Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
bei allem Bemühen um Ausgewogenheit gibt es bei der lexikographischen Arbeit manchmal merkwürdige Zufälle. Selbst die alphabetische Vorgehensweise, die einst die Redaktion beim Schreiben der Artikel für die Buchausgabe der „Frankfurter Biographie“ streng einhielt, erweist sich nicht immer als unbestechlicher Garant für einen stetigen Querschnitt durch die Personenauswahl. Wenn im Alphabet plötzlich kurz hinter einem Glockengießer schon der nächste stand oder sich ein Schauspieler an den anderen reihte, bis dann ebenso unversehens eine vermeintlich ewige Buchstabenfolge lang kein einziger mehr davon auftauchte, staunten seinerzeit die Bearbeiter nicht schlecht.
Auch in der redaktionellen Arbeit lässt sich nicht alles planen und konzipieren. Manchmal ergeben sich gerade aus scheinbaren Zufällen neue Zusammenhänge und Vernetzungen, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. So hat sich auch für die zweite Artikellieferung wie von selbst ein thematischer Schwerpunkt entwickelt, auf den ich Sie hinweisen möchte.
Artikel des Monats: „Nicht knipsen – gestalten!“ wollte Paul Wolff
Er setzte Frankfurt fotografisch in Szene: Dr. Paul Wolff. Seit den Zwanzigerjahren nahm er das Stadtbild auf, die Altstadt ebenso wie das Neue Frankfurt, zunächst mit der herkömmlichen Plattenkamera und seit 1926 auch mit dem neuen Kleinbildapparat Leica, zu dessen Durchsetzung er wesentlich beitrug. In den Dreißigerjahren war er mit seinem Unternehmen Dr. Wolff & Tritschler einer der gefragtesten und berühmtesten Fotografen Deutschlands. Die Brillanz seiner Bilder besticht bis heute. Hinter den schönen Schein blickt der aufwendig recherchierte Artikel der Neuen Frankfurter Biographie. Er zeigt u. a., wie der ambitionierte Fotograf, obwohl kein Nationalsozialist und nachweislich kein Parteimitglied, sich in seinem Streben nach beruflichem Erfolg seit 1936 sehr weitgehend mit dem NS-Regime arrangierte.
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Unter den Artikeln der aktuellen Lieferung sind einige weitere, sehr unterschiedliche Lebensläufe
aus der Zeit des Nationalsozialismus vertreten. Das Spektrum reicht von der Geschichte der engagierten Journalistin Martha Wertheimer, einer bemerkenswerten Frau, die wegen ihrer jüdischen Herkunft 1942 ein tragisches Ende im Vernichtungslager Sobibor fand, bis hin zu der Biographie des glatten Karrieristen Hermann Gamer, der nach 1933 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP steil vom Elektromeister zum Wirtschaftsfunktionär, seit 1943 als Präsident der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main, aufstieg.
Beim Klicken durch die neue Namensliste werden Sie schnell weitere Lebensläufe aus der NS-Zeit, aber auch manche Biographien aus ganz anderen Jahrhunderten und Zusammenhängen entdecken.
Unsere Herzen in der Redaktion gehören den Wertheimers und nicht den Gamers. Dennoch ist die Neue Frankfurter Biographie als historiographisches Werk verpflichtet, die gesamte Bandbreite von Biographien bedeutender Frankfurter bzw. für Frankfurt bedeutender Personen zu erfassen, zu dokumentieren und darzustellen – aus allen Zeiten und von allen Seiten, aus verschiedensten Berufen, Gruppen und Richtungen, unabhängig von unseren persönlichen Vorlieben. Noch stehen wir am Beginn dieses umfangreichen Werks, das sich nach und nach, jenseits aller kleinen Zufälle, zum systematischen Ganzen eines Frankfurter Personenlexikons entwickeln soll.
Ich freue mich sehr, dass Sie die Entwicklung von diesen Anfängen an interessiert verfolgen.
Mit besten Grüßen
Sabine Hock
Chefredakteurin der Neuen Frankfurter Biographie
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. September 2014.