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Elsas, John

John Elsas

John Elsas
Fotografie (um 1929).

© Museum im Lagerhaus, St. Gallen.
Elsas, John. Eigentl.: Jonas Mayer Elsaß. Kaufmann und Börsenmakler. Künstler. * 6.7.1851 Ffm., † 5.6.1935 Ffm.
Drittes von vier Kindern des israelitischen Handelsmanns Baruch Elsaß (1811-1892) und dessen Ehefrau Johan(n)ette, geb. Hanau (1822-1870). Wie schon E.’ Großvater, der 1801 von Offenbach am Main nach Ffm. gezogen war, führte sein Vater Baruch E. in der Töngesgasse ein Geschäft für Manufakturwaren („wollen Tuch en gros und en détail”).
Verheiratet (seit 1881) mit Pauline E., geb. Manes (1857-1911), aus Mainz. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Karl E. (1882-1922), Fanny E. (später in erster Ehe verh. Herz, in zweiter Ehe verh. Raff, 1884-1966) und Irma E. (1887-1944).
Nach dem Besuch des Philanthropins durchlief E. eine kaufmännische Lehre im väterlichen Geschäft und errichtete im März 1876 eine Handlung unter seinem eigenen Namen; der Eintrag im Handelsregister wurde in der FZ und anderen Zeitungen veröffentlicht. Er handelte selbstständig an der Börse mit Geld, aber auch mit Grundstücken und Immobilien und wurde im Adressbuch der Stadt Ffm. als Börsensensal, Kaufmann oder auch Agent aufgeführt. Auf dem Melderegisterblatt (ISG, Nullkartei) steht als Berufsbezeichnung „Commissionair”. Sein beruflicher und wirtschaftlicher Erfolg war Schwankungen unterworfen. Er hatte vier Häuser für sich gebaut und auch wieder verkauft, er reiste für Banken und erstellte Börsenberichte (vgl. DLA Marbach, Brief an Siegfried Kracauer, 12.6.1930). Inflation und Rezession in den 1920er Jahren brachten ihm Verluste bei Aktiengeschäften (besonders bei der IG Farben), was er in seinen Collagen einige Male künstlerisch zu verarbeiten suchte.
Nach seinem Berufsleben schrieb E. für seine beiden Enkel kleine, teilweise belehrende Geschichten und bebilderte sie mit farbigen Zeichnungen. Um 1926 begann eine neue und intensive Schaffensphase, in der er sich zunehmend als Künstler betätigte und seine Bilder, alle im (Hoch-)Format von ca. DIN A4, nummerierte und mit Datum und seiner Signatur versah. Nach jeweils ähnlichem Muster gestaltete er im oberen Drittel der Blätter eine Szene (als Collage und/oder Aquarell) und schloss sie mit einem Doppelstrich ab. Darunter schrieb er einen Vers, der in ernster oder auch ironisch-heiterer Form die Darstellung kommentiert. Für die Collagen verwendete er u. a. Buntpapiere aller Art, gepresste Pflanzen, eigene Haare, goldene Sterne, gebrauchtes Löschpapier, als „wertlos” gekennzeichnete Geldscheine aus der Inflation und Zeitungsausschnitte. Er stellte sich zusätzlich farbiges Papier her, indem er weiße Bögen mit Aquarellfarben bemalte, um daraus beliebige Formen ausschneiden zu können. Es gibt auch zahlreiche Faltschnitte für gleiche Objekte und Tuschezeichnungen. Sehr oft stehen sich auf den Bildern zwei Personen gegenüber und scheinen sich lebhaft zu unterhalten, was man aus den ausgestreckten Armen und Beinen ersehen kann. Die folgenden dargestellten Themen nehmen eine größere Rolle ein: E. über seine Kunst; Geld, Wertpapiere und Börse; Politik und Zeitgeschichte, Antisemitismus; Judentum; Palästina und Zion; allgemeine Lebensweisheiten; Mann und Frau (ein konfliktreiches Thema bei E.); Wesen und Geister; Glück und Schicksal; dazu kommen Widmungsverse für bestimmte Anlässe und Personen. Sehr viele Bilder blieben ohne einen Vers, der ihnen wohl später zugeordnet werden sollte; somit war ihr Verwendungszweck noch offen. Der Inhalt der Verse behandelt oft eigene Erfahrungen und Gedanken; es sind aber auch politische Aussagen darunter. Ende der 1920er Jahre sah E. im aufkommenden Nationalsozialismus besonders die Gefahren für Juden voraus. Er selbst vertrat sehr liberale Ansichten, war entschieden für Toleranz gegenüber allen Menschen, kritisierte zu hohe Mieten und warnte in vielen Versen vor unseriösen Bankgeschäften.
Im Ffter Kunstsalon von Manfred Schames (1895-1955), dem Neffen und Nachfolger von Ludwig Schames (1852-1922), wurden Bilder von E. zum Verkauf angeboten, und dort fand sie der Leiter des Feuilletons der FZ, Benno Reifenberg, der darüber einen Artikel schrieb. Die erste Ausstellung der Bilder von E. wurde Ende 1929 in der Galerie „Der Sturm” von Herwarth Walden (1878-1941) in Berlin gezeigt und u. a. von dem Kunstkritiker Max Osborn (1870-1946) besprochen. Eine zweite Ausstellung gab es Anfang 1930 in der Zürcher Galerie von Ernst Forter (1885-1958), die nächste in München im Sommer 1930 in der Galerie Goltz. Im Dezember 1930 folgte eine weitere in der Kunsthandlung Brakl in München und im Juli 1931 die letzte zu E.’ Lebenszeit im Mannheimer Kunsthaus Tannenbaum. E., der sich selbst als Avantgardist sah, suchte den Kontakt zu möglichen Ausstellungspartnern, zu Verlagen und zu Kunsthistorikern. So gratulierte er beispielsweise dem Schweizer Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864-1945) zu dessen 70. Geburtstag am 21.6.1934, nachdem er in der FZ vom 1.6.1934 einen Artikel zu diesem Anlass gelesen hatte. Dazu bat er ihn, zwölf Bilder als Geschenk anzunehmen, wofür sich Wölfflin bedankte (Brief und Bilder von E. heute in Privatbesitz). Eine Nebenabsicht solcher Briefe und Bildergeschenke war es wohl, weitere Anerkennung in der Kunstwelt zu erfahren.
Ende 1932 wandte sich E. über den Stadtrat Max Michel, den Sohn seines Freundes Ferdinand Michel (1853-1929), an das Städel mit dem Wunsch, dem Museum ein Bilder-Konvolut zu überlassen. Diese Schenkung von 131 Blättern wurde bald danach mit Hilfe des Direktors der Städtischen Galerie, Alfred Wolters, realisiert, und der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe (1867-1935) erwähnte sie in einem Bericht in der FZ vom 7.1.1933 über Neuerwerbungen des Städel. E. bedankte sich bei ihm dafür mit einem Brief und zwölf Bildern (Kopien seines Briefs sowie der Antwort Meier-Graefes im DLA in Marbach; die zwölf Bilder wurden 1995 in New York verkauft). Inzwischen hatten sich die politischen Verhältnisse geändert, die Bilder wurden nicht mehr inventarisiert und erst 2006 auf Nachfrage wiedergefunden. Heute befinden sie sich in der Graphischen Sammlung des Städel Museums.
E. arbeitete bis zu seinem Tod als Künstler und hinterließ ca. 15.000 Blätter, die heute im Nachlass im Museum im Lagerhaus, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St. Gallen/Schweiz, aufbewahrt werden. Sein letztes Bild trägt die Nummer 25.025.
1874 wurde E. in die Freimaurerloge zum Ffter Adler aufgenommen, wo er laut Mitgliederverzeichnis von 1931 als ständiges Mitglied dem Beamtenrat angehörte.
E. wohnte, bis auf wenige Jahre um 1920 in Usingen, zeit seines Lebens in Ffm., und zwar unter folgenden Adressen: Fahrgasse 116 (seit 1869), Sternstraße 13 (seit 1881), Zeil 74 (neu: 124; seit 1884), Im Trutz 46 (seit 1886), Rödelheimer Landstraße 4 (in Bockenheim; seit 1891), Schubertstraße 2 (seit 1895), Hanauer Landstraße 36 (um 1901 und erneut seit Oktober 1918), Rödelheimer Parkweg 34 (seit April 1918 und erneut seit 1926), Friedrichstraße 58 (seit März 1932; dort seit 2007 Stolperstein zur Erinnerung an die Tochter Irma E., allerdings in der Schreibweise: Elsass).
Grabstätte auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße (Block 53, Reihe 2, Nr. 4/5).
E.’ Sohn Karl wurde Jurist und arbeitete in Usingen/Taunus in einer Kanzlei zusammen mit Paul Herz (1883-1913), der aus Ffm. stammte und mit Karls Schwester Fanny verheiratet war. Fanny Herz, geb. E., heiratete nach Paul Herz’ frühem Tod den Drehbuchautor Friedrich Raff (1889-1947), der den Sohn Hans (1913-1993) aus erster Ehe adoptierte; sie bekamen einen weiteren Sohn, Herbert Raff (1917-2000). Irma E., die zweite Tochter von E., besuchte ein Lehrerinnenseminar und führte nach dem Tod ihrer Mutter den Haushalt, in dem sie mit E. lebte. Nach seinem Tod verpackte sie den Nachlass in zwei Holzkisten, die erst 1954 in die Schweiz gelangten, wohin die Familie Raff emigriert war. Irma E. musste am 1.7.1942 in ein „Judenhaus” in Ffm. umziehen, wurde wenige Wochen später (18.8.1942) deportiert und kam am 1.5.1944 im Konzentrationslager Theresienstadt um.
E.’ Neffe Moritz John E. (1881-1952), Sohn seines Bruders Siegfried E. (1847-1905), war promovierter Wirtschaftswissenschaftler, emigrierte 1933 nach Großbritannien und war dort u. a. Mitarbeiter von John Maynard Keynes (1883-1946).
Außer dem Nachlass von E. im Museum im Lagerhaus in St. Gallen sind ein Konvolut von 1.800 Bildern in Schweizer Privatbesitz sowie einige kleinere Sammlungen mit bis zu 200 Blättern erhalten; das Jüdische Museum in Ffm. besitzt sechs Bilder von E.
Mit einer Ausstellung im Offenbacher Klingspor-Museum 1993, die Bilder von E. aus dem Kramer Archiv (Ferdinand Kramer) zeigte, setzte die Wiederentdeckung des Künstlers ein. Einer der beiden Enkel schenkte 1999 die beiden Kisten mit dem Nachlass des Großvaters dem Museum im Lagerhaus in St. Gallen, das sogleich eine Ausstellung organisierte. Seither folgten zahlreiche weitere Ausstellungen, vor allem an verschiedenen Orten in Deutschland. In Ffm. wurden die Ausstellungen „Heinrich Hoffmann trifft John Elsas” in der Schirn Kunsthalle (2001) und „Der Gespenster Berg” in der Nordweststadtbibliothek (2006) gezeigt.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Dorothee Hoppe.

Literatur:
                        
Das Philanthropin. Zeitschrift. Hg. v. ehemaligen Schülern und Schülerinnen des Philanthropins für alle Freunde der Anstalt. 3 Jahrgänge. Ffm. 1929-31.John Elsas gratuliert. (In Farben, Formen und Versen.) In: Das Philanthropin 2 (1930), H. 1/2, S. 25. | Dietz, Alexander: Stammbuch der Ffter Juden. Ffm. 1907.Dietz: Stammbuch d. Ffter Juden 1907, S. 68. | Elsas, John: Meine Bilder werden immer wilder. 33 Blätter mit Versen und Zeichnungen. Hg. v. Marion Herzog-Hoinkis. Ffm./Leipzig 2002. (Insel-Bücherei 1228).Elsas: Meine Bilder werden immer wilder 2002. | [Elsas, John:] Meine Bilder werden immer wilder. Bilder von John Elsas. Ausstellungskatalog. [Fürth] 2008.Elsas: Meine Bilder werden immer wilder 2008. | Hoppe, Dorothee: Der Ffter Künstler John Elsas 1851-1935. Wiesbaden 2014. (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 29).Hoppe: John Elsas 2014. | Hoppe, Dorothee: John Elsas. Vom Börsenmakler zum Künstler. Berlin/Leipzig 2020. (Jüdische Miniaturen 255).Hoppe: John Elsas 2020. | Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde. 32 Nummern. Ffm./Leipzig, später Berlin 1990-2013.Hoppe, Dorothee: Die Geschichte einer John-Elsas-Ausstellung. In: Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde 25 (2006), S. 40-47. | Kunze, Max (Hg.): John Elsas (1851-1935), seine Collagen, Aquarelle und Knittelverse. „Mein ganzes Leben war ein Fehler, da wurd ich Maler und Erzähler“. Sammlung Florence G. Katalog: Jutta und Max Kunze. [Katalog einer Ausstellung im Winckelmann-Museum, Stendal, 14. Juni bis 7. September 2014.] Ruhpolding/Mainz/[Wiesbaden] 2014.Kunze (Hg.): John Elsas 2014. | Kunze, Max (Hg.): John Elsas (1851-1935), seine Collagen, Aquarelle und Knittelverse. „Mein ganzes Leben war ein Fehler, da wurd ich Maler und Erzähler“. Sammlung Florence G. Katalog: Jutta und Max Kunze. [Katalog einer Ausstellung im Winckelmann-Museum, Stendal, 14. Juni bis 7. September 2014.] Ruhpolding/Mainz/[Wiesbaden] 2014.Hoppe, Dorothee: Vom Börsenmakler zum Künstler. Zur Biografie von John Elsas (1851-1935). In: Kunze (Hg.): John Elsas 2014, S. 13-31. | Heinrich Hoffmann trifft John Elsas. Eine Ausstellung der Heinrich-Hoffmann-Gesellschaft e. V. aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Struwwelpeter-Museums Ffm. in der Schirn Kunsthalle Fft. [Ausstellungskatalog. Hg.: Heinz Vogel.] Ffm. 2001.Vogel (Hg.): Heinrich Hoffmann trifft John Elsas 2001.
Quellen: Adressbuch der Stadt Ffm., 1832-2003.Adr. | Das Illustrierte Blatt. [Nebentitel seit 1929: Ffter Illustrierte.] Die junge Zeitschrift für Haus und Familie, behagliche Freude, für Freizeit, Jugend und unterhaltsames Wissen. 32 Jahrgänge. Ffm. 1913-44.Reifenberg, Benno: 10.000 Bilder gemalt und geklebt, von John Elsas. In: Das Ill. Blatt 17 (1929), Nr. 19, 11.5.1929, S. 528. | Deutsches Literaturarchiv Marbach.DLA Marbach, Nachlass Siegfried Kracauer, 9 Briefe von John Elsas an Siegfried Kracauer, 1930-31. | Ffter Zeitung und Handelsblatt. Ffter Handelszeitung. Neue Ffter Zeitung. Ffm. (1856) 1866-1943.Reifenberg, Benno: John Elsas klebt Bildchen. [Erster Zeitungsbericht über Bilder von John Elsas, damals bei der Kunsthandlung Schames.] In: FZ, 21.12.1928. | Hessisches Landesarchiv (HLA), Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW).HLA, Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Devisenakten, Best. 519/3 Nr. 2127 (Irma Elsas). | ISG, Stadt- und Amtsgericht, Anträge auf Eintrag ins Handelsregister, 1860-1930.ISG, Amtsgericht: Handelsregisteranträge, Nr. 641. | ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA T 2.863. | ISG, Einwohnermeldekartei („Nullkartei“), ca. 1870-1930.ISG, Nullkartei. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/16.257. | Museum im Lagerhaus, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St. Gallen/Schweiz.Nachlass: Museum im Lagerhaus, Stiftung für schweizerische Naive Kunst u. Art Brut, St. Gallen/Schweiz. | Standesamt Ffm.Standesamt Ffm., Attestatenkartei (für die Vorfahren von E.). | Städelsches Kunstinstitut, Archiv, Ffm.Städelsches Kunstinstitut, Archiv, Akte 634.
Internet: Bundesarchiv, Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Onlineversion. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?id=858574
Hinweis: Eintrag für Irma Irena Elsas.
Bundesarchiv, Gedenkbuch für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland, 7.7.2020.
| Internetpräsenz des Städel Museums, Ffm. https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/elsas-john
Hinweis: Eintrag zu John Elsas in der digitalen Sammlung.
Städel, 5.7.2020.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/John_ElsasWikipedia, 5.7.2020.

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Empfohlene Zitierweise: Hoppe, Dorothee: Elsas, John. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3369

Stand des Artikels: 9.7.2020
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 07.2020.