Sohn von
Carl Ludwig B. (1744-1817), seit 1793 Kanzleirat im Dienst der Stadt Ffm., und dessen zweiter Ehefrau Juliane Wilhelmine, geb. von Hofmann (1768-1844).
Schüler am Institut Hadermann (1804-07), dann am städtischen Gymnasium (bis 1812) und am Lyceum Carolinum (bis 1813) in Ffm. Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg (1813/14), dann in Göttingen (bis 1817). Neben dem Pflichtstudium beschäftigte sich B. mit Kunstgeschichte und studierte alte Sprachen. Auf seiner ersten von insgesamt vier Italienreisen (1818-19) wandte er sich, beeinflusst von der Romantik durch die Freundschaft mit
Johann David Passavant,
Peter von Cornelius u. a., dem Studium des deutschen Mittelalters zu. Die finanzielle Unabhängigkeit nach dem Tod des
Vaters (1817) ermöglichte B., seine beruflichen Tätigkeiten nach Neigung auszuwählen. Verbindung zwischen erlerntem Beruf und Interesse an mittelalterlicher Kunst wurde für B. seine Berufung als Administrator in die Verwaltung der Städel’schen Kunststiftung (1822). In der seit dem Tod
Johann Friedrich Städels (1816) strittigen Frage, ob eine Stiftung durch letztwillige Verfügung gegründet werden könne, gelang es B., im Rechtsstreit mit den natürlichen Erben des
Stifters zu einem Vergleich zu gelangen, welcher dennoch zur finanziellen Schwächung des Kunstinstituts führte. Interessendifferenzen zwischen B. und der Administration führten 1834 zur Niederlegung seines Amts.
Gleichzeitig arbeitete B. seit 1822 zunächst in vorübergehender Anstellung in der Stadtbibliothek in Ffm., wo er die Übernahme der Buchbestände aus den säkularisierten Klöstern leitete. Nach dem Bezug des neuen Gebäudes der Stadtbibliothek am Obermaintor wurde B. zum ersten Bibliothekar gewählt (1830-63). Die wichtigste Aufgabe in dieser Funktion war die Integration der übernommenen Buchbestände, wodurch eine Neuorganisation des vorhandenen Bestands notwendig wurde. Besonderes Verdienst B.s war die Gestaltung des Katalogsystems nach neuesten wissenschaftlichen Kriterien, wobei er sich am Vorbild der Münchener Hofbibliothek orientierte. Die von ihm eingeführte fachliche Gliederung für die Aufstellung der Bestände bestimmte die Organisation der Bibliothek bis 1930. Besondere Verdienste um die Dokumentation der Ffter Stadtgeschichte erwarb sich B. u. a. mit dem Ankauf zweier wertvoller historisch-genealogischer Handschriftensammlungen aus den Nachlässen der Ffter Patrizier
Fichard und
Glauburg. Parallel zu seinem Amt als Stadtbibliothekar erhielt B. 1825 die Berufung zum Verwalter des Ffter Stadtarchivs. Hier wirkte er bei der Einordnung der hinzugekommenen Archivalien aus den 1806 in Ffm. säkularisierten Klöstern mit. Sein Hauptziel in diesem Amt bestand jedoch darin, ein Ffter Urkundenbuch zu bearbeiten, um die notwendige Grundlage zur wissenschaftlichen Erforschung der Stadtgeschichte zu erstellen. Die Edition dieser für Ffm. relevanten Urkunden des Zeitraums 794 bis 1400 fand in der Fachwelt große Anerkennung und stellte B.s wichtigste wissenschaftliche Leistung für Ffm. dar. Mit dem Erscheinen des „Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus“ (1836) gab B. seine Stellung im Archiv auf.
Bedeutsamer Anstoß für seine wissenschaftliche Laufbahn war die durch
Johann Karl Fichard vermittelte Bekanntschaft B.s zu
Karl Freiherr vom Stein, der 1819 in Ffm. die Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde gegründet hatte. B. wurde 1823 zunächst als Hilfe für den erblindenden
Fichard zum außerordentlichen Ehrenmitglied berufen. Nach dem Tod
Steins (1831) leitete er zusammen mit Georg Heinrich Pertz die Gesellschaft bis zu seinem Tod. Neben seiner Tätigkeit als Sekretär der Gesellschaft fiel B. als wissenschaftliche Aufgabe die Edition der deutschen Kaiserurkunden (911-1313) zu. In deren Vorbereitung entstand die Reihe „Regesten des Kaiserreichs“ als eigenes wissenschaftliches Projekt, mit dem er 1829 begann. Hieraus erwuchs das bis heute fortgeführte Projekt der „Regesta Imperii“. Diese verzeichnen sämtliche urkundlich und historiographisch belegten Aktivitäten der römisch-deutschen Könige und Kaiser von den Karolingern bis zu
Maximilian I. (ca. 751-1519) sowie der Päpste des frühen und hohen Mittelalters in Form deutschsprachiger Regesten. Eine enge Verbindung pflegte B. seit 1823 zum romantischen Dichter
Clemens Brentano. B. erwarb sich auch Verdienste bei der abschriftlichen Überlieferung von dessen Märchen und Gedichten; er wurde von
Brentano in dem „Märchen von Gockel, Hinkel, Gackeleia” (1837) als „Urkundius Regestus” literarisch bedacht.
B., der sich selbst für eine politische Laufbahn geboren sah, engagierte sich in politisch-historisch-wirtschaftlichen Diskussionen im Kreis um den Ffter Bürgermeister
Thomas und bei den „Dienstagsleuten“ (
Vogt,
Fichard u. a.). In Gleichsetzung von Geschichte und Politik publizierte B. verschiedene Schriften, u. a. in Ablehnung des von Preußen ausgehenden Zollvereins die Schrift „Das Zollwesen in Deutschland geschichtlich betrachtet“ (1832), welche
Thomas als politisches Werkzeug nutzte. Nach B.s Enttäuschung von der Nationalversammlung (1848) griff er aktiv in den Ffter Verfassungsstreit um das Organische Gesetz (als Zusatz zur Konstitutionsergänzungsakte von 1816) ein. In einer Klage wandte er sich zusammen mit elf weiteren Ffter Bürgern gegen dieses Gesetz an die Bundesversammlung (1853). Verschiedene Angriffe im „Volksboten“ veranlassten B. zu weiteren Ausführungen über die reichsstädtische Verfassung und die Mängel des deutschen Parteiensystems, wobei seine Vorbehalte gegen die Demokratie und seine Vorliebe für das 1806 untergegangene Kaiserreich deutlich wurden. Durch die Initiative
Bismarcks verzichtete der Bundestag darauf, sich in das Organische Gesetz einzuschalten, wodurch die Hoffnung der Kläger auf eine Erneuerung der Verfassung und Verwaltung Fft.s abgelehnt wurde. Aufgrund der Erfahrungen im Verfassungsstreit und seiner Scheu vor der Öffentlichkeit des politischen Lebens zog sich B. in seinen letzten Jahren ganz in seine wissenschaftliche Arbeit zurück.
Mehrere Forschungsreisen B.s innerhalb Deutschlands und nach Österreich, Italien und in die Schweiz.
Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Vereinigungen, u. a. im Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde sowie in den Akademien der Wissenschaften in München, Göttingen und Berlin. Ein im Testament B.s ausgesetztes Legat für geschichtswissenschaftliche Zwecke („B.stiftung zur Erforschung der Reichs- und Stadtgeschichte“) ging infolge der Inflation verloren.
Der Name von B. ist bis heute untrennbar verbunden mit einem der bedeutendsten Grundlagenwerke zur mittelalterlichen deutschen (und europäischen) Geschichte, den Regesta Imperii. Zahlreiche weitere Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte, darunter mehrere Bände „Regesten des Kaiserreichs“ (ab 1831) und „Fontes rerum Germanicarum. Geschichtsquellen Deutschlands“ (ab 1834). Verschiedene Schriften zur Ffter Geschichte: „Studienprogramm für Ffter Geschichte“ (1829), „Die rothe Thüre zu Ffm. Ein Beitrag zu den Alterthümern des dortigen Schöffengerichts“ (1831), „Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus. Urkundenbuch der Reichsstadt Fft.“ (1836) und „Das Hospital zum heiligen Geist in Fft.“ (1840). Mehrere Aufsätze im „Archiv für Fft.s Geschichte und Kunst“ (ab 1844). Nachrufe auf
Johann Gerhard Christian Thomas (1839) und
Johann Friedrich Heinrich, gen. Fritz, Schlosser (1851).
1856 Preis der Wedekind-Stiftung in Göttingen für sein Werk „Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV.,
Friedrich II., Heinrich (VII.) und Conrad IV. 1198-1254“ (1849).
Ein Ölporträt (von Amélie de Barrelier, 1847) und zwei Porträtzeichnungen (von Carl Barth, 1828, und von
Edward von Steinle, 1867) in der UB Ffm. Marmorbüste (von
Johann Nepomuk Zwerger, 1866; im Zweiten Weltkrieg zerstört) im Treppenhaus und Standbild (von
Gustav Herold, 1893; im Zweiten Weltkrieg zerstört) an der Ostfront auf dem Magazinflügel der alten Stadtbibliothek am Obermaintor.
An der Stelle von B.s (1944 zerstörtem) Geburtshaus am Großen Hirschgraben 17, in dem er bis zu seinem Tod wohnte, wurde an seinem 100. Todestag 1963 eine bronzene Gedenktafel (von
Georg Krämer, 1963) angebracht. Ehrengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann A 235-236).
Schriftlicher Nachlass in der Handschriftenabteilung der UB Ffm. Bildersammlung im Städelschen Kunstinstitut in Ffm. Ein weiterer Teil des Nachlasses (Handschriften und Briefwechsel zu B.s Urkundenbuch der Stadt Ffm. und anderen Ffter Studien usw.), der sich im Stadtarchiv Ffm. befand, ging bei dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg verloren.
Zum 100. Todestag 1963 Gedenkfeier der Stadt Ffm. in Zusammenarbeit mit dem Historischen Seminar der Universität, der Ffter Historischen Kommission und dem Ffter Verein für Geschichte und Landeskunde im Cantate-Saal (somit in direkter Nachbarschaft zum früheren Standort von B.s Geburts- und Sterbehaus) und Gedächtnisausstellung „Johann Friedrich Böhmer und
Clemens Brentano“ des Freien Deutschen Hochstifts im Goethe-Museum in Ffm.
B.straße im Westend. Die Johann Friedrich B.-Plakette der Stadt Ffm., die 1963 zum zweiten Mal überhaupt vergeben wurde (an den Historiker Herbert Grundmann), wird nicht mehr verliehen.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 84-86,
).