Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
wieder, wie schon beim letzten Mal, ist aus aktuellem Anlass eine ungewöhnliche Stifterpersönlichkeit die Hauptperson unserer monatlichen Artikellieferung. Das mag ein Zufall sein, aber kein unwahrscheinlicher. In Frankfurt hat das Stiften eine lange Tradition, nicht erst seit Gründung der ersten deutschen Stiftungsuniversität, die zum Herbstsemester 1914 hier in unserer Stadt eröffnet wurde. Derzeit gibt es fast 600 Stiftungen in Frankfurt. Eine der ältesten und größten ist die „Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung“. Deren Gründerin war die Patrizierin Justina Catharina Steffan von Cronstetten, die vor 250 Jahren, am 20. September 1766, starb. Ihr ist der Artikel des Monats gewidmet.
Artikel des Monats: Fluch und Segen im Leben eines Patrizierfräuleins
Sie bekam Lust und Last ihrer privilegierten Herkunft zu spüren: Justina Catharina Steffan von Cronstetten. Als Erbtochter eines großen Vermögens wuchs das adelige Patrizierfräulein wohlbehütet und standesgemäß auf. Immer wieder litt sie jedoch unter den Nachwirkungen unzüchtiger Affären ihrer Vorfahren mütterlicherseits, die den familiären Ruf wie das eigene Gewissen beschwerten. Im Alter von 23 Jahren wurde Justina im Februar 1700 das Opfer eines gewaltsamen Entführungsversuchs durch den Hauptmann Andreas Grass – ganz und gar keine romantische Liebesgeschichte, sondern ein entsetzliches Drama, das für den wohl tatsächlich in Justina verliebten Entführer im Elend und letztlich im Tollhaus endete. Das traumatische Erlebnis ließ Justina den Entschluss fassen, unverheiratet zu bleiben und auf eine Familiengründung zu verzichten. Sie konnte es sich leisten, ein zwar zurückgezogenes, aber selbstbestimmtes Leben im elterlichen Kranichhof am Rossmarkt zu führen, verwaltete und mehrte ihr ererbtes Vermögen umsichtig und fand ihre Rettung in einer tiefen pietistischen Frömmigkeit. Als letzte Trägerin des Namens Steffan von Cronstetten gründete Justina testamentarisch eine Stiftung, die sie angesichts ihres eigenen Schicksals vor allem alleinstehenden Frauen aus dem Patriziat zugedachte.
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Die Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung, die aufgrund von Justinas Vermächtnis 1767 ihre Arbeit aufnahm, besteht und wirkt bis heute in Frankfurt. Längst unterhält sie jedoch kein Stift für adelige Damen mehr. Angesichts der Lebenswirklichkeit in der modernen Großstadt engagiert sich die gemeinnützige Cronstetten-Stiftung im Geiste ihrer Gründerin vor allem in der Altenpflege und -hilfe sowie im sozialen Bereich, aber auch für kulturelle Projekte. So ist sie ein Hauptförderer des Frankfurter Personenlexikons, das nicht zuletzt dank ihrer großzügigen und kontinuierlichen Unterstützung hier erscheinen kann.
Pünktlich zum jetzigen 250. Todestag der Stifterin liegt erstmals eine fundierte Biographie von Justina Catharina Steffan von Cronstetten vor, verfasst von dem Stadthistoriker Andreas Hansert, der aufgrund seiner umfassenden Forschungsarbeiten auch den Artikel über Justina für das Frankfurter Personenlexikon neu geschrieben hat. Am 13. Oktober 2016 wird das Buch, veröffentlicht als Band 13 der Reihe „Mäzene, Stifter, Stadtkultur“ von der Frankfurter Bürgerstiftung, im Holzhausenschlösschen vorgestellt.
Bereits am 20. September 2016, dem 250. Todestag von Justina, wird das Theaterstück „Fräulein Justina“ von Rainer Dachselt uraufgeführt, ein komödiantisches Melodram mit Katerina Zemankova in der Titelrolle, das die Fliegende Volksbühne unter der Regie von Michael Quast in der Orangerie im Günthersburgpark zeigt.
Beide Projekte wurden ebenfalls von der Cronstetten-Stiftung gefördert.
Auf vielerlei Weise wird somit die Stadtgeschichte im heutigen Frankfurt wieder lebendig. Dazu möchte auch das Frankfurter Personenlexikon beitragen. Bei uns können Sie lesend was erleben!
Ein lebhaftes Lesevergnügen wünscht Ihnen
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Oktober 2016.