Wilhelm I. Eigentl.: Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen. Prinz von Preußen (1840-58), dann Prinzregent von Preußen (1858-61) und schließlich König von Preußen (1861-88). Deutscher Kaiser (1871-88). * 22.3.1797 Berlin, † 9.3.1888 Berlin.
Zweites von neun Kindern des späteren Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770-1840) und dessen Ehefrau
Luise Auguste Wilhelmine Amalie, geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz (1776-1810). Verheiratet (seit 1829) mit Maria Luise
Augusta Catherina, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811-1890). Zwei Kinder: Prinz
Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen, der spätere König von Preußen und Deutsche Kaiser Friedrich III. (1831-1888), und Prinzessin
Luise Marie Elisabeth von Preußen, die spätere Großherzogin von Baden (1838-1923). Großvater des Prinzen Friedrich
Wilhelm Viktor Albert von Preußen, des späteren letzten Königs von Preußen und Deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859-1941).
Mit Blick auf seine zentrale Rolle im Prozess der Reichsgründung und beim inneren Ausbau des Deutschen Reichs nach 1871 muss W. als eine der wirkmächtigsten Persönlichkeiten der jüngeren deutschen Geschichte betrachtet werden. Auch für Ffm. kommt ihm aufgrund seiner Entscheidungsverantwortung bei der Annexion der Freien Stadt 1866 eine historisch folgenschwere Bedeutung zu.
W. wuchs in der Phase des europäischen Umbruchs während der Revolutionskriege und Napoleonischen Kriege auf. Im Alter von sieben Jahren musste er mit seiner Familie infolge des Zusammenbruchs der Hohenzollernmonarchie im Krieg gegen
Napoleon I. aus Berlin fliehen. Der frühe Tod seiner Mutter Luise 1810 stellte für den Prinzen einen nachhaltig wirkenden Verlust dar. Die Teilnahme am Sechsten Koalitionskrieg 1813/14 empfand W. daher als Möglichkeit zur Rache für das vermeintliche Unrecht, das das napoleonische Frankreich an der Hohenzollerndynastie, an Preußen und am monarchischen Europa verübt habe. Infolge der persönlichen Kriegserfahrungen kam er zu einer dezidiert militärischen Wirklichkeitswahrnehmung und zu der Perspektive, politische Konflikte könnten in letzter Konsequenz allein durch das Schwert gelöst werden.
Als zweitgeborener Prinz war W. rein militärisch erzogen worden, da er ursprünglich nicht für die Thronfolge vorgesehen war. In diese Position rückte er erst in den späten 1820er Jahren, als sich abzeichnete, dass die Ehe seines älteren Bruders, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795-1861), mit Elisabeth Ludovika, geb. Prinzessin von Bayern (1801-1873), kinderlos bleiben würde. Ein genuin politisches Weltbild und eine konkrete monarchische Agenda begann W. erst infolge des Petersburger Dekabristenaufstands 1825 und der Pariser Julirevolution 1830 zu entwickeln. Im Vormärz sah er die monarchische Herrschaftsordnung in Preußen und in ganz Europa durch liberale, demokratische und nationale Bewegungen sowie angebliche revolutionäre Konspirationszirkel bedroht. Diese wollte er durch repressive Zensur-, Polizei- und Militärinstrumente unterdrückt sehen, und er lehnte jegliche konstitutionellen Reformen der absolutistischen Hohenzollernmonarchie ab. In den ersten acht Jahren der Herrschaft seines Bruders ab 1840 torpedierte er dessen Reformpolitik als Oberhaupt einer konservativen Hofopposition. Dadurch wurde der Prinz von Preußen – so der offizielle Thronfolgertitel – schnell zum öffentlichen Feindbild, was maßgeblich dazu beitrug, die Popularität und Autorität der Hohenzollernmonarchie zu untergraben. Nach Ausbruch der Märzrevolution 1848 musste W. daher als einziger monarchischer Akteur in Deutschland fliehen. Die Monate März bis Juni 1848 verbrachte der „Kartätschenprinz“, der laut Barrikadengerüchten mit Artillerie auf die Berliner Stadtbevölkerung habe schießen lassen wollen, im Londoner Exil.
Mit der Rückkehr nach Preußen und auf die politische Bühne begann W., seine monarchische Agenda neu zu konzipieren. Den Konstitutionalismus, den er vor 1848 aktiv bekämpft hatte, betrachtete er nun als Möglichkeit, die Öffentlichkeit als politischen Entscheidungsfaktor in die Hohenzollernmonarchie zu integrieren und die liberalen Forderungen nach Repräsentation und Partizipation zu kanalisieren. Eine Parlamentarisierung der monarchischen Regierung lehnte er jedoch zeitlebens entschieden ab. Vor allem aber rückte W. nach 1848 in Berlin die „Deutsche Frage“ – die Frage der deutschen Einheit – in den politischen Fokus. Er meinte, Preußen müsse sich an die Spitze der deutschen Nationalbewegung stellen und Österreich aus Deutschland herausdrängen. Von einer kleindeutschen und monarchischen Lösung der Deutschen Frage versprach er sich eine innere Stabilisierung und Neulegitimierung der Hohenzollernkrone sowie einen äußeren Machtgewinn. Der von W. 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten ernannte
Otto von Bismarck sollte dieses Programm einer monarchischen Nationalstaatsgründung – einer „Revolution von oben“ – übernehmen und unter aktiver politischer Direktive des Herrschers in Form der Reichsgründung umsetzen.
Das deutschlandpolitische Interesse des späteren Kaisers lenkte dessen Blick 1848 auch auf die Freie Stadt Ffm. als Sitz der Deutschen Nationalversammlung. „Es wird viel Geschick dazu gehören, sich nicht ganz an Frankfurt a/M zu
verkaufen, und doch nicht gegen die moralische Macht aufzulehnen, die von dort aus auch auf die Preußen sich leider Geltung verschafft hat, die im Gegentheil aber so geschickt genutzt werden muß, um Vortheil daraus zu ziehen, zur Herstellung der Gesetzlichkeit bei uns!“ [W. an seine Schwester Charlotte, 16.10.1848. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (nachfolgend abgekürzt als: GStA PK), Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (nachfolgend abgekürzt als: BPH), Rep. 51 J, Nr. 511a, Bd. 2, Bl. 399-400.] Gegen die Wahl des österreichischen Erzherzogs
Johann zum Reichsverweser im Juni 1848 protestierte W. energisch, „weil man dem Frankfurter Parlament es
nie zugestehen durfte, eine solche Wahl
ohne die Fürsten vorzunehmen (…), denn das heißt nichts anders, als die Républik erklären, denn wenn die Réprésentanten des
Volkes sich das Recht beilegen, ein Oberhaupt zu wählen, ohne die
noch vorhandenen Souveraine zu
fragen, so ist das in meinen Augen, Républik, wenn die Souveraine
nachher Ja dazu sagen“ (W. an Charlotte, 7.7.1848, GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 511a, Bd. 2, Bl. 380-381). Im Winter 1848/49 versuchte W., in persönlichen Unterredungen und Korrespondenzen mit Ffter Abgeordneten wie Parlamentspräsident
Heinrich von Gagern Möglichkeiten zu sondieren, wie ein von der Hohenzollernmonarchie geführter deutscher Nationalstaat konstituiert werden könnte. Anders als sein Bruder Friedrich Wilhelm IV. war W. zu einer Kooperation von Paulskirchenparlament und Hohenzollernmonarchie bereit, „da Einmal das Deutsche Parlament sich eine moralische Macht in Deutschland erworben habe, ihm auch bei der Bestimmung über das Oberhaupt eine Meinung über das Oberhaupt eingeräumt werden müsse; aber als alleiniger Verschenker der Kaiser Krone könne man das Parlament doch nicht anerkennen“ (W. an Charlotte, 25./30.11.1848, GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 511a, Bd. 2, Bl. 415-416). Nachdem Friedrich Wilhelm IV. die ihm von der Ffter Kaiserdeputation am 3.4.1849 angebotene Kaiserkrone jedoch abgelehnt hatte, versuchte W., letztlich erfolglos, das Paulskirchenprojekt in Eigeninitiative zu retten. Er führte mit den enttäuschten Abgeordneten noch am selben Tag Verhandlungen über mögliche konservative Modifikationen der Reichsverfassung, um die Verfassung dem König erneut zur Annahme vorzulegen. Nach der Rückkehr der Kaiserdeputation nach Ffm. erklärten die Abgeordneten dort, es müsse das Ziel der Nationalversammlung sein, den ehemaligen „Kartätschenprinzen“ der Märzrevolution auf dem preußischen Thron zu sehen, falls die nationalstaatliche Einigung erfolgreich sein sollte.
Im September 1849 reiste W. persönlich nach Ffm., um dort über den Anschluss der sowohl symbolpolitisch wie militärstrategisch bedeutenden Freien Stadt an die von Preußen geführte, letztlich aber gescheiterte Erfurter Union zu verhandeln. „Ich habe mich sehr bestimmt gegen die Machthaber hier ausgesprochen und hingewiesen daß die zuletzt Kommenden keinen guten Platz finden würden und namentlich würde Frankfurt a/M.
dann wohl niemals auf Berücksichtigung, den Reichstag in seinen Mauern zu besitzen, sich Rechnung machen können.“ (W. an Friedrich Wilhelm IV., 6.9.1849. GStA PK, VI. HA, Nl. Vaupel, Nr. 59, Bl. 448-449.) Bei diesem und folgenden diplomatischen Fft.besuchen formierte sich in der Wahrnehmung des späteren Kaisers ein dezidiert negatives Bild der Freien Stadt als preußenfeindliches Intrigantenzentrum, dessen Regierung, Presse und Bewohner im Dienste der österreichischen Großmachtinteressen agieren würden. Als W. in der Nacht vom 12./13.2.1850 nur knapp einem Feuer entkam, das ihn in seiner Ffter Wohnung im Schlaf überrascht hatte, kursierten – unbestätigte – Gerüchte, dass es sich um einen gezielten Brandanschlag auf den preußischen Thronfolger gehandelt haben solle.
Nachdem Friedrich Wilhelm IV. 1857 infolge mehrerer Schlaganfälle regierungsunfähig wurde, folgte ihm W. zunächst für ein Jahr als Stellvertreter, dann ab 1858 als Prinzregent und schließlich nach seinem Tod 1861 als König von Preußen auf dem Thron. W. übernahm persönlich und aktiv die Leitung der Regierungsgeschäfte, griff systematisch in die Ministerverhandlungen ein und definierte die Ziele der Innen- und Außenpolitik. Bereits zeitgenössisch wurde von einem „persönlichen Regiment“ des Monarchen gesprochen, dem sich auch
Bismarck nach 1862 unterordnen musste. Erst mit der Konstituierung des Norddeutschen Bundes 1867 gewann der bisherige Ministerpräsident in der neugeschaffenen Rolle als Bundeskanzler bzw. nach 1871 als Reichskanzler eine größere politische Gestaltungsfreiheit. Doch agierte W. bis zu seinem Tod 1888 als zentraler und finaler Entscheidungsakteur im Staat.
Als Sitz der Bundesversammlung fungierte Ffm. auch im Nachmärz für W. als institutionalisiertes nationalpolitisches Feindbild. Er geißelte das vermeintlich österreichhörige „Frankfurter Systême“ und drohte vor 1866 wiederholt mit einem Bruch der Bundesverträge durch Preußen. Daher lehnte er auch die Einladung Kaiser Franz Josephs I. (1830-1916) zum Ffter Fürstentag 1863 ab, auf dem eine föderative Bundesreform unter Führung der Habsburgermonarchie in Anwesenheit aller deutscher Monarchen und Souveräne verhandelt werden sollte. „Als gleichberechtigte Großmacht mit Österreich, sollte ich in Frankfurt a. M. als dessen très humble serviteur erscheinen?“ [W. an seinen Schwager Carl Alexander, 12.8.1863. Zit. nach Schultze (Hg.): Kaiser Wilhelms I. Weimarer Briefe 1924, Bd. 2, S. 39.] Der spätere Kaiser war nicht bereit, in Deutschland die Rolle eines österreichischen Juniorpartners zu spielen, wie er es sowohl seinem Bruder Friedrich Wilhelm IV. als auch seinem Vater Friedrich Wilhelm III. oft vorgeworfen hatte. Ohne die Teilnahme des Königs von Preußen waren die Ffter Verhandlungen – in W.s Worten: „dieser éclat der in F. a/M. stattfinden wird“ – noch vor Beginn zum Scheitern verurteilt. „Ich erwarte ruhig den Ausgang des Fürstenkongresses, weil mein Gewissen mir sagt, daß ich nicht anders handeln konnte als ich tat.“ (W. an Augusta, 8./9.8.1863. GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 509b, Bd. 9, Bl. 104-105.) Gleichzeitig begann W., offen eine friedliche Lösung der Deutschen Frage in Abrede zu stellen, „da ja das jetzige Verfahren in F. a/M. gerade für Preußen die Unmöglichkeit dazu zeige“ (W. an Augusta, 1.9.1863, GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 509b, Bd. 9, Bl. 110).
Der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866 entschied den Dualismus der Großmächte zugunsten der Hohenzollernmonarchie – und besiegelte das Ende der Selbstständigkeit von Ffm. Die preußische Okkupation und darauffolgende Annexion der Freien Stadt wurde innerhalb wie außerhalb Deutschlands verurteilt, nachdem Bürgermeister
Carl Fellner am 24.7.1866 Suizid begangen hatte.
Fellner war von preußischer Seite mit der Drohung einer systematischen Plünderung, gar Artilleriebombardierung der Stadt konfrontiert worden, falls die Administration die hohen Kontributionsforderungen nicht erfüllen sollte. W. hatte diese repressiven Okkupationsmaßnahmen als König und oberster Kriegsherr nicht nur politisch zu verantworten, sondern ausdrücklich gebilligt und gegen Kritiker am Berliner Hof verteidigt: „Kriegsleistungen müssen überall geleistet werden“, und „in F. a. M. trifft dies die Reichen in einer Weltstadt“ (W. an Augusta, 24.7.1866, GStA PK, BPH, Rep 51 J, Nr. 509b, Bd. 12, Bl. 74-76). Als bisheriger Ort der Bundesversammlung sei die Stadt „der Sitz aller Intrigen gegen Preußen“ gewesen. Mehrere diplomatische Mediationsversuche ließ W. zurückweisen und sogar offen brüskieren, denn „ein Ort, der sich so miserabel gegen Preußen seit Jahren benommen hat, der von Millionären strotzt, der soll mit einem Male arm sein und eine Kontribution nicht zahlen, die bei richtiger Reparation leicht zu erschwingen wäre!“ (W. an Augusta, 28.7.1866, GStA PK, BPH, Rep 51 J, Nr. 509b, Bd. 12, Bl. 60-61). Für den späteren Kaiser blieb Ffm. im Sommer 1866 das verhasste Symbol der von ihm seit 1848 bekämpften Bundesordnung. „Die oesterreich-süddeutsche Schmiede in F. a/M. hat in den letzten 10 Jahren nur zu unheilvoll gewirkt und durch den Bundestag hauptsächlich die Ansicht genährt und verbreitet und die Opposition gegen Preußen aufgestachelt (…). Das Sprichwort: Wer anderen eine Grube gräbt pp. – hat sich erschreckend bewahrheitet.“ (W. an Augusta, 19.8.1867. GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 509b, Bd. 13, Bl. 83-84.) Bis 1869 stritten Ffter Bürgerschaft und Berlin um eine Teilrückerstattung der 1866 erhobenen Kontributionen. W. erklärte sich schließlich bereit, der Stadt eine Millionen Gulden aus der königlichen Privatschatulle zurückzuzahlen. Diese vermeintlich großzügige Versöhnungsgeste muss jedoch vor allem als monarchische Machtdemonstration gegenüber
Bismarck und dem preußischen Staatsministerium verstanden werden, denn diese hatten den Abschluss des Ffter Finanzvertrags zu blockieren versucht. Mit der Privatspende demonstrierte W. den Ministern seine politische Führungsrolle und konnte sich gleichzeitig öffentlich als wohlwollender Landesherr inszenieren. Seitens der Berliner Regierung wurde der ehemaligen Freien Stadt jedoch weder im deutschen Kaiserreich noch im Königreich Preußen noch in der preußischen Provinz Hessen-Nassau eine politisch-administrative Sonderrolle zugebilligt.
Etwa ein Jahr nach der Okkupation besuchte W. erstmals wieder Ffm., das durch die Annexion lediglich noch eine preußische Provinzstadt war. In der Nacht vor seiner Ankunft in Ffm. am 15.8.1867 brach im Kaiserdom Sankt Bartholomäus ein Feuer aus, bei dem vier Menschen ums Leben kamen und die ehemalige Wahl- und Krönungsstätte der römisch-deutschen Kaiser zu großen Teilen zerstört wurde. Die Nachricht über den Dombrand bezeichnete W. als „erschütternd“, und er besuchte die „Brandstätte natürlich ganz unvorbereitet[,] dennoch strömte Alles herzu und brachte mir – ein Hurrah – in F. a/M.!“ (W. an Augusta, 17.8.1867, GStA PK, BPH, Rep 51 J, Nr. 509b, Bd. 13, Bl. 80-82). Andere Quellen legen jedoch nahe, dass der Besuch des neuen Landesherrn vor der noch rauchenden Domruine seitens der Ffter Öffentlichkeit dezidiert negativ aufgenommen wurde. Erst die dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der Reichsgründung 1871 folgende nationale Triumpheuphorie ermöglichte auch in Ffm. eine zumindest äußere Aussöhnung mit der Hohenzollernherrschaft. Als W. am 15./16.3.1871 – etwa drei Monate nach seiner Ausrufung zum Deutschen Kaiser in Versailles – demonstrativ Ffm. als erste größere deutsche Stadt auf der Rückreise vom französischen Kriegsschauplatz besuchte, begegnete dem neuen Reichsmonarchen „ueberall unglaublich herzlicher Empfang von Allen hier“ (W. an Augusta, 16.3.1871, GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 509b, Bd. 16, Bl. 60). Bei den deutsch-französischen Friedensverhandlungen etwa zwei Monate später in Ffm. war W. persönlich allerdings nicht anwesend. Er wurde durch
Bismarck vertreten, der den Verhandlungsort als symbolische Versöhnungsgeste gegenüber der Ffter Bevölkerung gewählt hatte.
Nach 1871 wurde W. als personifiziertes Identifikationssymbol der nationalen Einheit bejubelt. Nicht der „Eiserne Kanzler“, sondern der „Heldenkaiser“ spielte auf der öffentlichen Handlungsebene zwischen 1871 und 1888 die populäre Rolle eines „Reichsgründers“. Das Bild eines dynastischen pater patriae, dessen ereignisreiche Biographie den jungen Nationalstaat unmittelbar mit der deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert verband, fand vor allem in bürgerlichen Kreisen weite Verbreitung. Am 20.10.1880 wurde der Kaiser in Ffm. bei der Einweihungsfeier des Opernhauses (heute: Alte Oper) – in W.s Worten „geradezu grandios, überreich, aber sehr geschmackvoll in seinem
übermäßigen Luxus“ [W. an seine Schwester Alexandrine, 23.10.1880, zit. nach Schultze (Hg.): Kaiser Wilhelms I. Briefe an seine Schwester Alexandrine u. deren Sohn Großherzog Friedrich Franz II. 1927, S. 165] – öffentlich bejubelt. Die Ffter Ovationen beschrieb er als „eine Ueberhäufung an frohen und erhebenden Eindrücken (…), wie man selten finden kann“ (W. an Augusta, 24.10.1880, GStA PK, BPH, Rep. 51 J, Nr. 509b, Bd. 25, Bl. 91-94). Als letzter Höhepunkt dieser Popularitätsentwicklung muss der öffentliche Begräbniszug für W. am 16.3.1888 bewertet werden, dem trotz spätwinterlicher Kälte etwa 200.000 Menschen auf den Berliner Straßen folgten. Wie im gesamten Königreich Preußen und teilweise in anderen Ländern des Kaiserreichs fanden auch in Ffm. offizielle Trauergottesdienste für den verstorbenen Monarchen statt. Erst unter der skandalbelasteten Herrschaft Wilhelms II. wurde W. durch den in Opposition zum Kaiserkult entstehenden
Bismarckmythos aus dem kulturellen Gedächtnis sowie der geschichtspolitischen und geschichtswissenschaftlichen Erinnerungsperspektive verdrängt.
Kaiserstraße (1873) und Kaiserplatz (1876) in der Innenstadt in Ffm. wurden bei ihrem Entstehen nach W. benannt; erst bei der Rückbenennung der Kaiserstraße (von 1947 bis 1955: Friedrich-Ebert-Straße) in der Nachkriegszeit wurde der Straßenname ausdrücklich auch auf die Tradition von Ffm. als Wahl- und Krönungsstätte der römisch-deutschen Kaiser bezogen. Auf die wilhelminische Bauzeit verweisen bis heute etwa der Kaiserbrunnen auf dem Kaiserplatz (1876) und das Geschäftshaus „Drei-Kaiser-Bau“ in der Kaiserstraße 3-5a (Architekt: Eugen Greiß, 1894; verändert erhalten). Wilhelmsbrücke über den Main (1891), entstanden durch den Umbau der Main-Neckar-Brücke von der Eisenbahn- zur Straßenbrücke, umbenannt nach dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Friedensbrücke (1951). Kaiser-W.-Eiche (gepflanzt zum 75. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig am 18.10.1888; dort Gedenktafel) im Nizza am Main.
Im Ffter Stadtbild erinnerte prominent das am 25. Jahrestag des Ffter Friedens enthüllte Kaiser-Wilhelm-Denkmal (von Clemens Buscher, 1896; eingeschmolzen 1941) am Opernplatz an den Herrscher. Weitere Denkmale für W. in Ffm. befanden sich im Kaisersaal des Römers bzw. später im Bürgersaal des Neuen Rathauses (Marmorstatue von
Gustav Kaupert, 1891, enthüllt am 22.3.1892; kriegszerstört) und im Innenhof des Hauptpostamts auf der Zeil (mit Porträtbüste von
Franz Krüger, 1894/95, enthüllt am 18.10.1895; abgeräumt 1942). Bis heute zu sehen ist eine bronzene Porträtbüste W.s (von Bruno Diamant, vermutlich Guss nach einem Modell von etwa 1889) als Fassadenschmuck am Bau des Parkhotels „Kaiserhof“ (Architekten:
Franz Vietze und
Wilhelm Helfrich, 1905) in der Wiesenhüttenstraße 36-38 im Bahnhofsviertel.
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