Tochter des promovierten Juristen, Ratsherrn und baldigen Schöffen sowie späteren Stadtschultheißen
Johann Wolfgang Textor (1693-1771) und dessen Ehefrau Anna Margaretha, geb. Lindheimer (1711-1783), einer Tochter des aus Ffm. gebürtigen Juristen Cornelius Lindheimer (1671-1722), der Prokurator (Staatsanwalt) am Reichskammergericht in Wetzlar war. Urenkelin der Juristen
Johann Wolfgang Textor (1638-1701), Syndikus der Reichsstadt Ffm. (väterlicherseits), und Johann David Seip (1652-1729), Syndikus der Reichsstadt Wetzlar (mütterlicherseits). Acht Geschwister, von denen zwei ältere Brüder im Alter von wenigen Tagen gestorben waren, so dass Catharina Elisabeth das älteste Kind in der Familie war: David Wolfgang Textor (* 12.5.1728, ▭ 19.5.1728); Johann Wolfgang Textor (* 19.8.1729, ▭ 6.9.1729); Henrich David Wolfgang Textor (* 24.1.1733, ▭ 2.2.1733);
Johanna Maria Textor (seit 1751 verh. Melber, 1734-1823); Sibylla Maria Anna Textor (1737-1738); Anna Maria Textor (seit 1756 verh. Starck, 1738-1794);
Johann Jost Textor (1739-1792), Advokat, Ratsherr und Schöffe; Anna Christine Textor (seit 1767 verh. Schuler, 1743-1819). Verheiratet (seit 1748) mit dem Wirklichen Kaiserlichen Rat
Johann Caspar G. (1710-1782). Sieben Kinder, von denen zwei das Erwachsenenalter erreichten:
Johann Wolfgang G. (1749-1832);
Cornelia Friederica Christiana G. (seit 1773 verh. Schlosser, 1750-1777); Hermann
Jacob G. (1752-1759); Catharina Elisabetha G. (1754-1756); eine totgeborene Tochter (1756); Johanna Maria G. (1757-1759), Georg Adolph G. (1760-1761).
Zu G. und ihrer Biographie sind nur eingeschränkt authentische Quellen überliefert, auch wenn sich die Fakten im äußeren Lebenslauf gut belegen und rekonstruieren lassen. Gerade aus G.s Kindheit, Jugend und ersten Ehejahren gibt es jedoch nur wenige Zeugnisse. Ein Tagebuch hat G. offenbar nicht geführt. Ihre später so umfangreiche Korrespondenz (insgesamt über 400 Briefe) setzt erst 1774 ein und dürfte eher lückenhaft erhalten sein (so dass sich etwa keinerlei Briefe an die Tochter finden); auch hat
Johann Wolfgang G. alle Briefe der Mutter bis 1792, die sich in seinem Besitz befanden, 1797 verbrannt. (Vier frühere Briefe von Catharina Elisabeth G. an den Sohn, der erste vom 23.3.1780, blieben verschont, weil
Johann Wolfgang G. zum Zeitpunkt des Autodafés nicht über sie verfügte.) Wichtige Quelle für das Leben im Hause G. ist das Ausgabenbuch von
Johann Caspar G. („Liber domesticus“, 1753-79; im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar), das von G. infolge der Erkrankung des Ehemanns ab 1779 mit dem „Haußhaltungs Büchlein“ (über die alltäglichen Ausgaben) und dem „Cassa-Buch“ (über größere Ausgaben und Personalkosten) fortgesetzt wurde (alle im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar). Ihre Erinnerungen, vor allem an die Kinder- und Jugendjahre des mittlerweile berühmten Sohnes, erzählte G. ab 1806 ihrer Besucherin
Bettine Brentano.
Bettine gab die Erzählungen der Frau Rat in späteren Briefen an
Johann Wolfgang G. weiter, allerdings wahrscheinlich bereits in von ihr bearbeiteter und ausgeschmückter Form, und
Johann Wolfgang G. verwertete sie für seine Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ (DuW, 1811-14/33) und den damit im Zusammenhang entstandenen, jedoch unveröffentlichten Text „Aristeia der Mutter“ (1831; im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar). Schließlich benutzte
Bettine das von ihr gesammelte Material u. a. für ihren eigenen Briefroman „
Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde“ (1835). Beide Werke,
Goethes Autobiographie und
Bettines Briefroman, gestalteten maßgeblich den Mythos von G. als der „Dichtermutter“ mit und sind daher in Bezug auf ihren Quellenwert kritisch zu lesen.
Elisabeth, wie sie gerufen wurde, wuchs mit vier jüngeren Geschwistern in ihrem Elternhaus, einem hofähnlichen Anwesen mit angrenzendem großem Garten, in der Friedberger Gasse (heute: Große Friedberger Straße) Lit. C 10/11 (später Nr. 20-22) auf. Die vier Schwestern Textor wurden wohl relativ frei erzogen, ohne „Schnürbrust“ für die Seele (so G. an
Gustav Friedrich Wilhelm Großmann, Ffm., 19.5.1780, zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 126), und erhielten eine einfache Schulbildung, wie sie damals für Mädchen aus bürgerlichen Familien üblich war. Elisabeth besuchte wahrscheinlich die Schule des Schul-, Sprach- und Rechenmeisters Bischoff neben der Peterskirche, wo sie im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet wurde; ihre Orthografie sollte allerdings eher abenteuerlich bleiben, zumal in ihren privaten Briefen, in denen sie augenscheinlich impulsiv und durchaus sprachschöpferisch drauflos zu schreiben pflegte. Auch wurde das Mädchen auf eine Näh- und Strickschule geschickt; später erlernte Elisabeth feine Handarbeiten, wie z. B. das Klöppeln, womit sie sich zeitlebens gern beschäftigte. Dazu kamen noch Religionsstunden, vermutlich bei dem mit der Familie Textor befreundeten Pfarrer
Johann Philipp Fresenius, und offenbar Klavierunterricht. Dieses Pensum sollte genügen, um später einmal einen Haushalt führen zu können; doch das Manko einer unzureichenden Bildung hat G. bis ins hohe Alter schmerzlich empfunden, und sie arbeitete stets dagegen an. Die Geschichte einer Jugendliebe der knapp elfjährigen (!) Elisabeth zu Kaiser
Karl VII. anlässlich von dessen Wahl und Krönung in Ffm. 1742 dürfte eine der vielen Legenden um ihre Person sein; zum Zeitpunkt der kolportierten letzten Begegnung der 14-Jährigen mit dem Kaiser bei einer offenen Tafel im Römer am Karfreitag 1745 war
Karl VII. tatsächlich schon verstorben. In diesem Fall wurde die Geschichte vermutlich erfunden von
Bettine von Arnim, die Fakten und Fiktion in ihrem Briefroman „
Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde“ (1835) zu einem perfekten Idealbild der Figuren mischte.
Seit 1747 bekleidete der Vater
Johann Wolfgang Textor das Amt des Stadtschultheißen, womit er der höchste Beamte und oberste Richter in der Reichsstadt Ffm. war. Damit dürfte seine Familie im Ansehen weiter gestiegen sein, auch wenn sie, anders als es später
Johann Wolfgang G. in Weimar gern darstellte, aufgrund von Herkunft und Stand nie zum städtischen Patriziat zählte. Am 20.8.1748 wurde die 17-jährige Stadtschultheißentochter Catharina Elisabeth Textor mit dem 38 Jahre alten Wirklichen Kaiserlichen Rat
Johann Caspar G. verheiratet. Die Trauung durch den „Familienpfarrer“
Johann Philipp Fresenius fand im privaten Rahmen im Gartenhaus des Juristen und Schriftstellers
Johann Michael von Loën, eines angeheirateten Onkels der Braut, „an der Windmühle“ statt (später Untermainkai 70; Villa und Garten nicht erhalten, auf dem Gelände das Gewerkschaftshaus errichtet 1930-31). Die Verbindung war für beide Seiten eine gute Partie. Für den promovierten Juristen
Johann Caspar G. als ersten Akademiker aus seiner Familie manifestierte sich darin der Aufstieg in das gebildete Bürgertum der Stadt. Seiner jungen Frau konnte der Kaiserliche Rat, der bereits seit 1745 – wenn auch nicht ganz freiwillig – als Privatier vom ererbten Familienvermögen lebte, finanzielle Sicherheit und einen gehobenen Lebensstandard bieten. So sahen die Eltern Textor die erste ihrer vier Töchter gut versorgt.
Mit der Heirat zog G. zu ihrem Mann in das Haus von dessen Mutter Cornelia G., geb. Walther, verw. Schelhorn (1668-1754), im Großen Hirschgraben Lit. F 74 (später Nr. 23). Das Anwesen, damals eigentlich zwei alte und nur notdürftig miteinander verbundene Fachwerkhäuser, hatte die verwitwete Cornelia G. bereits 1733 erworben und spätestens nach dem Verkauf des Weidenhofs mit der Gastwirtschaft 1735 bezogen. In den ersten Ehejahren führte die Schwiegermutter den Haushalt, so dass G. viel freie Zeit hatte. Ihr pädagogisch veranlagter Mann ermöglichte ihr, ihre lückenhafte Bildung zu ergänzen, und hielt sie etwa zu Schreibübungen und zum Musizieren an. Sie bekam Klavier- und Gesangsunterricht und lernte etwas Italienisch, um die Arien singen zu können, die ihr Mann liebte. Die Musik blieb für G. ein wesentliches Lebenselement. Im Laufe ihrer fast 34-jährigen Ehe waren Catharina Elisabeth und
Johann Caspar G. nie getrennt, so dass es keinen Briefwechsel zwischen ihnen gibt.
Nach fast genau einem Jahr der Ehe gebar G. am 28.8.1749 ihr erstes Kind, den Sohn
Johann Wolfgang. Es war eine schwere Geburt, und
Johann Wolfgang G. weiß später in seiner Autobiographie zu berichten, dass er „durch Ungeschicklichkeit der Hebamme (…) für tot auf die Welt“ gekommen und „nur durch vielfache Bemühungen“ gerettet worden sei (DuW I,1). G.s Vater
Johann Wolfgang Textor nahm das gerade noch glücklich verlaufene Ereignis zum Anlass, für die Anstellung eines städtischen Geburtshelfers zu sorgen, der künftig die Hebammen unterrichten sollte. Mit etwas mehr als 15 Monaten Abstand zu ihrem Erstgeborenen, am 7.12.1750, bekam G. die Tochter
Cornelia. Im folgenden Jahrzehnt brachte die Rätin fünf weitere Kinder zur Welt; drei überlebten das Kleinkindalter nicht, ein Töchterchen wurde tot geboren, und der zweite Sohn Hermann Jacob starb im Januar 1759 mit sechs Jahren.
Über G.s Verhältnis zu den Kindern, ihre Prinzipien in der Erziehung und ihr Leben mit den (kleinen) Kindern ist kaum etwas verbürgt. Der Sohn bezeugt in seiner Autobiographie eine enge Beziehung zur Mutter. Für die Versorgung der Säuglinge und Kleinkinder wurden im Hause G. zwar eine Amme und Kindermägde beschäftigt. Die junge Mutter spielte und sang jedoch gern mit den Kindern, etwa „Häußer bauen“ (wohl ein Kartenspiel) oder „Vögel verkaufen – Tuchdiebes – Potz schimper potz schemper“ (letzteres eine Scharade), wie sie in ihren Briefen erwähnt. Vor allem erzählte sie ihren Kindern (und später den Enkeln) „Anmuthige Geschichten, schöne Mährlein“, zumal sie „das geplauder“ als ihr besonderes Talent und ihre Stärke ansah. [Zit. aus verschiedenen Briefen von Catharina Elisabeth Goethe zwischen 1786 und 1797 nach Goethe: Briefe aus dem Elternhaus 1997, S. 623, 552, 611, 724 (Seitenangaben in der Reihenfolge der Zitate).] Die Konsequenz in der Erziehung scheint G. eher ihrem Mann überlassen zu haben, den sie darin zwar unterstützte, aber auch „auf mancherlei Art zum Vortheil der Kinder zu lencken“ wusste (Bettine von Arnim: Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde 1835, zit. nach Doris Hopp in: Hopp/Bunzel: Catharina Elisabeth Goethe 2008, S. 19). Für die Konzeption und die Organisation der (schulischen) Ausbildung der Kinder war allein
Johann Caspar G. zuständig. Bei aller Plakativität scheint insofern der vielzitierte Vers von
Johann Wolfgang G. über seine Eltern einen wahren Kern zu haben: „Vom Vater hab ich die Statur,/ Des Lebens ernstes Führen,/ Von Mütterchen die Frohnatur/ Und Lust zu fabulieren.“ (Johann Wolfgang Goethe: Zahme Xenien VI, 1824-27.) Problematisch bleibt die bewusste Stilisierung der Mutter zur reinen „Frohnatur“, womit der Dichter den Blick auf Catharina Elisabeth G. nachhaltig prägte und verengte.
Nach dem Tod der Schwiegermutter 1754 übernahm G. die Rolle und die Pflichten der Hausfrau. In den nächsten Jahren ließ
Johann Caspar G. das Anwesen im Großen Hirschgraben grundlegend und großzügig umbauen. Die Umstände der Bauzeit 1755/56 mussten von G. mitgetragen werden, auch wenn zu ihrer Entlastung jedenfalls die zwei, vermutlich sogar die drei ältesten Kinder zeitweise zu G.s Schwester
Johanna Melber gegeben wurden. Das fertige Haus, ein lichtes und komfortables Stadthaus im Rokokostil, widmete
Johann Caspar G. den schönen Künsten, indem er ihm den Namen „zu den drei Leiern“ gab. Zu den 20 Räumen zählten etwa eine Bibliothek, ein Gemäldekabinett und ein Musikzimmer. Während
Johann Caspar G. als Hausherr an der Spitze des Hauswesens stand, alle Anschaffungen tätigte und das Dienstpersonal engagierte, nahm G. als Hausfrau eine Art Vermittlungsposition zur Organisation des Haushalts ein. Sie führte Aufsicht über das gesamte Hauswesen, ordnete die anstehenden Arbeiten an, überwachte deren Ausführung, instruierte die Dienstboten und kontrollierte die Vorratshaltung. Damit hatte G. angesichts der Größe des Hauswesens mehr als genug zu tun, auch wenn sie, gerade für schwere körperliche Arbeiten, ausreichend Personal zur Verfügung hatte, u. a. einen Diener, einen Schreiber, eine Köchin, zwei Mägde sowie Taglöhnerinnen für Hausputz und Wäsche. Entgegen der späteren Idealisierung der Frau Rat G. zum Inbegriff der deutschen Hausfrau, woran der Dichtersohn nicht unwesentlichen Anteil hatte (etwa durch Figuren wie Elisabeth in „Götz von Berlichingen“, 1771/73, Olimpia in „Erwin und Elmire“, 1775, und die Mutter in „Hermann und Dorothea“, 1798, die als Abbilder der wahren Mutter des Autors gesehen wurden), war G. der Haushalt eher lästig. Die Monate Mai und Juni, in denen sie besonders viele Hausarbeiten – vom Buttereinmachen bis zur großen Wäsche – zu organisieren hatte, waren ihr die „fatalsten im gantzen Jahr“, wie sie in einem späteren Brief einmal gestand: „Die Frau Rath kommt da aus ihrem gerick und geschick – kan nicht ordentlich Leßen – Clavir spielen – Spitzen klöpplen – und ist Seelenfroh wenn alles wieder den alten Gang geht (…).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Christiane Vulpius, Ffm., 7.5.1798. Zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 430.)
Selbst die Küche war nicht das Reich der Rätin. Dort arbeiteten die Köchin und zwei Mägde, wenn auch immerhin auf Anweisung der Hausfrau. Authentische Rezepte der Frau Aja sind jedoch nicht überliefert. Wahrscheinlich ließ G. gutbürgerlich kochen. Als Festessen erwähnt sie in ihren Briefen einmal einen Schweinebraten, und der Sohn im fernen Weimar schwärmt vom Schwartemagen, den er zu Hause besonders gern gegessen habe. Auch erwartete
Johann Wolfgang G. alljährlich im November ein Paket von der Mutter mit Kronberger Kastanien für die in Ffm. übliche Füllung der Martinsgans. Sicher ist zudem, dass Catharina Elisabeth G. die Grüne Soße nicht erfunden hat, auch wenn die Oberräder Gärtner damit werben. Bereits um 1700 brachten vielmehr italienische Händler ihre „salsa verde“ in die Messestadt am Main mit. Doch in der „klassischen“ Zusammensetzung aus den sieben Kräutern ist das Ffter Nationalgericht erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt.
Die ersten Jahre im neuen Haus waren für die Familie G. offenbar nicht frei von Spannungen, wobei G. wohl ausgleichend wirkte, vor allem zwischen ihrem Mann und den Kindern, wenn der Vater gemäß seinem strengen Erziehungsplan zu viel von
Wolfgang und
Cornelia sowie anfangs vermutlich auch von Jacob verlangte. Mit der Einquartierung des Stadtkommandanten
Graf Thoranc nach der französischen Besetzung der Stadt zu Anfang Januar 1759 begann eine schwierige Zeit im Hause G. Nur wenige Tage nach
Thorancs Einzug in die requirierten Räumlichkeiten des ersten Stocks starb der sechsjährige Jacob, der stets ein eher zartes und stilles Kind gewesen war, und am 13.1.1759 wurde er begraben. In den folgenden Monaten musste die Rätin immer wieder zwischen ihrem durch die Einquartierung gereizten Mann und dem erzwungenen Mitbewohner
Thoranc vermitteln, wozu sie sogar etwas Französisch erlernte. Anlässlich der Schlacht bei Bergen am Karfreitag 1759 eskalierte die Situation zwischen
Johann Caspar G. und
Thoranc in dem in „Dichtung und Wahrheit“ geschilderten Auftritt im Treppenhaus, der den Kaiserlichen Rat fast ins Gefängnis gebracht hätte, was G. mit ihren Bitten gerade noch verhindern konnte. Zu den Belastungen der Einquartierung bis zu
Thorancs Auszug im Mai 1761 kamen weitere familiäre Schicksalsschläge. Am 11.8.1759 wurde das knapp zweieinhalbjährige Töchterchen Johanna Maria zu Grabe getragen, und der am 15.6.1760 geborene Sohn Georg Adolph starb bereits mit acht Monaten und wurde am 18.2.1761, dem Tag vor G.s 30. Geburtstag, beerdigt. Damit hatte die Mutter innerhalb von fünf Jahren ihre fünf jüngsten Kinder verloren. Georg Adolph sollte ihr letztgeborenes Kind bleiben.
Allmählich hatten sich die Eheleute G. in ihrem Zusammenleben arrangiert. Sie führten ein offenes, geselliges Haus. Zu
Johann Caspar G., der als Privatier fast ganz seinen Sammlungen und seiner Bibliothek lebte, kamen häufig andere Sammler und Gelehrte. Er, der orthodoxe Lutheraner, duldete aber auch die religiösen Zusammenkünfte des pietistischen Zirkels, dem Catharina Elisabeth G. wohl schon vor der Heirat angehört hatte. Dieser Kreis traf sich reihum bei den Mitgliedern, also auch regelmäßig im Hause G., wo die Versammlungen immer mit einem Imbiss endeten – den
Johann Caspar G. finanzierte, auch wenn er die religiösen Überzeugungen seiner Frau nicht teilte. Im Mittelpunkt des Kreises stand
Susanna Catharina von Klettenberg, eine entfernte Verwandte und gute Freundin G.s, die fast zur Familie gehörte. Als
Johann Wolfgang, der als 16-Jähriger 1765 zum Studium der Rechte nach Leipzig geschickt worden war, im September 1768 schwer krank ins Elternhaus zurückkehrte, schloss er sich dem pietistischen Zirkel seiner Mutter an. Vor allem in
Susanna Catharina von Klettenberg fand er eine Gesprächspartnerin und bald enge Vertraute, die ihn so tief beeindruckte, dass er sie später zum Vorbild für die „Schöne Seele“ in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96) wählte. Nach dem Tod der
Klettenberg im Dezember 1774 lockerte sich auch die Verbindung von Catharina Elisabeth G. zu dem pietistischen Kreis. Eine eifrigere Kirchgängerin wurde G. darum nicht. Die protestantischen Gottesdienste und insbesondere die endlosen Predigten des Pfarrers Johann Jacob Starck (1730-1796), des Ehemanns ihrer Schwester Anna Maria, langweilten sie eher.
Der Heimkehr des
Sohnes vom Studium in Straßburg im August 1771 folgten vier erfüllte Jahre im Hause G. In der (nur kurz durch die Monate in Wetzlar 1772 und die erste Reise in die Schweiz 1775 unterbrochenen) Ffter Zeit bis zu seinem Weggang nach Weimar 1775 durchlebte
Johann Wolfgang G. eine seiner dichterisch produktivsten Phasen. Er wurde bekannt durch das Drama „Götz von Berlichingen“ (1771, 2. Fassung 1773) und berühmt durch den Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774). Zahlreiche Besucher, die den Autor kennenlernen oder treffen wollten, kamen in das Haus im Großen Hirschgraben, und G. konnte als Gastgeberin in ihrem Element wirken. Zu den Gästen jener Jahre zählten etwa
Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831), Johann Heinrich Merck (1741-1791), Johann Caspar Lavater (1741-1801), Gottfried August Bürger (1747-1794), Johann Gottfried Herder (1744-1803), Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) und Johann Georg Zimmermann (1728-1795).
Aus dem Kreis der „Stürmer und Dränger“ kamen im Mai 1775 die Brüder Christian (1748-1821) und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg (1750-1819) und ihr Freund Christian August von Haugwitz (1752-1832) nach Ffm., um
Johann Wolfgang G. mit auf die Reise in die Schweiz zu nehmen. An der abendlichen Tafel im Großen Hirschgraben wurde getrunken und geflachst, und G. als Gastgeberin soll das Verlangen der jungen Männer nach „Tyrannenblut“ mit altem und besonders dunklem Rotwein gestillt haben. Spontan, so erzählt der Sohn in „Dichtung und Wahrheit“ (IV,18), sollen die vier Männer die gastfreundliche Hausfrau scherzhaft „Frau Aja“ genannt haben, angeblich nach der Mutter der vier Haimonskinder in dem damals noch beliebten Volksbuch, einer Schwester
Karls des Großen, die ihre Söhne mutig vor der Rache des Vaters bewahrt. Die schöne Geschichte ist jedoch als Beitrag zur Mythenbildung zu lesen, die der
Sohn um die Person der Mutter betrieb. Tatsächlich taucht der Kosename für G. bereits ein Jahr früher auf: im Haushaltsbuch von
Johann Caspar G., der seine Gattin darin „Frau Aia“ nennt und damit wohl die seinerzeit übliche Bezeichnung für die Erzieherin der Kinder bei Hofe aufgreift. Jedenfalls schmückte sich G. künftig nur zu gern mit diesem „Titel“.
Bereits am 1.11.1773 war die Tochter
Cornelia G. mit dem Juristen
Johann Georg Schlosser, einem Freund ihres Bruders, verheiratet worden und ihrem Mann zunächst nach Karlsruhe, dann nach Emmendingen gefolgt. Die Beziehung der Mutter zur Tochter lässt sich kaum fassen, nicht zuletzt aufgrund eines fehlenden Briefwechsels. Als die Tochter („unsre
Cornelia“) nach der Geburt ihres zweiten Kindes im Juni 1777 starb, schrieb G. an Lavater: „(…) die arme Mutter hatte viel viel zu tragen, mein Mann war den gantzen Winter kranck, das harte zuschlagen einer Stubenthüre erschröckte ihn, und dem Mann muste ich der Todes Bote seyn von seiner Tochter die er über alles liebte – mein Hertz war wie zermahlt (…).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Caspar Lavater, Ffm., 23.6.1777. Zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 53.) Im September 1778 heiratete der verwitwete
Schlosser die ihm aus dem G.kreis in Ffm. bekannte
Johanna Catharina Sibylla Fahlmer (1744-1821). Die vier Schlosser’schen Kinder, Maria Anna
Louise (auch: Louisa), gen. Lulu (seit 1795 verh. Nicolovius, 1774-1811), und Elisabeth Catharina
Julia (auch: Julie), gen. Juliette (1777-1793), aus der Ehe mit
Cornelia sowie Cornelie
Henriette Francisca (seit 1809 verh. Hasenclever, 1781-1850) und Eduard (1784-1807) aus der Ehe mit Johanna, sah Catharina Elisabeth G. alle als ihre „lieben Enckeleins“ an, denen sie aufgrund der Entfernung jedoch meist nur Briefe schreiben und „Christkindlein“ (kleine Weihnachtsgeschenke) schicken konnte.
Der Sohn
Johann Wolfgang G. ging mit dem Wegzug nach Weimar im November 1775 nicht nur räumlich auf Distanz zur Mutter. Seine seltenen Besuche in Ffm. (zu G.s Lebzeiten: im September 1779, im Dezember 1779/Januar 1780, im August 1792, im Mai und im August 1793 sowie im August 1797) galten eher beiläufig den Eltern bzw. später der Mutter, und er schrieb ihr wenig. G. erschloss sich daher andere Korrespondenzpartner und damit Informationsquellen in Weimar, etwa
Johann Wolfgang G.s Diener Philipp Seidel (1755-1820), die Hofdame Louise von Göchhausen (1752-1807) und Fritz von Stein (1772-1844), Sohn von Charlotte von Stein (1742-1827), sowie später Christiane Vulpius (seit 1806 verh. von G., 1765-1816), die Lebensgefährtin des Sohnes, und Enkel Julius
August Walther von G. (1789-1830). Ende 1777 war Christoph Martin Wieland (1733-1813) für einige Tage als lieber Gast im Hause G. in Ffm., und im Juni und Juli 1778 besuchte Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach (1739-1807) die Dichtermutter, woran sich ein fast zehnjähriger Briefwechsel der beiden Frauen anknüpfte.
Dem knapp zwölfjährigen Fritz von Stein, Zögling des Sohnes in Weimar, lieferte G. 1784 eine briefliche „Beschreibung“ von sich selbst: „Von Person bin ich ziemlich groß und ziemlich korpulent, – habe braune Augen und Haar, – und getraute mir die Mutter von Prinz Hamlet nicht übel vorzustellen. (…) Ordnung und Ruhe sind Hauptzüge meines Charakters, – daher thu’ ich Alles gleich frisch von der Hand weg, – das Unangenehmste immer zuerst, – und verschlucke den Teufel /: nach dem weisen Rath des Gevatters Wieland :/ ohne ihn erst lange zu bekucken; liegt denn Alles wieder in den alten Falten, – ist Alles unebene wieder gleich, dann biete ich dem Trotz, der mich in gutem Humor übertreffen wollte.“ (Catharina Elisabeth Goethe an Fritz von Stein, Ffm., 9.9.1784. Zit. nach: ebd., S. 193f.) Der Brief war mit einer Einladung nach Ffm. verbunden, der Fritz von Stein im Herbst 1785 nachkam. Kurz nach diesen offensichtlich sehr vergnügten Tagen schrieb G. einen Brief an Fritzens Mutter Charlotte von Stein, in dem sie sich ebenso beiläufig wie treffend selbst charakterisierte: „Es hat mich sehr gefreut, daß Dero Herr Sohn mit seinem Auffendhalt bey mir so zufrieden war – Ich habe wenigstens alles gethan, um Ihm meine Vaterstadt angenehm zu machen – und ich bin froh daß es mir geglückt ist – Zwar habe ich die Gnade von Gott, daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von mir weggegangen ist – weß Standes, alters, und Geschlecht sie auch geweßen ist – Ich habe die Menschen sehr lieb – und das fühlt alt und jung gehe ohne pretention durch diese Welt und das behagt allen Evens Söhnen und Töchtern – bemoralisire niemand – suche immer die gute seite aus zuspähen – überlaße die schlimme dem der den Menschen schufe und der es am besten versteht, die scharffen Ecken abzuschleifen, und bey dieser Medote befinde ich mich wohl, glücklich und vergnügt.“ (Catharina Elisabeth Goethe an Charlotte von Stein, Ffm., 14.11.1785. Zit. nach: ebd., S. 209f.) Hier lässt G. selbst anklingen, was hinter ihrer „Frohnatur“ steckte: Es ging ihr durchaus nicht immer gut, aber sie wusste mit ihrer Heiterkeit manches zu überspielen und aus allem das Beste zu machen – vor allem für die anderen. Für sich selbst setzte sie auf ihr Gottvertrauen, das es ihr leichter machte, ihr Los und manches Leid zu ertragen.
Mit zunehmendem Alter hatte der Kaiserliche Rat das Regiment im Haus mehr und mehr seiner Frau überlassen. Kurz nach dem ersehnten Wiedersehen mit dem Sohn, der auf der Durchreise in die Schweiz im September 1779 zusammen mit Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach (1757-1828) für fünf Tage im Elternhaus wohnte, erlitt
Johann Caspar G. einen ersten Schlaganfall, dem im Oktober 1780 der zweite folgte. Daraufhin übernahm G. die Führung des Haushalts und die Verwaltung des Vermögens, eine Aufgabe, die sie nach einer kurzen Einarbeitungszeit mit Bravour meisterte, wie ihre im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar erhaltenen Haushaltungs- und Geschäftsbücher beweisen. Von Mai bis August 1781 ließ sie im Haus renovieren, vor allem im „untern Stock“, woran ihr Mann „noch große Freude“ hatte: „(…) meine wohnstube die jetzt gantz fertig ist, weißt Er allen Leuten – dabey sagt Er, die Frau Aja hats gemacht, gelt das ist hübsch (...).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang Goethe, Ffm., 17.6.1781. Zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 146.) Auch betrieb G. geschickt die Geldgeschäfte zur Erhaltung des Familienvermögens weiter (vgl. „Capital-Buch“, 1780-1808; im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar); sie tätigte Anlagen und vergab Darlehen, etwa an Handwerksmeister, aber auch an Freunde und Verwandte, u. a. ihre Schwester
Johanna Melber, die nach dem Tod ihres Mannes 1780 in Not geraten war und von G. finanziell unterstützt wurde. Eine Eingabe beim Schöffengericht, womit von unbekannter Seite versucht wurde, G. unter Kuratel zu stellen und ihr die Verwaltung des Familienvermögens zu entziehen, scheiterte im Dezember 1781 am energischen Einspruch des Sohns
Johann Wolfgang G. und des Schwiegersohns
Johann Georg Schlosser, die sich jegliche Einmischung verbaten, zumal sie „mit deren [d. i. Catharina Elisabeth G.s] bißheriger Verwaltung vollkommen zufrieden“ waren (zit. nach Hopp/Bunzel: Catharina Elisabeth Goethe 2008, S. 34).
Johann Caspar G. ging es gesundheitlich immer schlechter, bis er schließlich nur noch dahinvegetierte. Bei der Versorgung ihres Mannes ließ sich G. von einer Pflegerin helfen. Menschlichen Beistand fand sie im Familien- und Freundeskreis, etwa bei ihrer Mutter, ihren Schwestern
Johanna Melber und Anna Maria Starck, ihrer Schwägerin Maria Margaretha Textor, den Familien Moritz und Stock,
Maximiliane Brentano,
Bernhard Crespel und
Friedrich Maximilian Moors, die eine besondere Form der Fürsorge für G. entwickelten und pflegten: Sie etablierten einen Kreis zum Kartenspielen, der G. an vielen Abenden ab Januar 1781 einlud, um sie in ihrer häuslichen Situation abzulenken und zugleich zu stärken, zuletzt am 23.5.1782 (vgl. „Spielbüchlein von Gewinn und Verlust vom Jahr 1781“, 1781-82; im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar).
Am 25.5.1782 starb
Johann Caspar G. Dass der Sohn zum zwei Tage später stattfindenden Begräbnis nicht aus Weimar anreiste, hat nichts zu bedeuten; es wäre aus logistischen Gründen gar nicht möglich gewesen. Allerdings kam
Johann Wolfgang G. auch sonst nicht, um die Mutter zu sehen. Zwischen seinem ersten und seinem nächsten Besuch aus Weimar in Ffm. (1779/80 und 1792) lagen mehr als zwölf Jahre. Zu einer Reise nach Weimar konnte sich die Rätin dennoch nie entschließen, trotz entsprechender Einladungen, schon früh von der Herzogin und von Wieland, später (erstmals wohl 1794) auch von ihrem Sohn. Zeit ihres Lebens kam G. nie über Ffm. und dessen nähere Umgebung hinaus.
Schon seit einigen Jahren fühlte sich G. oft einsam. „(...) ich lebe in dieser großen Stadt wie in einer Wüste“, schrieb sie deprimiert in einem ihrer Briefe. (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Caspar Lavater, Ffm., 23.6.1777. Zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 54.) Andererseits konnte sie weiterhin zahlreiche prominente Besucherinnen und Besucher bei sich empfangen, u. a. die Schriftstellerin Elisa von der Recke (1754-1833), den Schauspieler und Bühnenautor
August Wilhelm Iffland (1759-1814), den Komponisten Johann Friedrich Reichardt (1752-1814), den preußischen Reformer Karl August von Hardenberg (1750-1822) und, im November 1807 als einen ihrer letzten Besucher, den Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859). „(…) bei mich kommen sie Alle ins Haus“, notierte G. einmal stolz. (Catharina Elisabeth Goethe an Fritz von Stein, Ffm., 23.12.1784. Zit. nach: ebd., S. 197.) Anlässlich der Kaiserkrönung 1790 beherbergte G. die Prinzessinnen Luise (die spätere Königin Luise von Preußen; 1776-1810) und Friederike (1778-1841) sowie den Prinzen Georg von Mecklenburg-Strelitz (1779-1860) im Haus zu den drei Leiern. Von Königin Luise wurde G. auch später nicht vergessen. So ließ die Königin bei einem Besuch in Ffm. im Juli 1799 die Frau Rat zu sich ins Palais Thurn und Taxis holen, um sich „der vielen Freuden“ in deren Haus („der guten Pannekuchen u. s. w.“) zu erinnern: „(...) von einer steifen Hoff-Etikette waren Sie da in voller Freyheit – Tantzendt – sangen und sprangen den gantzen Tag (...).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 20.7.1799 und 19.8.1806. Zit. nach: ebd., S. 445 und 541.) Auch am 19.6.1803 wurde G. von Königin Luise eingeladen, diesmal nach Wilhelmsbad, wo ihr die Königin zudem „ein kostbahres goldenes Halsgeschmeide“ schenkte. (Vgl. Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 24.6.1803. In: ebd., S. 499f., hier zit. S. 500.) Eine Begegnung der Rätin G. mit Madame de Staël (1766-1817) jedoch hat nicht stattgefunden; die darüber kursierende Anekdote (mit ihrer angeblichen Vorstellung: „Je suis la mère de
Goethe“) beruht auf einer Erfindung von
Bettine von Arnim.
Zerstreuung fand G. im Theater, das von jeher ihre große Passion war. Bereits seit den ausgehenden 1770er Jahren förderte sie den Schauspieler und späteren Theaterdirektor
Gustav Friedrich Wilhelm Großmann, in dessen Familie sie verkehrte; sowohl sie als auch ihr Sohn
Johann Wolfgang G. übernahmen die Patenschaft für eines seiner Kinder. Auch dank der Gunst von G. wurde
Großmann der erste Direktor des 1782 eröffneten Ffter Komödienhauses am heutigen Rathenauplatz. Unter seiner Regie sah sie dort ihre „Leibstücker“: Shakespeares „Hamlet“, Lessings „Emilia Galotti“ und „Minna von Barnhelm“, die Dramen von
Schiller und natürlich von
Goethe. Im April 1784 gab der Schauspieler
Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann, einer der profiliertesten Darsteller und beliebter Charakterkomiker seiner Zeit, sein Debüt auf der Ffter Bühne. G. begeisterte sich sofort für ihn und versäumte keine seiner Vorstellungen. Bald war
Unzelmann ständiger Gast in ihrem Haus, wo er großzügig bewirtet und beschenkt wurde. Manchmal brachte er die Schauspielerin Friederike Flittner (1760/68-1815) mit, die Stieftochter
Großmanns, die er gegen dessen Willen 1786 heiratete. Anders als G. wusste
Großmann wohl um den Ruf des Schwiegersohns als notorischer Schürzenjäger, dem dieser kurz nach der Hochzeit wieder gerecht wurde, indem er sich gleich zwei Geliebte in Ffm. nahm. G.s üppige Bewirtung und Bewunderung ließ sich
Unzelmann gern gefallen, vielleicht weil er auf die Unterstützung der Rätin setzte, doch G. empfand offenbar mehr als nur Gastfreundschaft für den charmanten, wenn auch extrem egozentrischen, streitsüchtigen und aufbrausenden Mann. Als
Unzelmann infolge einer Intrige 1788 fluchtartig nach Berlin abreiste und einen Schuldenberg hinterließ, brach für G. eine Welt zusammen. „Vor mich ist alles vorbey – mit mir ist aus“, meinte sie in einem der sehnsüchtigen Briefe, die sie
Unzelmann nachschickte. (Catharina Elisabeth Goethe an Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann, Ffm., 12.9.1788. Zit. nach: ebd., S. 252.) Lange fühlte sie sich „krank an Leib u[nd] Seele“. (Catharina Elisabeth Goethe an Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann, Ffm., 12./13.5.1788. Zit. nach: ebd., S. 237.) Auch die Theaterleidenschaft war ihr verdorben und kehrte erst ganz allmählich wieder zurück.
Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem G. ohne Familie und mit vermindertem Personal in dem Haus am Großen Hirschgraben gelebt hatte, entschloss sie sich mit dem Einverständnis des Sohnes
Johann Wolfgang G. und des Schwiegersohnes
Johann Georg Schlosser zur Auflösung des Hauswesens und zum Verkauf der Immobilie. Mit einer dauerhaften Rückkehr des Sohnes, der das Elternhaus im August 1793 ein letztes Mal besuchte, rechnete die Rätin wohl nicht mehr, vielleicht auch, weil sie inzwischen von dessen Beziehung zu Christiane Vulpius erfahren hatte. Obwohl sie mittlerweile Mieter aufgenommen hatte, war das Haus für sie allein zu groß; zudem dürften sie die Gefährdung durch Belagerungen und die Belastung durch Einquartierungen in den Revolutionskriegen ab 1792 geschreckt haben. Wohlüberlegt und von langer Hand bereitete G. die Angelegenheit vor. Sie trennte sich von fast allem Inventar und den Sammlungen, ließ 1794 die Bibliothek ihres Mannes versteigern und verkaufte das Haus im Mai 1795 für 22.000 Gulden an den Weinhändler Johann Gerhard Blum aus der Fahrgasse.
Im Juli 1795 bezog G. eine Wohnung im Haus zum Goldenen Brunnen an der Hauptwache (Roßmarkt Lit. E 229, später Nr. 8, heute An der Hauptwache 2). Zu ihrem neuen Quartier, „zwey Stiegen hoch“, gehörten laut Mietvertrag vom 22.6.1795 (im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar) „vier Stuben, deren drey auf die Strasse, eine aber hintenaus gehet, eine Kammer, ein Cabinet, auf dem Vorplatz eine Küche, desgleichen ein heimliches Gemach [d. i. die Toilette] und Holtzplatz, dann unten ein besonderer Keller“ (zit. nach Hopp/Bunzel: Catharina Elisabeth Goethe 2008, S. 75). In einem Brief vom 24.8.1795 schilderte G. dem Sohn begeistert ihr „niedliches logiegen“ mitten in der Stadt, das ihr deutlich mehr Bequemlichkeit als der große Haushalt im Hirschgraben bot. Sie selbst hatte in zwei der vorderen Räume ihr Wohn- und Besuchszimmer und ihre Schlafstube. Von hier aus konnte sie die Aussicht auf den Platz an der Hauptwache und über die Zeil genießen, woran sie ihre Freude hatte: „sogar an Regentagen ist es lustig die vielen hundtert Paraplü vormiren ein so buntes tach“, berichtete sie nach Weimar. (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 24.8.1795. Zit. nach Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 369.) Das dritte vordere Zimmer überließ die Rätin ihrem Personal, bestehend aus einer wechselnden Köchin und ihrer langjährigen Dienerin
Elisabetha (auch: Elisabeth) Henrietta, gen. Liesel oder Lieschen, Hoch (seit 1809 verh. Wolfermann, 1759-1846); zugleich schrieb G. aber dem Sohn, dass sie dieses Zimmer „so hübsch eingerichtet [habe,] daß wann ich die Freude habe, dich bey mir zu sehen – es dein Zimer wird – meine Leute will ich schon hintenaus verstecken (…).“ (Ebd.)
In ihrem Leben der späten Jahre richtete sich G. nach ihren Vorstellungen ein. Sie gab, auch aus Platzgründen, keine großen Gesellschaften mehr und ging lieber aus, ins Theater, zu Konzerten und zu Besuch bei Freunden, u. a. bei „Fingerlings – Metzler – Stocks – Hetzler – Moritz“ (die sie in einem Brief an den Sohn vom 16.5.1795 nannte), wo überallhin sie von ihrer zentral gelegenen neuen Wohnung leicht gelangte. Bei der Familie des Ratsherrn Jacob Stock (1745-1808) und dessen Ehefrau
Esther Maria Margarete, geb. Moritz (1755-1825), aß Frau Aja allsonntäglich zu Mittag, und bei gutem Wetter nahm sie am Montagskränzchen in deren Garten teil. Auf der Grüneburg verkehrte sie bei dem Diplomaten
Joachim von Schwarzkopf und seiner jungen Frau
Sophie, einer Tochter der Freundin Elise Bethmann-Metzler, geb. Bethmann (1753-1813), und beteiligte sie sich begeistert an deren Lesekränzchen. Als dort das von ihrem Sohn verfasste Schauspiel „Torquato Tasso“ mit verteilten Rollen gelesen werden sollte, übernahm sie in einer „Hosenrolle“ den Part des Antonio, während der Hausherr den Tasso sprach. Überhaupt blieb G. zeitlebens eine eifrige Leserin, wobei sie immer zu ihrer Bildung, aber auch zu ihrer Unterhaltung las. Oft ließ sie sich bei der Wahl ihrer Lektüre von ihrer Theaterleidenschaft leiten, was sich schon im Bestand der Bibliothek ihres Mannes niedergeschlagen hatte. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt natürlich den Werken des Sohnes
Johann Wolfgang G. Sehnlichst erwartete sie die einzelnen Bände von dessen Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96). In der Mutter in „Hermann und Dorothea“ (1798) erkannte sie sich selbst wieder. Aus Weimar erhielt G. auch anderen begehrten Lesestoff, Wielands Literaturzeitschrift „Der (Neue) Teutsche Merkur“ ebenso wie das „Journal des Luxus und der Moden“. Zudem hatte sie ein Abonnement bei der Lesegesellschaft, die
Johann Jakob Riese, ein Jugendfreund des Sohnes, und dessen Bruder Friedrich Jakob Riese (1753-1804) leiteten.
Im August 1797 besuchte
Johann Wolfgang G. zum letzten Mal die Mutter in Ffm. Bei dieser Gelegenheit stellte er ihr seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius und seinen siebeneinhalbjährigen Sohn August vor. G., die bereits seit 1793 mit Christiane korrespondierte, hatte die Geliebte des Sohnes längst herzlich als „Freundin“ aufgenommen und sie im Juni 1797 auch offiziell als „Tochter“ akzeptiert, indem sie zugunsten von Christiane auf das Erbe des Sohnes verzichtete, um Frau und Kinder aus der nichtehelichen Beziehung abzusichern. Aus der Verbindung von
Johann Wolfgang G. und Christiane Vulpius sollte August allerdings das einzige Kind bleiben, das das Erwachsenenalter erreichte; die vier weiteren Kinder, die zwischen 1791 und 1802 zur Welt kamen, starben bereits kurz nach der Geburt. Zum Tod des kleinen Carl 1795 hatte G. kondoliert: „Daß dem lieben kleinen Söhngen seine Rolle hienieden so kurtz aus getheilt war, thut mir sehr leid – freylich bleiben nicht alle Blüthen um Früchte zu werden – es thut weh – aber wenn die Saat gereift ist und kommt denn ein Hagelwetter und schlägts zu Boden was in die Scheuern eingeführt werden solte, das thut noch viel weher (…).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 2.2.1796. Zit. nach: ebd., S. 378f.)
Zur gleichen Zeit erwartete G. freudig ihr erstes Urenkelkind, den Sohn Johann Georg
Eduard Nicolovius (1796-1808) ihrer ältesten Enkelin Louise, zu dessen Geburt sie die Spitzen an das „Kindszeug“ klöppelte – „und nicht etwa so lirum larum, nein, sondern ein Brabanter Muster 3 Finger breit und wohl zu bemercken
ohne Brille!“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 2.2.1796. Zit. nach: ebd., S. 378.) Als G.s Schwiegersohn
Johann Georg Schlosser mit der Berufung zum Syndikus 1798 nach Ffm. zurückkehrte, gewann die Rätin dessen zweite Frau Johanna als vertraute Freundin vor Ort wieder, auch wenn
Schlosser schon im Jahr nach seinem Amtsantritt starb. Im Frühjahr 1800 besuchte Louise Nicolovius mit ihrem Mann Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767-1839) und den mittlerweile drei Söhnen die Stiefmutter Johanna Schlosser und die Großmutter Elisabeth G. in Ffm. Die größte Freude ihrer späten Jahre erlebte G. im Herbst 1806, als ihr Sohn
Johann Wolfgang G. seine Christiane doch noch heiratete: „(…) da hast du nach meines Hertzens wunsch gehandelt (...)“, schrieb die Mutter nach Weimar. „Grüße meine Liebe Tochter hertzlich – sage Ihr, daß ich Sie Liebe – schätze – verehre (…).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 27.10.1806. Zit. nach: ebd., S. 543.) Bei dem folgenden Besuch der Schwiegertochter im Frühjahr 1807 konnte die Rätin sie endlich in die Ffter Gesellschaft einführen.
Auch im Haus zum Goldenen Brunnen wurde G. weiterhin von Reisenden aufgesucht, die „
Goethes Mutter“ einmal sehen wollten. Inzwischen genoss Frau Aja den Ruhm ihres Sohnes und nahm dafür die ihr zugedachte Rolle als Dichtermutter gerne an. „Da nun ein großer theil deines Ruhmes und Rufens auf mich zurück fält, und die Menschen sich einbilden ich hätte was zu dem großen Talendt beygetragen; so kommen sie denn um mich zu beschauen“, berichtete sie ihrem Sohn. (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 6.10.1807. Zit. nach: ebd., S. 567.) Eine, die um des Dichters Willen die Nähe zu seiner Mutter suchte, war
Bettine Brentano. Sie kam erstmals im Sommer 1806, später fast täglich zu G., unterhielt sich mit ihr über den Sohn und machte sich dabei eifrig Notizen für eine geplante
Goethebiographie: „Vieles aus
Johann Wolfgang G.s Kinder- und Jugendzeit wäre ohne
Bettine verloren.“ (Doris Hopp in: Hopp/Bunzel: Catharina Elisabeth Goethe 2008, S. 50.) Die alte Rätin fand Freude an
Bettines Besuchen. „Liebstes Vermächtnüß meiner Seele“ nannte sie die junge Freundin in ihrem allerletzten Brief vom 28.8.1808, am 59. Geburtstag des Sohnes. Mit
Bettine „beginnt aber auch die Mythisierung Catharina Elisabeth G.s“ (Doris Hopp). Später setzte
Bettine, seit 1811 verh. von Arnim, der Frau Rat in ihrem Briefroman „
Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde“ (1835) und in ihrem Werk „Dies Buch gehört dem König“ (1843) ein literarisches Denkmal, das aber zugleich das Bild von „
Goethes Mutter“ verfälschte.
Wohl im Laufe des Winters 1807/08 begann sich G.s Gesundheit zu verschlechtern. Im April 1808 freute sich Frau Aja noch einmal über einen mehrtägigen Besuch von ihrem Enkel August von G., der auf dem Weg zum Studium nach Heidelberg vorbeikam. Ihm hatte sie auch gestanden, dass sie den ganzen Winter „wegen ihrem Todtfeind dem Nord Ost wie in einer Baumwollenen Schachtel“ gesteckt habe und nicht ins Komödienhaus gegangen sei. (Catharina Elisabeth Goethe an August von Goethe, Ffm., 28.3.1808. Zit. nach: Catharina Elisabeth Goethe: Briefe 1996, S. 580.) In den Briefen an den Sohn ließ sie sich nichts anmerken. Noch in ihrem letzten Schreiben an
Johann Wolfgang G. vom 1.7.1808 schwärmte sie ihm lieber vom entstehenden Anlagenring um die Stadt Ffm. vor: „(…) die alten Wälle sind abgetragen die alten Thore eingerißen um die gantze Stadt ein Parck man glaubt es sey Feerrey (…).“ (Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang von Goethe, Ffm., 1.7.1808. Zit. nach: ebd., S. 586.) Ihrem Ende sah G. ruhig entgegen. Am Tag vor ihrem Tod soll sie noch genaue Anordnungen für ihr Begräbnis getroffen haben. G. starb am 13.9.1808 im Alter von 77 Jahren an „Brustwassersucht“ (Herzinsuffizienz) im Beisein ihres Hausarztes und Neffen
Johann Georg
David Melber (1773-1824). Zwei Tage später wurde sie im Erbbegräbnis der
Familie Textor auf dem Petersfriedhof beigesetzt. Zur Auflösung ihres Haushalts kam ihre Schwiegertochter Christiane von G. nach Ffm.
Porträt der Familie G. im Schäferkostüm (Ölgemälde von
Johann Conrad Seekatz, 1762) im Besitz der Klassik Stiftung Weimar, als Kopie (von
Hermann Junker, 1894) im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts. Pastellporträt (von Georg Oswald May, 1776) im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts. Porträt im Profil (Kopie von
Hermann Junker, 1895, nach der von Georg Friedrich Schmoll gezeichneten Vorlage, eigentlich entstanden für Johann Caspar Lavaters „Physiognomische Fragmente“, 1777, worin dieses Porträt auf Wunsch von
Johann Wolfgang G. dann doch nicht aufgenommen wurde, erschienen ohne Namensnennung in der verkürzten Ausgabe der „Physiognomischen Fragmente“, 1787) im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts. Porträtmedaillons von
Johann Caspar und Catharina Elisabeth G. (Reliefs aus Biskuitporzellan von
Johann Peter Melchior, 1779) als Gipsabgüsse im Besitz des HMF (dort Abgüsse beider Medaillons) bzw. des Freien Deutschen Hochstifts (dort Abguss des Medaillons von Catharina Elisabeth G.). Zwei geschnittene Silhouetten von Catharina Elisabeth G. mit Kopfputz im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts. Marmorbüste (von
Carl Rumpf, 1899, nach
Johann Peter Melchior) im Gartensaal des Freien Deutschen Hochstifts am G.haus.
Gedenktafel (1932) an der Stelle des Geburtshauses von Catharina Elisabeth G. auf dem Gebiet des (bereits beim französischen Bombardement der Stadt 1796 fast völlig zerstörten)
Textor’schen Anwesens an der Hausecke Kleine Friedberger Straße 7. Wohnhaus der Familie G. (in der Form nach dem Umbau von 1755-56; zur musealen Nutzung als „G.haus“ im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts seit 1863, zerstört 1944, wiederaufgebaut 1951) im Großen Hirschgraben 23. Das heutige „Zimmer der Frau Rat“ im zweiten Stock des G.hauses ist nicht nach seiner früheren Funktion bezeichnet, sondern G. gewidmet und zeigt besondere Erinnerungsstücke an sie. Gedenktafel (von
Georg Krämer, 1962) an der Stelle des (1895 abgebrochenen) Hauses zum Goldenen Brunnen, des Wohn- und Sterbehauses von Catharina Elisabeth G., An der Hauptwache 2. Erhaltene Grabstätte (Erbbegräbnis der
Familie Textor) auf dem Petersfriedhof (heute auf dem Gebiet des Hofs der Liebfrauenschule). Beim Neubau der Liebfrauenschule, dem ein Teil des Petersfriedhofs weichen musste, wurde G.s Grab in den Schulhof integriert und mit einem halbrunden, von acht Sandsteinsäulen getragenen Tempel überbaut (Architekt: Gabriel von Seidl, 1911). Der Tempel wurde bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg 1944 schwer beschädigt und 1954 in stark vereinfachter Form wiedererrichtet, wobei die in der Nachkriegszeit gestohlene bronzene Grabplatte („Körner-Epitaph“) durch den Bildhauer
Emil Hub rekonstruiert wurde. Die steinerne Gedenkplatte für G. an dem Grabmal trug lange nur die Inschrift: „Hier ruhet Goethe’s Mutter.“; erst im „
Goethejahr“ 1999 wurden G.s Name und ihre Lebensdaten ergänzt.
Eine Schachtel mit Andenken an G., die aus dem Besitz von deren Dienerin Elisabeth Wolfermann stammt und ursprünglich ein Zahnstocherdöschen, zehn Klöppel und eine Haarlocke von G. sowie die Erstausgabe von „Hermann und Dorothea“ (1798) enthielt, befindet sich im Eigentum des HMF (Inv.-Nr. X07508a-d) und wird teilweise in dessen Dauerausstellung „Fft. Einst?“ gezeigt.
Ab dem 100. Geburtstag von
Johann Wolfgang G. 1849 regelmäßig offizielle Gedenkfeiern am (vermeintlichen) „Grab der Eltern“ auf dem Peterskirchhof, u. a. für Catharina Elisabeth G. zum 150. Geburtstag 1881 und zum 75. Todestag 1883, wobei das Grab von Catharina Elisabeth G. (damals noch als „Elterngrab“) erst ab 1882 und das Grab von
Johann Caspar G. erst ab 1909 korrekt lokalisiert war. Zum 100. Todestag 1908 überregionale Gedenkfeierlichkeiten, in Ffm. u. a. mit einer akademischen Feier des Freien Deutschen Hochstifts im Saal des Dr. Hoch’schen Konservatoriums, einer vom „Verband Ffter Frauenvereine“ veranstalteten Frau-Rat-Feier für Schulkinder und der Anbringung einer ersten Gedenktafel am Nachfolgebau des Hauses zum Goldenen Brunnen (des Sterbehauses von G.); damals gründete sich auch die Initiative von Ffter Frauen für das spätere Denkmal im Palmengarten, und in der „Frau-Rat-G.-Nummer“ der Münchner „Jugend“ erschien das frankfurterische Gedicht „Frau Aja“ von
Karl Ettlinger. Am 16.3.1924 „Frau-Rat-G.-Feier“ zum Besten des Ffter G.hauses im Schauspielhaus, u. a. mit der Uraufführung des Lustspiels „Der alte
Textor“ von Hans Geisow. Zum 200. Geburtstag 1931 mehrtägiges Festprogramm, veranstaltet von der Stadt Ffm., dem Freien Deutschen Hochstift, dem Ffter Rundfunk, den Ffter Frauenvereinen und den Volksbildungsanstalten, u. a. mit einer Festveranstaltung des Freien Deutschen Hochstifts am eigentlichen Geburtstag (19.2.1931) und einer Morgenfeier auf Einladung des Magistrats im Schauspielhaus (22.2.1931); zu Ehren von G. wurde der G.preis der Stadt Ffm. in diesem Jahr erstmals an eine Frau, die Schriftstellerin
Ricarda Huch, verliehen. Zum 125. Todestag 1933 Kranzniederlegung durch den Ffter Magistrat und das Freie Deutsche Hochstift an G.s Grab; zudem sendete der Ffter Rundfunk eine Lesung „aus Briefen von
Goethes Mutter“. Zum 225. Geburtstag 1956 Schulfest der Elisabethenschule. Zum 150. Todestag 1958 Gedenkfeierlichkeiten des Magistrats der Stadt Ffm. und des Freien Deutschen Hochstifts, u. a. mit einer Kranzniederlegung am Grab, einer Feierstunde mit einem Vortrag von Albrecht Goes (1908-2000) in der Aula der Universität und einer Handschriftenausstellung „Frauen der Goethezeit“ des Freien Deutschen Hochstifts im Goethe-Museum. Zum 250. Geburtstag 1981 Ausstellung des Freien Deutschen Hochstifts im Frau-Rat-G.-Zimmer des G.hauses. Zum 200. Todestag 2008 Ausstellung „Catharina Elisabeth Goethe 1731-1808 – Frau Aja, Räthin, Goethes Mutter“ im Freien Deutschen Hochstift/Ffter Goethe-Museum.
Seit 1876 Elisabethenschule, ein nach G. benanntes Gymnasium, das als höhere Mädchenschule in der Goethestraße (seit 1893: Börsenstraße) 7 in der Innenstadt gegründet wurde und seit 1908 in einem damals neu errichteten Schulgebäude im Nordend ansässig ist. Seit 1985 „Haus Aja Textor-Goethe“, ein anthroposophisches Altenheim („Zentrum für Leben im Alter“), in der Hügelstraße 69 am Dornbusch (an der Grenze zu Eckenheim), erweitert 2007 um „Aja’s Gartenhaus“ (mit Wohngruppen für dementiell erkrankte Menschen).
Denkmal „Frau Aja, ihrem Sohne
Johann Wolfgang Märchen erzählend“ (gestiftet von Ffter Frauen anlässlich des 100. Todestags von Catharina Elisabeth G., 1908; entworfen von
Josef Kowarzik, vollendet von Bernhard Hoetger, 1915) im „GoetheGarten“ des Palmengartens.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 257-261,
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