Sohn von Ernst Graf zu S.-L. (1837-1908), Kreisdirektor des Kreises Straßburg, und dessen Ehefrau Auguste Marie Georgine, geb. Gräfin Schimmelmann (1847-1921). Fünf Schwestern. Verheiratet (seit 1935) mit
Margot Juliane Helene Gräfin zu S.-L., geb. Bertram (1906-1994). Ein Sohn, drei Töchter.
1911 Abitur am Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt. Ab 1912 Medizinstudium in Marburg, das er bei Beginn des Ersten Weltkriegs abbrach, um sich als Kriegsfreiwilliger zu melden. Von 1919 bis 1924 studierte S. Kunstgeschichte in Marburg, München und Berlin. 1925 Promotion mit einer Arbeit über „Die Wormser Bauschule in Hessen”. Im gleichen Jahr kam S. als Volontär an das Städelsche Kunstinstitut in Ffm. 1929 wurde er Assistent und Kustos an der Skulpturensammlung der Städtischen Galerie im Liebieghaus. Hier zeichnete er u. a. für den Erwerb der vielbeachteten spätgotischen Skulptur „Bärbele von Ottenheim” (eigentlich wohl Darstellung einer Sibylle, geschaffen von Niclaus Gerhaert van Leyden für das Portal der Alten Kanzlei in Straßburg, 1463; im Liebieghaus) verantwortlich.
Zum 1.5.1937 trat S. der NSDAP bei. 1938 übernahm er die Direktion des Ffter Stadtgeschichtlichen Museums (bis 1934 und seit 1945: Historisches Museum). Bereits im Juni 1938 legte S. ein Konzept für die Neuaufstellung des Museums vor. Oberbürgermeister
Friedrich Krebs gab sein Einverständnis, und so begann wenig später die Realisierung, obwohl wiederholt Kritik an Aufwand und Kosten laut wurde, zumal vorherige Umbaumaßnahmen noch nicht einmal abgeschlossen waren. Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 ließ S. zahlreiche Objekte aus der Synagoge am Börneplatz und dem ausgebrannten Museum jüdischer Altertümer ins Stadtgeschichtliche Museum bringen. Dort wurden die Objekte wenig später von der Gestapo beschlagnahmt. Aus den erzwungenen Ablieferungen von Wertgegenständen aus jüdischem Besitz erwarb S. mit finanzieller Unterstützung der Stadt Ffm. eine Reihe von Stücken für die Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums. Nachweislich unternahm S. im Auftrag der Stadtverwaltung zusammen mit Walter Mannowsky und
Ernst Holzinger mindestens eine Reise ins besetzte Frankreich, um Objekte für die Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums zu erwerben.
Im August 1939 wurde S. zur Wehrmacht zu einer Reserveübung einberufen. Die Stadtverwaltung bemühte sich um seine Befreiung vom Wehrdienst, da er als Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums unabkömmlich sei. Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde er zusätzlich zum örtlichen Denkmalpfleger bestellt. Da er in dieser Funktion im Kriegsfall für den Luftschutz zuständig gewesen wäre, sollte damit eine dauerhafte Freistellung vom Dienst an der Waffe erreicht werden. Dennoch wurde S. zum 1.3.1941 zur Wehrmacht einberufen. Im Mai 1941 folgte die Versetzung zu einer Feldkommandantur unter dem Kommando der 285. Sicherungsdivision, die im Juni nach Osten verlegt und vermutlich im Juli 1941 in Pskow in Russland stationiert wurde. Im September 1941 öffnete S. das kulturgeschichtliche Museum der Stadt im Pogankinhaus, einem spätmittelalterlichen Kaufmannshof, für die Angehörigen der Wehrmacht und der verschiedenen deutschen Besatzungsbehörden vor Ort. Aus den im Museum zurückgebliebenen Objekten hatte er dort eine Ausstellung eingerichtet. Zum 1.10.1941 wurde S. offiziell zum Kunstschutzoffizier der 18. Armee ernannt und zum 1.12.1941 durch das Oberkommando des Heeres in dieser Funktion zum Stab der Heeresgruppe Nord versetzt. Eine seiner ersten Amtshandlungen als Kunstschutzoffizier war die Bergung des Bernsteinzimmers aus dem Katharinenpalast in Puschkin (früher: Zarskoje Selo), das in der Folge nach Königsberg gebracht und im dortigen Schloss installiert wurde, wo es bei Kriegsende spurlos verschwand. Gemälde und Möbelstücke aus den Zarenschlössern in der Umgebung von Leningrad (Sankt Petersburg) sollen auf Anweisung S.ʼ nach Reval (Tallinn) und nach Deutschland abtransportiert worden sein. Viele Objekte ließ S. jedoch an ihren Standorten in den Schlössern sichern oder nach Pskow bringen. Auch aus den Städten und Dörfern im Bereich der Heeresgruppe Nord, vor allem wohl aus deren Museen, holte S. Kulturgüter nach Pskow. Im Sommer 1942 gelangte eine große Anzahl an Objekten aus Nowgorod dorthin, die nach einem schweren Artillerieangriff der sowjetischen Armee in Sicherheit gebracht werden sollten. In Pskow baute S. eine Arbeitsgruppe aus deutschen und russischen Experten auf. Es waren Kunsthistoriker, Restauratoren, Fotografen, die als Angehörige der Wehrmacht mit ihren Einheiten in das Gebiet gelangt bzw. als Zivilisten in Pskow und Nowgorod geblieben waren. Mit diesen Mitarbeitern richtete er einen quasi friedensmäßigen Museumsbetrieb nach den gewohnten Standards ein. Die in Pskow zusammengetragenen Kulturgüter wurden inventarisiert, fotografiert, bei Bedarf restauriert und teilweise ausgestellt. Bis zum Herbst 1942 wurden Kulturgüter im Gebiet der Heeresgruppe Nord gesichert; danach scheint es höchstens noch vereinzelt derartige Maßnahmen gegeben zu haben. Wegen des Vorrückens der sowjetischen Armee wurden die Arbeiten eingestellt, die Kulturgüter Ende 1943 aus Pskow nach Riga und von dort auf verschiedenen Wegen weiter nach Westen transportiert; ein großer Teil dieser Objekte gelangte auf ebenso verschiedenen Wegen zurück in die Sowjetunion. S. blieb noch bis März 1944 bei der Heeresgruppe Nord. Vermutlich im April 1944 wechselte er zur Dienststelle „Chef der Heeresmuseen“. In deren Auftrag evakuierte er mit einem kleinen Mitarbeiterstab im letzten Kriegsjahr Kulturgüter aus Ostpreußen und Schlesien, darunter die „Madonna des Bürgermeisters Meyer“ von Hans Holbein d. J. aus dem Besitz der Großherzöge von Hessen, die aus Darmstadt nach Schloss Fischbach in Schlesien ausgelagert worden war. Einer Überlieferung der Hessischen Hausstiftung zufolge hatte S. 1943 für die Auslagerung von Kunstgegenständen aus dem Darmstädter Schloss gesorgt. Das Kriegsende erlebte S. auf dem Familiensitz in Arnsburg.
Im Juni 1945 wurde S. wegen seiner Parteimitgliedschaft aus dem Dienst der Stadt Ffm. entlassen. Aus dem Entnazifizierungsverfahren ging er als „unbelastet“ hervor. Dabei halfen ihm Fürsprecher wie
Alfred Wolters, aber auch
Guido Schoenberger, ehemaliger Kurator des Historischen Museums in Ffm., der die Shoah im New Yorker Exil überlebt hatte. Auf seine vorherige Stelle konnte S. dennoch nicht zurückkehren. In der Zwischenzeit war Albert Rapp, der S. während seiner Abwesenheit als Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums vertreten hatte, zum Direktor des im Dezember 1945 zu seinem ursprünglichen Namen zurückgekehrten Historischen Museums ernannt worden. Als Nachfolger von Walter Mannowsky wurde S. 1949 Direktor des Museums für Kunsthandwerk (seit 2013: Museum Angewandte Kunst), das er bis zu seiner Pensionierung 1956 leitete. Albert Rapp als Direktor und Heinrich Bingemer als Kustos des Historischen Museums hatten sich entschieden gegen die Berufung von S. zum Direktor des Museums für Kunsthandwerk gewandt, da dieser in seiner Zeit als Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums verantwortlich dafür gewesen sei, dass die Sammlung
Heyman entgegen der testamentarischen Bestimmungen des Stifters und ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde unter Verteilung an die Ffter Museen (1938) und Verkauf wertvoller Stücke an den Kunsthandel (1939/40) aufgelöst worden sei. Ihr Protest blieb erfolglos, weil sich
Ernst Holzinger als Direktor des Städel,
Alfred Wolters von der Städtischen Galerie und Walter Mannowsky vom Museum für Kunsthandwerk einhellig für S. aussprachen. Im Westflügel des Städel konnte S. das Museum für Kunsthandwerk – dessen Gebäude in der Neuen Mainzer Straße im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war – wiedereinrichten. In seine Amtsperiode fielen eine Vielzahl von Ausstellungen und der Ankauf von über 400 Kunstwerken, u. a. einer wertvollen Sammlung mittelalterlicher Skulpturen und Bronzen. Auch beriet und betreute S. Ffter Privatsammler und Mäzene sachkundig beim Auf- und Ausbau ihrer Kunstsammlungen. Sein besonderes Interesse galt der Ffter Bildhauerei des 17. Jahrhunderts. Nach seiner Pensionierung baute S. im Laubacher Schloss ein Hausmuseum auf und begründete die Schriftenreihe „Aus dem Schloß der Grafen zu Laubach”.
.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 395,
.