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Dirks, Walter

Mitbegründer und Mitherausgeber der „Frankfurter Hefte“.

Walter Dirks

Walter Dirks
Fotografie.

© unbekannt. Der/die Fotograf/-in ist auf dem als Vorlage dienenden Originalfoto nicht genannt. Die Bildvorlage trägt auch keine anderen Copyrightangaben.
Dirks, Hugo Wilhelm Walter. Psd.: Georg Risse. Prof. Dr. theol. h. c. Journalist und Publizist. * 8.1.1901 (Dortmund-)Hörde, † 30.5.1991 Wittnau bei Freiburg/Breisgau.
Fünftes von sechs Kindern des Bierkaufmanns und Gastwirts Anton D. (1865-1936) und dessen Ehefrau Anna Franziska Luise, geb. Risse (1871-1949). Nach dem Konkurs der Gastwirtschaft, bedingt durch ein schweres Herzleiden des Vaters, ernährte Luise D., die den katholischen Fürsorgeverein in Hörde leitete, die Familie. Das Elternhaus war geprägt von einem starken sozialen Engagement und einer durch den Kulturkampf verursachten reichs- und preußenkritischen Haltung.
Besuch der Volksschule, dann des Königlichen Gymnasiums in Dortmund. Nach dem Abitur 1920 Studium der Theologie und Philosophie in Paderborn und Münster, abgebrochen nach sieben Semestern. Seit 1910 gehörte D. der katholischen Jugendbewegung Quickborn an, in deren Zeitschrift er seine ersten Artikel publizierte (ab 1921). Darin forderte er u. a. eine Hinwendung zu den sozialen und politischen Problemen der Gegenwart und einen Ausbruch aus der Enge des katholischen Verbandswesens. Als während der Ruhrbesetzung 1923 sein Bruder Ewald (* 1897) durch einen französischen Soldaten erschossen wurde, sprach sich D. in einem Artikel im „Quickborn“ vehement gegen einen neuen Nationalismus und wachsende Revanchegedanken aus und verlangte von einem demokratischen Deutschland, am Aufbau eines friedlichen Europas mitzuwirken. Großen Einfluss auf D.’ Denken übten Romano Guardini und der katholische Publizist Ernst Michel aus. D. war seit Ende 1923 zunächst Sekretär Guardinis, bevor er am 1.4.1924 – auf Empfehlung von Michel – Redakteur und Feuilletonchef bei der Rhein-Mainischen Volkszeitung (RMV) in Ffm. wurde. Das von Friedrich Dessauer gegründete und geleitete linkskatholische Blatt, das in der Carolus-Druckerei erschien, hatte seinen Sitz auf dem Liebfrauenberg 37 in der Innenstadt; es erschien täglich in Ausgaben für Ffm. (15.000 Stück), Offenbach und Höchst (je 5.000 Stück) sowie einer reichsweiten Ausgabe (10.000 Stück). 1928 wurde D. zudem Schriftführer der Zeitschrift „Der Friedenskämpfer“, die seit 1926 als Organ des Friedensbunds Deutscher Katholiken herauskam, und er war Mitarbeiter der politischen Wochenschrift „Deutsche Republik“. In seinen journalistischen Arbeiten setzte sich D. aus seinem Verständnis des Christentums für eine demokratisch und sozialistisch organisierte Gesellschaft ein und würdigte in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Karl Marx, die er intensiv rezipierte. Mit seiner linkskatholischen Einstellung – etwa auch in der Verteidigung des Künstlers George Grosz (1893-1959) in der RMV – zog er heftige Reaktionen der Amtskirche auf sich, die ohnehin der RMV kritisch gegenüberstand.
Von 1928 bis 1933 studierte D. Philosophie und Soziologie, zunächst an der Ffter Universität, u. a. bei Paul Tillich (1886-1965) und Hendrik de Man (1885-1953), später in Gießen. Er war Teilnehmer einer regelmäßigen Diskussionsrunde im Café Laumer an der Bockenheimer Landstraße, wo Michel, Tillich, de Man und Martin Buber verkehrten und wo er Theodor Wiesengrund Adorno kennenlernte, der ihn mit der Neuen Musik vertraut machte. Besonders die Bekanntschaft mit dem katholischen Theologen Theodor Steinbüchel (1888-1949), dessen Ffter Vorlesungen D. besuchte, hatte großen Einfluss auf sein Verständnis von Christentum und Sozialismus. Daraus folgte eine bei Steinbüchel und Ernst von Aster (1880-1948) in Gießen begonnene Dissertation über das von Georg Lukács 1923 veröffentlichte Werk „Geschichte und Klassenbewußtsein“. Der Machtantritt der Nationalsozialisten verhinderte 1933 eine Fertigstellung und Veröffentlichung der Arbeit, deren Manuskript aus Sicherheitsgründen vernichtet wurde.
D.’ journalistisches Engagement für die Weimarer Republik, die er allerdings in eine sozialistische Republik umgestalten wollte, und seine kritische theoretisch-politische Auseinandersetzung mit Faschismus und Nationalsozialismus führten im Juli/August 1933 zu seiner Verhaftung. Nachdem die RMV 1934 verboten worden war, war D. kurzzeitig als Mitarbeiter beim Sozialfunk des Reichssenders Fft. tätig. 1935 wurde er von dem Musikschriftleiter Karl Holl (1892-1975) zur Ffter Zeitung geholt, wo er als Feuilletonredakteur vor allem Musikkritiken verfasste; seit 1937 war er stellvertretender Leiter des Feuilletons. 1941 heiratete D. in Ffm. Marianne Ostertag (1913-1993). Als 1943 die FZ verboten wurde, erhielt D. Berufs- und Schreibverbot. Illegal arbeitete er ab 1944 für den Herder-Verlag am Entwurf eines Nachkriegsprogramms mit, bei dem er gleichzeitig erste Überlegungen für die späteren „Ffter Hefte“ verfasste.
Ab April 1945, noch vor dem offiziellen Kriegsende, beteiligte sich D. zusammen mit Alois Eckert (1890-1969), Pfarrer von St. Bernhard, am Aufbau des sozialen und kirchlichen Lebens in Ffm., woraus die Katholische Volksarbeit hervorging. Von der amerikanischen Militärregierung wurde D. als katholischer Vertreter in den im September 1945 gebildeten Bürgerrat beordert, der die Kommunalwahlen 1946 vorbereitete, und D. gehörte dem Vorstand der Freien Deutschen Kulturgesellschaft in Ffm. zur Förderung und Lenkung des kulturellen Lebens der Stadt an. Von Ende 1946 bis Anfang 1947 war er Mitglied im Verwaltungsausschuss des Freien Deutschen Hochstifts. D. sprach sich dort – wie auch später in den „Ffter Heften“ – vehement gegen den originalgetreuen Wiederaufbau des Goethehauses aus, den er als Sinnbild einer überholten Restauration kritisierte, und forderte stattdessen den Bau neuer Wohnsiedlungen (vgl. etwa seinen Artikel „Mut zum Abschied“, 1947).
D. war nach dem Zweiten Weltkrieg der Überzeugung, dass nun die Zeit eines demokratisch-christlichen Sozialismus gekommen sei, in Anknüpfung an Vorstellungen, die er bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik – unter dem Slogan einer „zweiten Republik“ – geäußert hatte. In diesem Sinne beteiligte er sich an der Gründung der CDU in Ffm., die sich radikal vom alten Zentrum unterscheiden sollte. Dabei schwebte ihm zunächst ein Zusammenschluss von Kommunisten, Sozialdemokraten und überkonfessionellen Christen vor, die eine Art „Sozialistische Einheitspartei“ bilden sollten, was er in zwölf Thesen bereits im Mai 1945 skizzierte. Da sich jedoch mit KPD und SPD die alten Parteien erneuerten, musste sich D. auf das Projekt einer christlichen Partei beschränken, deren Ffter Leitsätze im September 1945 veröffentlicht wurden; an deren Ausarbeitung war auch der Publizist Eugen Kogon (1903-1987) beteiligt gewesen. Der Sozialismus aus christlicher Verantwortung blieb darin ein zentrales Element für den demokratischen Neubeginn. Die darauf basierenden Forderungen, etwa zur Sozialisierung von Industrie- und Wirtschaftssektoren, fanden 1946 Eingang in die hessischen Verfassungsberatungen, an denen D. und Kogon, organisiert im Oberurseler Kreis, teilnahmen; doch wurden die Maßnahmen später nicht umgesetzt.
Flankiert wurde D.’ Engagement für einen demokratisch-christlichen Sozialismus durch die von ihm, Eugen Kogon und Clemens Münster (1906-1998) ab 1946 herausgegebenen „Frankfurter Hefte. Zeitschrift für Kultur und Politik“. Die Zeitschrift entwickelte sich rasch zu einer der wichtigsten intellektuellen Publikationen in der frühen Bundesrepublik und erreichte teilweise eine Auflage von 70.000 Exemplaren. Allerdings blieben D.’ Hoffnungen unerfüllt: Sein Glaube, dass der Kapitalismus erledigt sei, sei – so sagte er einmal – „der schwerste Irrtum“ seines Lebens gewesen. Die programmatische Gestaltung der CDU unter Adenauers Führung, dessen Kanzlerschaft und der wirtschaftliche Aufbau der BRD unter dem Vorzeichen der sozialen Marktwirtschaft wurden von D. und Kogon als Ausdruck einer „Restaurationsepoche“ und Wiederherstellung der kapitalistischen Vorkriegsverhältnisse scharf verurteilt und in ihren Artikeln in den „Ffter Heften“ dementsprechend kommentiert.
In den ersten Nachkriegsjahrzehnten war D. einer der zentralen kritischen Intellektuellen der Bundesrepublik, etwa als Kommentator des Südwestfunks (1948-57) und als Leiter der Hauptabteilung Kultur beim Westdeutschen Rundfunk (1956-67). Auch wissenschaftlich blieb er tätig; so arbeitete er von 1953 bis 1956 am Ffter Institut für Sozialforschung, wo er sich u. a. mit einer Studie über die Entnazifizierung beschäftigte, und er gab zusammen mit Adorno einige Bände der „Ffter Beiträge zur Soziologie“ heraus. Von 1953 bis 1965 war er Mitglied des „Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen“. Als unabhängiger Journalist, Publizist und linkskatholischer Vordenker veröffentlichte D. weit über 4.000 Bücher, Beiträge und Artikel, in denen er die Entwicklungen in der Bundesrepublik kritisch begleitete.
Die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils begrüßte D., der kurze Zeit Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken gewesen war, doch sah er in ihnen nur den Ausgangspunkt für weitreichendere demokratische Reformen innerhalb der katholischen Kirche. Als Vermittler „zwischen den Stühlen“ warb er auch weiter um eine Annäherung von Christen und Arbeitern im Sinne einer Verbindung von Sozialismus und Demokratie, etwa im Rahmen der Gewerkschaften. Zusammen mit Kogon gründete D. unter dem Namen „Freunde von Pax Christi“ 1966 den linkskatholischen Bensberger Kreis, der bereits 1968 eine Aussöhnung mit Polen und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze forderte. D. unterstützte daher die Ostpolitik von Willy Brandt (1913-1992), dessen Wahl er als Überwindung der restaurativen Adenauer-Ära und Normalisierung betrachtete. Neben seinem Engagement für eine Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern warb D. für die Stärkung der europäischen Integration, die er als Bedingung für die Lösung der deutschen Frage bezeichnete: Das wiedervereinigte Deutschland sollte in einen zukünftigen europäischen Föderalismus eingebettet sein.
In den 1980er Jahren engagierte sich D. – u. a. bei „Pax Christi“ – in der Friedensbewegung, und vor dem Hintergrund der Gründung der Grünen plädierte er für eine Verbindung von sozialen und ökologischen Themen und Gruppierungen. Hierfür setzte er seine Hoffnungen auf eine erneuerte SPD, um die aus seiner Sicht restaurative Kanzlerschaft von Helmut Kohl (1930-2017) durch eine sozialistische Wende umzukehren. In diesem Sinne erfolgte 1985 die Übernahme der bis dahin von D. mitherausgegebenen „Ffter Hefte“ durch die SPD-nahe Zeitschrift „Die Neue Gesellschaft“, seitdem unter dem Titel „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“.
Wichtige Veröffentlichungen (in Auswahl): „Erbe und Aufgabe“ (kulturpolitische Aufsätze, 1931), „Die zweite Republik“ (1947), „Die Antwort der Mönche“ (1952), „War ich ein linker Spinner? Republikanische Texte – Von Weimar bis Bonn“ (1983), „Der singende Stotterer“ (autobiographische Texte, 1983). Gesammelte Schriften (hg. v. Fritz Boll, 8 Bde., 1987-91).
Ehrungen und Auszeichnungen: Großes Bundesverdienstkreuz (1959), Ehrendoktor der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Münster (1966), Großer Kulturpreis des Deutschen Gewerkschaftsbunds (1969), Verleihung des Professorentitels durch das Land Nordrhein-Westfalen (1971), Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen (1976), Romano-Guardini-Preis der Katholischen Akademie in Bayern (1981), Ehrenbürger der Stadt Dortmund (zusammen mit Marianne D., 1986) u. a. 1983 lehnte D. die Goetheplakette der Stadt Ffm. ab, da 1982 der Goethepreis an Ernst Jünger (1895-1998) vergeben worden war, den er als „Kriegsverherrlicher“ bezeichnete.
D.’ jüngster Bruder, Josef D. (1909-1942), arbeitete bis zu seiner Einberufung in den Kriegsdienst 1941 als Lokaljournalist beim Ffter General-Anzeiger.
D.’ Ehefrau Marianne D. war als katholische Frauenrechtlerin u. a. erste Präsidentin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (1951-72) und Vizepräsidentin des geschäftsführenden Ausschusses im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (1968-71). Aus der Ehe von Walter und Marianne D. stammten vier Töchter.
Nachlass im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn.
Seit 1995 Ffter Walter-D.-Preis, fortgesetzt von 1999 bis 2003 (Verleihung 2004) als Walter-und-Marianne-D.-Preis, seit 2010 als Walter-D.-Preis, verliehen an Personen und Einrichtungen, die sich als Vermittler zwischen konfessionellen und gesellschaftlichen Positionen auszeichnen. Der ursprünglich von Pfarrer Franzwalter Nieten (1941-2008) u. a. in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk gestiftete und jährlich vergebene Preis wird seit 2010 alle zwei Jahre von den in Ffm. ansässigen katholischen Bildungseinrichtungen Haus am Dom und Haus der Volksarbeit verliehen.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Sebastian Martius.

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Internet: Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/118525956Hess. Biografie, 6.5.2021. | Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin. https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/content/walter-dirks
Hinweis: Artikel über Walter Dirks von Gabriel Rolfes.
Konrad-Adenauer-Stiftung, 6.5.2021.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_DirksWikipedia, 6.5.2021.

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Empfohlene Zitierweise: Martius, Sebastian: Dirks, Walter. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3340

Stand des Artikels: 1.10.2021
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 05.2021.