H. gehört zu den großen, international anerkannten Architekten und Stadtplanern der Nachkriegsmoderne in der Bundesrepublik Deutschland, dessen Bauten in Hamburg und Berlin zu Ikonen wurden und viele Architektengenerationen beeinflussten. Seine beruflichen Anfänge Mitte der 1920er Jahre aber liegen in Ffm., zunächst als Angestellter im Hochbau- und Siedlungsamt unter
Ernst May, schon bald als selbstständiger Architekt mit ersten Aufträgen für zwei innovative Frauenwohnbaukomplexe, die bis heute erhalten sind.
Aufgewachsen in einer wohlsituierten Beamtenfamilie. Nach dem Abitur am Königlichen Realgymnasium Remscheid (bei Köln) studierte H. Architektur bei Theodor Fischer in München (1921-23),
Hans Poelzig in Berlin (1923-24) und schließlich bei Paul Bonatz in Stuttgart (1925-26), womit er die wichtigsten Positionen in der Lehre vom Bauen seiner Zeit kennenlernen konnte. Wie viele andere Architekten seiner Generation, die in den 1920er Jahren eine vergleichbare Schulung außerhalb des Bauhauses erfahren hatten, fühlte sich H. besonders zu den Experimentierfeldern des Neuen Bauens hingezogen und fand als 23-Jähriger seine erste Anstellung bei
Ernst May, einem der Väter des visionären Stadtplanungsprogramms „Das Neue Fft.“. Im Hochbauamt war H. von November 1926 bis April 1927 unter Adolf Meyer in der „Bauberatungsstelle“ für die architektonische Bearbeitung der Siedlungen zuständig, neben (später) berühmten Architekten und Architektinnen wie Max Cetto,
Martin Elsaesser,
Werner Hebebrand, Eugen Kaufmann,
Ferdinand Kramer,
Franz Roeckle und
Margarete Schütte-Lihotzky. In dieser Zeit befand sich Ffm. in der zentralen und produktivsten Phase des Fünfjahresprogramms für sozialen Wohnungsbau, die von 1925 bis 1930 dauerte.
Bereits im Mai 1927 konnte H. mit gerade einmal 24 Jahren aufgrund mehrerer Aufträge sein eigenes Architekturbüro in der Ffter Hochstraße 36 eröffnen. Gleich zu Beginn bewies er seine auch innenarchitektonischen Fähigkeiten mit dem Umbau des traditionsreichen Ffter Geigenladens „F. Ch. Edler“ (Atelier für Kunstgeigenbau) in der Rothofstraße 6. In der gestalterischen Fokussierung auf die Geigeninstrumente und deren Präsentation entstand ein ebenso schlichter wie eleganter Schau- und Verkaufsraum, der mittels Reduktion auf das Wesentliche unter Verwendung von Materialien wie Glas und Metall sowie Ausstattung mit Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer (1902-1981) schon beim Blick von außen durchs Schaufenster seinen Zweck offenbarte.
Seinen ersten größeren Auftrag erhielt H. von der „Siedlungsgenossenschaft berufstätiger Frauen“ mit der promovierten Gymnasiallehrerin Dorothea Hillmann (1893-1973) als Vorstandsvorsitzenden, für die er eine Wohnsiedlung errichten sollte. Der Anteil alleinstehender erwerbstätiger Frauen war im Lauf der 1910er bis 1920er Jahre gerade auch in Ffm. stark angestiegen; es gab aber kaum Kleinwohnungen für Alleinstehende, wodurch die Frauen auf Untermietverhältnisse oder Wohnheimplätze angewiesen waren. So entstanden schon im November 1916 die „Frauenwohnungs-Genossenschaft Fft.“ und 1926 die „Siedlungsgenossenschaft berufstätiger Frauen“ mit einer entsprechenden selbsthelfenden Zielsetzung. Zu den Gründerinnen der Siedlungsgenossenschaft zählte die Gewerbelehrerin Gertrud Meier (1901-1990), die mit H. befreundet war und später seine Ehefrau und enge Mitarbeiterin werden sollte. Zusammen mit Dorothea Hillmann gehörte sie zu den Bewohnerinnen des im Sommer 1928 als erstes fertiggestellten Baublocks A an der Adickesallee.
Von 1927 bis 1930 wurden auf einem Erbpachtgrundstück im Bereich Adickesallee 21-23, Frauensteinstraße 16-20 und Loenstraße 9-11 in zwei Bauabschnitten drei hufeisenförmig angeordnete, aber getrennte Wohnblöcke mit drei Geschossen, Flachdach und umlaufenden Balkonen errichtet. Neben den großzügigen 3-, 4- und 5-Zimmerwohnungen und zum Teil auch deren Inneneinrichtung samt Mobiliar plante und gestaltete H. mehrere Gemeinschaftseinrichtungen wie eine Waschküche und einen Gymnastikraum, der auch als Gesellschaftsraum für die Bewohnerinnen genutzt werden konnte. Nach Fertigstellung bestand die kleine Siedlung der berufstätigen Frauen aus 43 Wohnungen, in denen ca. 120 Bewohnerinnen, überwiegend Lehrerinnen, Unterkunft fanden (mit einer anfänglichen Miete zwischen 100 und 125 Reichsmark inkl. Heizung).
H. verstand es geschickt, seinen ersten eigenständig geplanten Bau publizistisch zu vermarkten mit der 1929 von ihm herausgegebenen, in Typografie und Aufmachung der Zeitschrift „Das Neue Fft.“ nachempfundenen Broschüre „12 Mietwohnungen in einem Block. Ein Beitrag zum Problem des zeitgemäßen Miethauses“. Den Text verfasste Otto Völckers (1888-1957), Schriftleiter von „Stein, Holz, Eisen“; die Abbildungen lieferten die Fotografen Hermann Collischonn und
Paul Wolff. In seiner modernen Gestaltung korrespondierte das Büchlein mit der gebauten Architektur und machte an einem konkreten Einzelbeispiel zugleich Reklame für die reformerische Programmatik des „Neuen Fft.“.
Wie der Architekturhistoriker Giacomo Calandra di Roccolino in seiner grundlegenden Monographie über H. schreibt, liegt die Bedeutung des Hauses weniger in den formalen Lösungen oder in der architektonischen Qualität des Entwurfs, „sondern vielmehr in der Innovation, die aus den mit dem Projekt einhergehenden sozialen und politischen Fragen resultiert. Die Neuheit eines von einer weiblichen Kooperative initiierten und finanzierten Hauses – mit Wohnungen ausschließlich für alleinstehende, aber wirtschaftlich unabhängige Frauen – war für die damalige Zeit eine Art soziales und typologisches Experiment, das vollständig dem progressiven Geist entsprach, der die von
Ernst May erstrebte Architektur des ‚Neuen Fft.‘ kennzeichnete.“ (Calandra di Roccolino: Bernhard Hermkes 2018, S. 38.)
Mit dem „Haus der berufstätigen Frauen“ war H. das Debüt in der Fachwelt und im lokalen Ffter Umfeld geglückt, und so wurde er von dem im Juni 1929 zusätzlich gegründeten „Frauenwohnungsverein“ mit einem neuen Frauenwohnprojekt beauftragt, diesmal mit dem Ziel der Schaffung wesentlich kostengünstigerer Einzimmerwohnungen für finanziell schlechter gestellte Arbeiterinnen und Angestellte. Wieder übernahm die in der Ffter Wohnungspolitik ebenso kundige wie engagierte Dorothea Hillmann die Geschäftsführung des Vereins, und es entstand das Projekt „Ledigenheim“ an der Platenstraße im Stadtteil Dornbusch nördlich des Alleenrings.
Wegen diverser politischer Kontroversen konnten erst im Herbst 1931 die 60 Einzimmerappartements an der Platenstraße 31-69 bezogen werden, die H. für einen dreigeschossigen Baublock in der Tradition eines Laubenganghauses entworfen hatte, wobei er den Prinzipien der damals diskutierten „Wohnung für das Existenzminimum“ und der „Kleinstwohnung“ folgte. Mit durchgehenden, aber jeweils mit Sichtschutz abgetrennten Balkonen versehen, waren alle Einraumwohnungen (mit Einbauschränken, Klappbett, einer Kleinstküche und einem Miniwaschraum mit WC) nach Süden ausgerichtet. Bei einer monatlichen Miete von 22 bis 35 Mark zuzüglich sieben Mark Heizungszuschlag erhielten nunmehr alleinstehende geringverdienende erwerbstätige Frauen „die Möglichkeit, in einem, wenn auch bescheidenen, so doch eigenen, freundlichen und hygienischen Heim zu leben“, wie die FZ vom 5.12.1930 meldete, wozu sie auf der ersten Seite des Stadt-Blatts zusätzlich ein großes Foto mit dem Titel „Im neuen Junggesellinnenheim“ brachte. Das seinerzeit noch völlig freistehende und einen weiten Ausblick ermöglichende Gebäude steht heute unter Denkmalschutz und wurde vom Besitzer, der Hellerhof GmbH, behutsam restauriert.
Neben seiner Tätigkeit als freier Architekt war H. von 1929 bis 1931 Dozent für Entwerfen und Baukonstruktion an der Höheren Bau- und Kunstgewerbeschule der Technischen Lehranstalten in Offenbach. In diese Zeit fiel auch der nicht realisierte Entwurf für eine „Kinderheimstätte“(1930) in Ffm. und die architektonische Mitarbeit bei der Planung des ersten Bauabschnitts der Gartenstadt Goldstein in Schwanheim, dessen Ausführung 1932 erfolgte. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage blieben weitere größere Aufträge aus. Die „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten bedeutete für H. und seine berufliche Karriere einen tiefen Einschnitt; er wurde ab 1933 als „Kultur- und Baubolschewist“ diffamiert. Zu Beginn der 1930er Jahre beauftragten ihn jüdische Freundinnen und Freunde aus Ffm. mit den Umbauten größerer Wohnungen in Kleinwohnungen (Wohnungsteilungen der Stadtvillen im Gärtnerweg 5, in der Forsthausstraße 125 und der Beethovenstraße 62, 1932-35). Er schuf 1934 den preisgekrönten Entwurf für eine Wohnbebauung im Bereich Sachsenhäuser Ufer, Löhergasse, im Rahmen des Wettbewerbs Altstadt-Sanierung und 1935 den nicht ausgeführten Entwurf einer Wohnbebauung im Westend, Freiherr-vom-Stein-Straße. Wegen mangelnder Aufträge musste H. Ende 1935 sein Atelier schließen. Es folgten verschiedene Anstellungen im Bereich des militärischen, kriegswichtigen Industriebaus, jener im „Dritten Reich“ expandierenden „Nische“, in der viele Architekten des Neuen Bauens tätig wurden, die nicht emigrieren mussten oder wollten (Heinkel-Werke Oranienburg, 1936; Messerschmitt-Flugzeugwerke, 1936-39; MAN-Motorenwerk Hamburg, Rosshafen, 1939-44).
Nach Kriegsende fand H. ein langfristiges Betätigungsfeld als erneut selbstständiger Architekt in Hamburg, wo, zunächst im Rahmen des Wiederaufbaus, auch der größte Teil seiner Bauten entstand, wie z. B. die Hochhäuser am Grindelberg (1946-56), die Siedlung Karl-Jacob-Straße in Klein Flottbek (1949-51), die Kennedy-Brücke (1952-53), der Philipsturm (1953), die Großmarkthalle (1954-62), die Großsiedlung Lurup (1955-69), das Auditorium Maximum an der Universität Hamburg (1956-59) und das Verlagshaus Axel Springer (1972-74), die das städtebauliche Gesicht der Freien und Hansestadt entscheidend mitgeprägt haben. H.’ besondere Verbundenheit zu Ffm. zeigte sich noch einmal 1947 durch Teilnahme am Wettbewerb für ein Flughotel der US-amerikanischen Übersee-Fluglinien-Gesellschaft, das am Mainufer in der Nähe des Gewerkschaftshauses geplant war, jedoch nicht realisiert wurde.
H.’ Werk zeichnet sich durch eine enorme Pluralität der Bauaufgaben aus. Neben Wohnhäusern verschiedener Art sowie Klein- und Großsiedlungen entstanden Verwaltungsgebäude, Banken, Fabriken, Kraftwerke, Universitätsbauten, Schulen, Archive, Ausstellungsgebäude, Messe- und Markthallen, Pflanzenschauhäuser, Türme und Brücken. „Bei aller Vielfalt erscheint das Werk von Hermkes äußerst konsequent und homogen. Überall zeigt sich eine Vorliebe für das Konstruktive und Funktionelle, Nüchterne und Zweckmäßige. Schon in seinen frühen selbständigen Arbeiten, von denen das 1930 in Fft. errichtete Ledigenheim an erster Stelle zu nennen ist, lassen sich diese Wesenszüge deutlich erkennen.“ (Hanns Theodor Flemming: Der Architekt Bernhard Hermkes. In: Zwanzig – Jb. d. Freien Akademie d. Künste in Hamburg 1968, S. 230.)
Wichtig für das Fortwirken von H.’ architektonischen Vorstellungen war schließlich die rege Lehrtätigkeit von 1955 bis 1969 als Professor für Entwerfen, Baukonstruktion und Industriebau an der Technischen Hochschule Berlin. Bis zu seinem Tod wohnte H. in Hamburg-Flottbek in einem von ihm selbst geplanten Siedlungshaus mit Atelier. Dort kümmerte er sich bis zuletzt um sein Lebenswerk, vor allem um die Sichtung, Ordnung und Auswertung des Archivs. Zum 90. Geburtstag würdigte der Architekturkritiker Manfred Sack H. und sein Gesamtwerk: „Es ist ihm [H.] um eine Architektur ohne Brimborium zu tun, nichts hinzugelogen, in allen Teilen klar, logisch, ‚ablesbar‘ und sparsam im Gebrauch der Mittel. Alles ist von einer unaufdringlichen baumeisterlichen Selbstverständlichkeit und immer von einer gewissen herben Eleganz.“ (Manfred Sack in: Die Zeit, 26.3.1993.)
Grabstätte auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf.
Nachlass (Bernhard-H.-Archiv) im Baukunst-Archiv der Akademie der Künste in Berlin.
Seit 2013 Bernhard-H.-Straße auf dem Riedberg.
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