Sohn des Studienrats Max B. und dessen Ehefrau Milly, geb. Schulz. Verheiratet (seit 1922) mit Emma Luise, gen.
Emmi, B., geb. Fiebig (1895-?). Drei Kinder.
B. besuchte die Schule in Dorpat, bis seine Familie nach Elsass-Lothringen übersiedelte. Er ging dann in Saarburg zur Schule und wechselte schließlich an das humanistische Gymnasium in Gebweiler (heute: Guebwiller), wo er 1912 das Abitur ablegte. Im Ersten Weltkrieg diente er als Kriegsfreiwilliger, von 1914 bis 1918 bei der Badischen Feldartillerie, 1919 bei der Baltischen Landeswehr. 1915 war er als Kriegsgefangener in England. Das vor dem Krieg begonnene Architekturstudium an der TH Darmstadt (1912-14) setzte B. 1918 in Delft (Niederlande) und von 1919 bis 1920 in Charlottenburg fort; nach einem weiteren Semester an der TH Darmstadt schloss er es mit der ersten Staatsprüfung als Diplom-Ingenieur ab. Die zweite Staatsprüfung zum Regierungsbaumeister legte er 1924 in Darmstadt ab. Die praktische Ausbildung hatte B. inzwischen bei der „Schlesischen Heimstätte“ in Breslau absolviert, deren Technischer Direktor
Ernst May war. Im ersten Ausbildungsjahr fertigte B. Typenentwürfe für Siedlungshäuser und bearbeitete Möbelentwürfe. Bei den Möbeln handelt es sich vermutlich um die Kombinationsmöbel vom Typ „Schlesisches Heim“, die in der Zeitschrift „Schlesisches Heim“ 1922 publiziert wurden (Jg. 3, H. 5, S. 124f.) und als Vorläufer der typisierten Ausstattung für die Wohnungen des „Neuen Fft.“ gesehen werden können. Unter
May hatte B. die Bauleitung der Siedlungen Oltaschin (heute: Wrocław-Ołtaszyn) und Rothenbach (heute: Boguszów-Gorce) inne. Zudem erarbeitete er Ortserweiterungs-, Bebauungs- und Parzellierungspläne für Siedlungsanlagen. Zusammen mit
May erstellte er 1921 den überregional beachteten Generalbebauungsplan für Breslau nach dem Trabantenstadt-Modell. Als
May am 1.9.1925 als Stadtbaurat nach Ffm. ging, leitete B. zusammen mit
Reinhold Niemeyer aus Oppeln (heute: Opole) vertretungsweise die Bauabteilung der „Schlesischen Heimstätte“ und die Redaktion der Zeitschrift „Schlesisches Heim“.
Doch bereits zum 1.11.1925 übersiedelte auch B. nach Ffm., wo er die Leitung der Abteilung Stadtplanung beim Siedlungsamt übernahm. Unter Oberbürgermeister
Ludwig Landmann, der das groß angelegte Programm eines „Neuen Frankfurt“ umzusetzen bestrebt war, konnte B. die für Breslau Theorie gebliebene Idee der fortschrittlichen Stadterweiterung mit seinem neuen Generalbebauungsplan realisieren, den er in enger Zusammenarbeit mit Stadtbaurat
Ernst May anfertigte (1926-28): Fft.s neue Siedlungen entstanden tatsächlich trabantenähnlich im Umland der Stadt in einem Netz aus differenzierten Grünflächen. An den bis heute stadtbildprägenden Siedlungen, die längst zum Kanon der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts zählen, arbeitete B. im Team mit vielen Architekten und Architektinnen mit. Er war u. a. maßgeblich beteiligt am Erstellen der Bebauungspläne für die Siedlungen Bornheimer Hang (1926-30), Höhenblick in Ginnheim (1926/27), Niederrad (1926/27), Praunheim (1926-29), Riederwald (Erweiterung, 1926-28), Römerstadt (1927/28), Riedhof-West („Heimatsiedlung“) und Riedhof-Ost in Sachsenhausen (1927-34), Westhausen (1929-31) und Gartenstadt Goldstein (geplant 1929/30, erbaut 1932-36). In der Siedlung Höhenblick in Ginnheim bezog B. selbst Ende 1926 ein Reihenhaus (Fuchshohl 31). Neben der berufspraktischen Tätigkeit hielt B. Vorträge über seine Arbeit, u. a. auf dem 2. CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) 1929 in Ffm., und befasste sich mit wissenschaftlichen Beiträgen. So untersuchte er im Auftrag der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen die Bau- und Erschließungskosten für zwei- bis zwölfgeschossige Häuser. Die zusammen mit Eugen Kaufmann publizierten Ergebnisse stellte B. auf dem 3. CIAM in Brüssel im November 1930 vor. Von Amts wegen war B. außerdem in die Planung der Altstadtsanierung eingebunden. Zusätzlich zu seiner Arbeit in der Abteilung Stadtplanung hielt er an der von
Fritz Wichert geleiteten Ffter Kunstgewerbeschule ab dem 27.3.1931 Vorträge im Nebenunterricht der Architekturstudenten. Von den vereinbarten acht doppelstündigen Vorlesungen konnte B. nur fünf halten, denn schon Mitte April 1931 teilte
Wichert ihm mit, dass aufgrund starker Etatkürzungen nun für den Nebenunterricht keine Mittel mehr vorhanden seien. B. war zudem im „Bund Neues Fft.“ aktiv, wo er vermutlich ebenfalls Vorträge hielt.
Anders als viele seiner Kollegen folgte B. 1930 nicht
May in die Sowjetunion, sondern blieb in Ffm., wo 1931 die Stadtverwaltung erneut umstrukturiert wurde. Es stand die Idee im Raum, dass B.
Mays Nachfolger werden sollte. Schließlich behielt B. aber die Leitung der Abteilung Stadtplanung, der jedoch die Bauberatung angeschlossen wurde, so dass er nun auch mit der Friedhofs- und Grabmalberatung, der Reklameberatung, der farbigen Gestaltung der Bauwerke und der Mitwirkung bei Fragen der künstlerischen Gestaltung (städtische Drucksachen, Künstlerförderung, Denkmäler, Ausstellungen) befasst war.
Obwohl B. einer der engsten und einflussreichsten Mitarbeiter von
May gewesen war, behielt er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 seine Stelle.
Mays Nachfolger
Reinhold Niemeyer soll ihn mehrfach darauf hingewiesen haben, dass er als Dienststellenleiter nur dann im Amt bleiben dürfe, wenn er der NSDAP beitrete. Der NSDAP schloss sich B. noch 1933 an; seinen Ansichten aus dem „Neuen Fft.“ blieb er jedoch treu und äußerte sich entgegen der neuen politischen Linie schriftlich und in Vorträgen immer wieder positiv über seine Arbeit aus den 1920er Jahren. B. war Mitglied bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), der Deutschen Akademie („Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums“, gegründet 1925) in München, dem Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB), dem Deutschen (ab 1938: Nationalsozialistischen) Reichsbund für Leibesübungen (DRL bzw. NSRL), dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA), dem NS-Bund Deutscher Techniker (NSBDT) sowie dem Reichskolonialbund (RKB).
Zum 1.9.1936 wechselte B. als Leiter des Stadtplanungsamts nach Breslau. Zu seinen Aufgaben zählte erneut die Bearbeitung des Generalbebauungs- und Wirtschaftsplans der Stadt Breslau und der Nachbarkreise. Außerdem schuf er sämtliche Teilbebauungs-, Aufbau- und Fluchtlinienpläne und hatte auch die städtebauliche und architektonische Bauberatung inne. Er wirkte bei allen städtischen Bautätigkeiten und der gemeinnützigen Wohnungsbautätigkeit bezüglich der Auswahl und Vorbereitung des Geländes mit und hatte die technische Betreuung des gesamten öffentlich geförderten Wohnungsbaus inne, wozu die Aufstellung der Bauprogramme ebenso zählte wie die Gestaltung von Grundrissen und ganzen Architekturen. Auch die Ffter Erfahrungen zur Altstadtsanierung konnte B. in Breslau einbringen. Mit seinen unaufgefordert vorgelegten Entwürfen zur Neugestaltung des Schlossplatzes, wo NS-Monumentalbauten entstehen sollten, geriet B. in Konflikt mit der Gauleitung, weil er darauf bedacht war, die Altstadtbebauung so weit wie möglich zu erhalten. Zum 31.8.1941 beendete er infolge der Kontroverse seine Tätigkeit in Breslau und nahm die Stelle des Stadtbaurats in Gotenhafen (heute: Gdynia) an. Nach der Einnahme Gotenhafens wurde B. 1943 zum Kriegsdienst verpflichtet. Gemäß seiner Aussage in den Spruchkammerakten habe er aber den Dienst „wegen Erkrankung niemals angetreten“.
B. kehrte nach Ffm. zurück und war 1946 bei Architekt
Ernst Balser tätig, bevor er freiberuflich arbeitete. Die ab 1946 erbaute Siedlung Heilsberg südlich vor Bad Vilbel, die als Westdeutschlands größte Siedlung für Vertriebene gilt, ist das wohl bedeutendste Nachkriegswerk B.s. Damit der Architekt am Wettbewerb über die Neuordnung der Verkehrsverhältnisse an der Hauptwache teilnehmen konnte, setzte sich Stadtrat
Adolf Miersch dafür ein, dass B.s Spruchkammerverfahren beschleunigt wurde. Nach Abschluss des Verfahrens – B. wurde als Mitläufer eingestuft – trat er wieder in den Dienst der Stadt Ffm. Am 15.9.1947 begann er als Stellvertreter des Leiters des Stadtplanungsamts
Werner Hebebrand. Zum 1.10.1948 übernahm B. den Leitungsposten. Für Fft.s Wiederaufbau erarbeitete er ein Konzept, in dem die gezielte Platzierung von Hochhäusern erstmals die Stadtgestaltung der Mainmetropole prägte. Zudem sah er sich anfangs mit städtebaulichen Fragen im Rahmen von Fft.s Bewerbung als Bundeshauptstadt konfrontiert. Insbesondere war aber das Thema Altstadt erneut präsent: Diesmal hatte er sich mit der Problematik von deren Wiederaufbau auseinanderzusetzen. Während seiner Tätigkeit für die Stadt Ffm. in der Nachkriegszeit plante B. u. a. die Siedlungen Ffter Berg (mit
Johannes Krahn, 1948-53) und Dornbusch (1954-59), wovon die letztere zum größten Teil erst nach seinem Tod realisiert wurde. Als B. 1954 starb, reiste zur Beisetzung auf dem Ffter Hauptfriedhof eigens
Ernst May aus Hamburg an.
B.s Wirken auf dem Gebiet des Städtebaus in Theorie und Praxis wurde hoch geschätzt. So wurde er 1947 zum außerordentlichen und 1950 zum ordentlichen Mitglied der Akademie für Städtebau und Landesplanung berufen.
Publikationen von B. (in Auswahl): „Baulanderschließung in Ffm. früher und heute“ (in: Das Neue Fft., 1927), „Der Aufbauplan als städtebauliche Notwendigkeit“ (in: Städtebau, 1928), „Die Grünflächen im großstädtischen Bebauungsplan“ (in: Die Gartenkunst, 1929), „Die neue Ffter Bauordnung“ (in: Das Neue Fft., 1931), „Fft.s städtebaulicher Werdegang“ (in: Die Gartenkunst, 1935), „Altstadtsanierung auch in Ffm.?“ (in: Ffter Wochenschau, 1935), „Das Kleingartenland im Rahmen des Wirtschaftsplanes der Stadt Ffm.“ (in: Sondernachrichten, Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e. V., 1936), „Neubaupläne für die Hauptbibliothek der Universität in Ffm.“ (mit
Richard Oehler, in: Die Baugilde, 1936), „Der deutsche Weg der Stadtgestaltung“ (in: Monatshefte für Baukunst und Städtebau, 1937), „Der richtige Aufbau einer städtischen Bau- und Bodenverwaltung als organische Grundlage des kommenden Wiederaufbaus“ (in: Der Bauhelfer, 1947), „Die Neugründung Heilsberg auf der Vilbeler Höhe“ (in: Die Neue Stadt, 1948), „Stadtplanung in Ffm.“ (in: Jahrbuch der Stadt Ffm., 1950), „Zum Problem der alten Stadt / Beispiel Fft. Planung zwischen Utopie und Kleingläubigkeit“ (in: Baukunst und Werkform, 1951), „Wiederaufbau im Kern von Fft.“ (in: Der Architekt, 1952), „Fft. einst und jetzt – als Werk von Baumeistern“ (in: Der Dt. Baumeister, 1953) sowie weitere Artikel in Fachzeitschriften und gelegentlich in der FZ.
Nachlass im ISG.
Herbert-B.-Straße in Niederrad.
.