Zweite Tochter des späteren Stadtschultheißen
Johann Wolfgang Textor und dessen Ehefrau Anna Margaretha, geb. Lindheimer (1711-1783). Jüngere Schwester von
Goethes Mutter
Catharina Elisabeth, geb. Textor. Verheiratet (seit 1751) mit dem Materialienhändler Georg Adolf M. (1725-1780). Elf Kinder, von denen nur vier die Mutter überlebten.
Zusammen mit drei Schwestern und einem Bruder wuchs Johanna auf dem Textor’schen Anwesen in der Friedberger Gasse Lit. C 10/11 (heute: Große Friedberger Straße 20; größtenteils zerstört 1796, endgültig niedergelegt 1863) auf. In „Dichtung und Wahrheit“ (I,1) zeichnet
Goethe das Bild der „Tante M.“ als einer warmherzigen, dabei aber äußerst lebhaften Person. Vor allem „zur Zeit öffentlicher Feierlichkeiten, wie bei Krönungen“, sei sie schon als Kind „nicht zu Hause zu halten“ gewesen. Einmal habe sie „dem vorbeifahrenden
Kaiser Karl dem Siebenten, während eines Augenblicks, da alles Volk schwieg, auf einem Prallsteine stehend, ein heftiges Vivat in die Kutsche gerufen und ihn veranlaßt (...), den Hut vor ihr abzuziehen und für diese kecke Aufmerksamkeit gar gnädig zu danken“. Nach der Heirat mit Georg Adolf M. 1751 bewohnte M. mit ihrer Familie das Haus zum Eßlinger am Hühnermarkt (kriegszerstört 1944, Reste abgerissen 1950, rekonstruiert 2012-18), in dem sich auch die von ihrem Mann und einem Kompagnon geführte Materialwarenhandlung „Melber & Wagner“ befand.
Goethe erinnert sich gern an die Besuche in dem Haus und Laden „mitten im lebhaftesten, gedrängtesten Teile der Stadt an dem Markte“, und bei der Tante waren die Geschwister Goethe, der sechsjährige
Wolfgang, seine um ein Jahr jüngere Schwester
Cornelia und vermutlich wohl auch der gerade dreijährige Bruder Hermann Jakob (1752-1759), während des Umbaus ihres Elternhauses 1755/56 untergebracht. Alles um die Tante her sei „bewegt, lebenslustig und munter“ gewesen, so dass die Kinder ihr „manche frohe Stunde“ zu verdanken gehabt hätten. Nach dem Tod ihres Mannes 1780 geriet M. mit ihren unversorgten Kindern in wirtschaftliche Schwierigkeiten, und ihre Schwester
Catharina Elisabeth Goethe half ihr mit einem großzügigen und langfristigen Darlehen aus. Die Materialwarenhandlung, die M. zunächst selbst weiterzuführen versucht haben soll, wurde mit dem Verkauf des Hauses zum Eßlinger 1788 abgegeben. Zwischen den Familien Goethe und M. bestand lange ein verwandtschaftlich-vertrauter Kontakt. Der jüngste Sohn von Johanna M., Johann
Georg David M. (1773-1824), wurde von seiner Tante
Catharina Elisabeth Goethe besonders gefördert, studierte Medizin und erhielt 1803 die Stelle als Stadtgeburtshelfer in Ffm.; als Hausarzt betreute er die
Rätin Goethe bis zu ihrem Tod 1808.
Johann Wolfgang Goethe wiederum besuchte seine Tante M. bei seinen Aufenthalten in Ffm. 1797, 1814 und 1815, nahm an der Feier zur Hochzeit von M.s Enkelin Johanna Neuburg (1794-1848) mit dem Stadtbaumeister
Friedrich Hess auf dem Oberforsthaus im August 1815 teil, hielt Verbindung zu seinem Cousin Georg M. und korrespondierte mit der mittlerweile hochbetagten Tante Johanna M. bis 1820. Noch in hohem Alter verfolgte M. interessiert Tagesereignisse und Zeitgeschehen.
Gedenkinschrift mit einer Porträtplakette M.s (von Alexander Kraumann, 1932, in einem Nachguss von Berahna, 2017) am rekonstruierten Haus zum Eßlinger, Hinter dem Lämmchen 2, in der neuen Altstadt.
Johanna-M.-Weg in Sachsenhausen. Haus Johanna M., ein Altenpflegeheim im Quartierszentrum Bürgermeister-Gräf-Haus, in Sachsenhausen.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 31,
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