzburg 1864 wurde der „Katholische Broschürenverein“ gegründet, unter der Leitung von T. selbst, der mit Paul Leopold Haffner (später Bischof von Mainz; 1829-1899) und
Johannes Janssen (Priester und katholischer Geschichtslehrer am Ffter Gymnasium) als Herausgeber der „Frankfurter zeitgemäßen Broschüren“ (ab 1865, Titel ab 1870) firmierte.
T. begrüßte die Eingliederung Fft.s in die preußische Monarchie ab 1866, da die preußische Verfassung den Religionsgesellschaften größere Freiheiten einräumte. 1867 gehörte T. für den Wahlkreis Köln-Stadt dem konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes an. Während der Sitzungszeit kümmerte er sich in Berlin um seelsorgliche Belange kleinerer katholischer Gemeinden im Norden der Stadt. Nach dem Ffter Dombrand 1867 setzte sich T. für einen raschen Wiederaufbau des Doms ein, gründete einen Dombauverein und erhielt auch vom preußischen König Unterstützungszusagen.
Zu T.s Bekanntenkreis in Ffm. gehörten Geistliche, Künstler und Gelehrte, etwa der katholische Historiker
Johannes Janssen, der Nazarenermaler
Edward (von) Steinle, der Lyriker Franz Alfred Muth (1839-1890), der lutherische Historiker
Johann Friedrich Böhmer sowie die verwitwete „Frau Rat“ Sophie Schlosser (1786-1865), die auf Stift Neuburg bei Heidelberg einen katholischen Salon unterhielt. Dem preußischen Gesandten beim Bundestag, Karl Friedrich von Savigny (1814-1875), blieb T. auch verbunden, als beide später (ab 1870) dem Preußischen Abgeordnetenhaus und dort der Zentrumsfraktion angehörten.
1869 gab T. das Amt des Ffter Stadtpfarrers auf, zog nach Limburg und verfolgte damit einen erneuten Schulkonflikt nicht weiter: Die städtischen Behörden beabsichtigten, eine für preußische Städte vorgesehene kommunal-überkonfessionelle Schulbehörde einzurichten, der in den ersten Überlegungen kein Geistlicher mehr angehören sollte. Die Beratungen dafür wurden anfangs unter Umgehung der übergangsweise noch amtierenden freistädtisch-konfessionellen Schulbehörden sowie der Geistlichkeit direkt mit den Vorständen der Kirchengemeinden geführt.
In Limburg versah T. seinen Dienst als residierender Domkapitular und ging wieder einer politischen Tätigkeit nach: Von 1870 bis 1873 sowie von 1875 bis 1877 hatte er erneut ein Mandat im Preußischen Abgeordnetenhaus inne, entsandt von den Wahlkreisen Eupen/Aachen. Die Unterbrechung im Jahr 1874 resultierte aus der Ernennung T.s zum Regens des Limburger Priesterseminars, das aber schon 1875 im Kulturkampf vorübergehend geschlossen wurde. T. initiierte die Zeitung „Nassauer Bote“, die während des Kulturkampfs die katholische Sache unterstützte, und schrieb dafür viele Beiträge. Darüber hinaus widersetzte er sich mehrfach den preußischen Kulturkampfgesetzen. Nach schwerer Krankheit starb T. 1877 in Limburg.
T. war ein umtriebiger, kämpferischer Vertreter des politischen Katholizismus, einer Bewegung, die sich durch eindeutige Orientierung nach Rom sowie durch Forderungen nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Kirche auszeichnete. Im Sinne des politischen Katholizismus verstand es auch T., die Presse zu nutzen und die Organisation der Laien in Vereinen zu fördern, um die katholische Massenbasis zu erweitern. In seiner Amtszeit als Stadtpfarrer ab 1858 in Ffm. nahm T. für seine Kirche allerdings Rechte in Anspruch, wie sie in der Ffter Verfassung von 1816 (die in der Tradition des Staatskirchentums stand) nicht enthalten waren, und belastete damit das Verhältnis zu den städtischen Behörden bereits im ersten Amtsjahr.
Veröffentlichte Schriften und Vorträge: „Mittheilungen über den in der katholischen Kirchen- und Schulcommission zwischen deren weltlichen und geistlichen Mitgliedern entstandenen Conflikt. Anlage zu dem Schreiben des Stadtpfarrers Thissen an den Vorstand der katholischen Gemeinde vom 12. Mai 1859“ (1859), „Ueber sociale Fragen der Gegenwart. Rede des (…) Stadtpfarrers Thissen in der General-Versammlung der St. Vincentius- und Elisabeth-Vereine zu Ffm.“ (6.4.1862), „Die Lebenskraft des Christenthums in den europäischen Culturstaaten und der erwartete religionslose Staat“ (Vortrag bei der 14. Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands zu Aachen, 9.9.1862), „Rede bei der Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph von Oesterreich in der Domkirche zu Ffm. am 18. August 1863, während des Fürstentages“ (1863), „Die katholische Kirche und die Presse in Nord-Amerika“ (1866), „Die kirchlichen Zustände in der ehemaligen Ffter Landgemeinde Niederrad“ (1869), „Zur Ffter Schulfrage. Ein Wort an die Bürgerschaft Fft.’s jeglicher Confession“ (1869), „Das große Mißverständnis in Sachen der päpstlichen Unfehlbarkeit. Ein Wort zur Verständigung“ (1870), „Der Jesuitenorden und der Freimaurerorden“ (Vortrag in der öffentlichen Katholikenversammlung zu Aachen, 5.11.1871). Die Reden von T. auf den Generalversammlungen der katholischen Vereine, im Preußischen Landtag und im konstituierenden Norddeutschen Reichstag 1867 sind in den jeweiligen gedruckten Protokollen enthalten.
1859 Offizialatsrat. 1861 Päpstlicher Geheimkämmerer. 1863 Ritterkreuz I. Klasse des Verdienstordens vom Heiligen Michael. 1868 Ehrendomherr zu Limburg.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 470,
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