Jüngster Sohn des Pädagogen, Schulreformers und Schriftstellers
Adolph D.Im Geiste Rousseaus und
Pestalozzis erzogen und mit
Friedrich Fröbel befreundet, teilte D. die im Zeichen der Aufklärung stehende Weltanschauung seines Vaters. Seit 1853 absolvierte D. eine Buchhändlerlehre, zunächst bei E. M. Schroeder in Berlin, dann bei W. Rausch in Leipzig, seit Juli 1857 bei Prandel & Meyer in Wien und seit Oktober 1859 bei J. C. Hermann in Ffm. 1859 schloss er seine Ausbildung mit dem Fachexamen in Berlin ab. 1860 beantragte D.s Braut Auguste
Caroline Dorothée Naumann für ihren Verlobten das Bürgerrecht der Freien Stadt Ffm., das Grundlage für den Erwerb eines eigenen Geschäfts war und das D. nach der Heirat erlangte (31.3.1860). Am 1.7.1860 erwarb D. die „Johann Christian Hermann’sche Commissions- und Sortimentsbuchhandlung“ auf der Zeil 15 und eröffnete bereits am 2.10.1860 sein eigenes Geschäft. Neben dem Vertrieb der Bücher wandte er sich vornehmlich verlegerischen Arbeiten zu und fügte dem alten Firmennamen bald den Namen „Moritz Diesterweg“ hinzu. Bis 1873 sind Bücher mit dieser Geschäftsbezeichnung bekannt; danach firmierte D. nur noch unter dem Namen „Moritz Diesterweg Verlag“. 1874 verkaufte D. die Sortimentsbuchhandlung und die zwischenzeitlich angegliederte Anzeigenexpedition an Richard Lochmann und Karl Tittmann, um sich ganz der pädagogischen Verlagsarbeit widmen zu können. Um 1880 war der Verlag in der Hochstraße 29/31 untergebracht. Späteres Domizil war das Salzhaus (zerstört 1944) im Kleinen Hirschgraben.
Zu den ersten und wichtigsten verlegerischen Unternehmungen D.s zählen die Veröffentlichungen der Werke seines Vaters
Adolph D., z. B. der „Elementaren Geometrie für Volksschüler“. Die pädagogischen Schriften machten den Verlag in der Fachwelt bekannt. Seit 1861 erschien bei D. auch die von seinem Vater 1827 begründete Edition der „Rheinischen Blätter für Erziehung und Unterricht“, an der alle bekannten Pädagogen des 19. Jahrhunderts mitarbeiteten. Sowohl in den „Rheinischen Blättern“ als auch im „Pädagogischen Jahrbuch für Lehrer und Schulfreunde“ kämpfte
Adolph D. entschieden gegen preußische Schulregulative und trat für eine bessere Volksbildung und für die Eigenständigkeit von Schule und Erziehung gegenüber Kirche und Staat ein. Nachdem
Adolph D. wegen seiner freiheitlichen Gesinnung von seinem Berliner Schulamt enthoben worden war, durfte sein Essener Verleger Baedeker unter dem Druck der politischen Reaktion seit 1857 die „Rheinischen Blätter“ nicht mehr drucken. Trotz solcher Zensurmaßnahmen verschaffte Moritz D. seinem Vater mit dem Verlag von dessen Werken eine große Publizität. Anlässlich des 100. Geburtstags von
Adolph D. brachte Moritz D. den „Wegweiser zur Bildung für Deutsche Lehrer“ als Jubiläumsausgabe in 6. Auflage heraus. Moritz D. führte auch die Werke anderer bedeutender Pädagogen, die Schüler oder Freunde seines Vaters waren und dessen Erbe weiterpflegten, z. B. Eduard Langenberg.
Mit der Verlagsübernahme der Lesebücher von
Paldamus, die über ein halbes Jahrhundert hindurch vom 2. bis zum 9. Schuljahr verbindliche Lektüre waren, begann der Aufstieg des „Moritz Diesterweg Verlags“ als Schulbuchverlag, der im Lauf der Jahre immer größer und bedeutender wurde. Seine Lehr- und Schulbücher waren praktische Leitfäden für den Unterricht an Volks-, Mittel-, Hoch- und Berufsschulen. Im Bücherangebot von 1880 befanden sich neben methodischen Ratgebern zur Weiterbildung der Lehrer u. a. Bücher für den Unterricht der Fächer Deutsch, Geschichte, Geografie, Mathematik und Naturwissenschaften sowie von Fremdsprachen. Ferner verlegte D., sich selbst zum Protestantismus bekennend, etliche Bücher für den evangelischen Religionsunterricht und wissenschaftliche Abhandlungen über theologische Fragen. Der auffällig hohe Anteil von Sing- und Chorbüchern im Verlagsprogramm mag mit D.s eigener Vorliebe für Musik zusammenhängen, denn er unterhielt privat ein musikalisches Kränzchen zusammen mit Abendroth, Koenitzer und Hendschel. Weiterer verlegerischer Schwerpunkt war die Pflege des Ffter Schrifttums, wie z. B. die Veröffentlichung des „Führers durch Ffm. und seine Umgebungen“ von C[arl] Heyner (um 1862-66) und der „Lebens-Erinnerungen“ von
Maria Belli-Gontard (1872). Mit diesem weitgefächerten Repertoire machte sich D. als Buchhändler und Verleger in Ffm. einen Namen.
Mitbegründer des deutschen Buchhändlerverbands.
Der Sohn Emil D. (* 16.4.1864 Ffm., † 27.12.1905 Ffm.) wurde 1897 Prokurist, 1898 Teilhaber des Verlags. Emil D. erweiterte das verlegerische Programm durch literarische und historische Werke, wie z. B. die Veröffentlichungen „
Heinrich Heine und
Napoleon“ und „
Bonaparte, Byron und die Briten“ von Paul Holzhausen. Nach dem Tod von Vater und Sohn D. innerhalb weniger Wochen verkauften die beiden Witwen am 1.7.1906 die „Buch- und Verlagshandlung Moritz Diesterweg“ an den Buchhändler Erich Herbst (1881-1965), der bereits bei Moritz D. als Verleger gearbeitet hatte. Er führte den Verlag im Sinne des Gründers Moritz D. weiter und baute ihn zu einem der großen Schulbuchverlage Deutschlands aus.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 156f.,
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