Sohn des Kaufmanns Friedrich, gen.
Fritz, K. (1856-1916) und dessen Ehefrau Auguste, geb. Epstein (1859-1929). Onkel von K. waren die bekannten Ffter Juweliere und Mäzene
Robert K. (1852-1902) und
Louis K. (1862-1930). Verheiratet (seit 1914) mit
Maria Margarete K., geb. Rosenthal (1892-1973). Fünf Kinder: Eva, später gen. Chava, K. (später verh. Weiss, 1915-?), Hanna, später gen.
Helen, K. (später verh. Elder, 1917-?), Gertrud K. (1918-1991), Barbara, später gen.
Naomi, K. (später verh. Laqueur, 1920-1995) und Friedrich K. (1922-1986). Ein Schwiegersohn von Richard K. war der amerikanische Historiker Walter Laqueur (1921-2018).
K. besuchte das städtische Gymnasium bzw. nach dessen Teilung 1897 das Goethe-Gymnasium in Ffm. Nach der Reifeprüfung 1901 studierte er Medizin an den Universitäten von München, Lausanne, Heidelberg und Berlin. In Berlin bestand er 1908 das ärztliche Staatsexamen und begann sein einjähriges Medizinalpraktikum am Rudolf-Virchow-Krankenhaus. 1909 promovierte K. mit einer Arbeit „Zur Funktionsprüfung der Leber nach der Methode von K(arl) Glaessner“ an der Universität Leipzig. Nachdem er bereits im Winter 1905/06 einen sechsmonatigen Militärdienst in Karlsruhe absolviert hatte, folgte ab November 1909 eine zweite Militärdienstzeit als einjährig-freiwilliger Arzt in Berlin. Während dieser Zeit erkrankte K. an einer Sepsis, an deren Folgen er sein Leben lang litt.
Nach seiner Genesung war K. von Oktober 1910 bis Anfang September 1911 als Assistent bei dem Internisten Ludolf von Krehl (1861-1937) an der Medizinischen Klinik in Heidelberg tätig. Anschließend kehrte er in seine Heimatstadt zurück und arbeitete bis Ende April 1913 als Assistenzarzt bei Alfred Schwenkenbecher (1875-1963), Krehls Schwiegersohn, an der Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses in Sachsenhausen. Zum 1.5.1913 wechselte K. an das von
August Knoblauch geleitete Städtische Siechenhaus im Sandhof in Ffm. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs arbeitete K., der aufgrund der Sepsisfolgen nicht fronteinsatzfähig war, zunächst als Zivilarzt im Reservelazarett Bad Orb. Von Januar 1915 bis Oktober 1917 vertrat er den Internisten und Universitätsprofessor Julius Strasburger (1871-1934) als Leiter der Medizinischen Poliklinik und der Aufnahmeabteilung am Städtischen Krankenhaus in Ffm. Während dieser Zeit hielt er an der Medizinischen Fakultät der 1914 gegründeten Ffter Universität nicht nur Vorlesungen über Innere Medizin, sondern bot auch eine Einführung in die Geschichte der Medizin an. Sein 1917 auf der Grundlage seines Buchs „Die ärztliche Diagnose“ gestelltes Habilitationsgesuch wurde von der Universität Ffm. abgelehnt. Daraufhin verließ K. die Universität und ließ sich 1918 als Internist in der Savignystraße 8 im Westend nieder. In diesem Haus lebte er mit seiner Familie bis zur Emigration 1936. Von November 1918 bis Juli 1920 war K. zudem als leitender Arzt des „Krankenhauses Kronenhof“ in der Scharnhorststraße (heute: Baseler Straße) tätig, einer Zweiganstalt des Städtischen Krankenhauses in einem Lehrlings- und Kellnerwohnheim, das während des Kriegs als Lazarett eingerichtet worden war.
Mit der Neuauflage seines Buchs über „Die ärztliche Diagnose“ gelang K. 1920 seine Habilitation für das Fach Geschichte der Medizin an der Ffter Universität. Seine am 25.10.1920 gehaltene öffentliche Antrittsvorlesung trug den Titel „Die Bedeutung der Geschichte der Medizin für den Arzt“. 1922 wurde K. unter Erweiterung seiner Venia Legendi zum „Privatdozenten für die Geschichte und die philosophischen Grundlagen der Medizin“ ernannt, und 1926 erhielt er den Titel eines außerordentlichen Professors. Am 1.4.1927 wurde das „Seminar für Geschichte der Medizin“ gegründet, wobei es sich hierbei um ein Ein-Raum-Seminar handelte, für das
Hans Bluntschli, der Direktor des Anatomischen Instituts, im Herbst 1927 Räumlichkeiten im Anatomiegebäude zur Verfügung stellte. K.s seit 1925 bestehender unbesoldeter Lehrauftrag für Geschichte der Medizin wurde erst 1931 in einen besoldeten Lehrauftrag umgewandelt. Während der 1920er Jahre war K. auch als Dozent des Freien Jüdischen Lehrhauses in Ffm. aktiv. Dessen Gründer
Franz Rosenzweig, der an amyotropher Lateralsklerose (ALS) litt, wurde von ihm ärztlich betreut. Zudem schrieb K. über medizinische und naturwissenschaftliche Themen für die Ffter Zeitung.
Nachdem K. noch im Januar 1933 neue Räumlichkeiten für sein Seminar in der Westendstraße 55 erhalten hatte, wurde er im April des Jahres mit sofortiger Wirkung als Dozent beurlaubt. Im September 1933 wurde ihm nach Paragraph 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Lehrbefugnis entzogen. Er konnte zunächst seine Praxis in beschränktem Umfang fortführen, die Einnahmen waren jedoch gering. Seit März 1936 musste er sich täglich bei der Polizei melden. Als er einige Monate später gewarnt wurde, dass seine Verhaftung bevorstehe, floh er – vorerst ohne seine Familie – zu Verwandten nach Brüssel. Im April 1937 konnte K. mit seiner Frau und seinem Sohn über Prag nach Moskau reisen, wo sie die sowjetische Staatsangehörigkeit erhielten. Ab September 1937 lebte die Familie in Essentuki, einem Badeort im Kaukasus. Dort war K. fortan als therapeutischer Konsultant an der Klinik des Balneologischen Instituts, als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kurverwaltung und Berater von Sanatorien tätig. Als deutsche Truppen den Kaukasus bedrohten, floh die Familie nach Georgien, wo K. von August 1942 bis zum April 1943 als neurologischer Konsultant in verschiedenen Krankenhäusern arbeitete. Nach seiner Rückkehr nach Essentuki musste er seine wertvolle medizinische Bibliothek verkaufen. Nach Kriegsende wurde er aus dem Balneologischen Institut entlassen, 1949 wurde ihm das Arbeitsrecht entzogen. 1948 wurde ihm von der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften ein medizinischer Ehrendoktortitel verliehen. Zum wiederholten Mal an Malaria erkrankt, starb K. Ende Juli 1949 im Alter von 66 Jahren.
Medizinische Veröffentlichungen (in Auswahl): „Die ärztliche Diagnose. Beitrag zur Kenntnis des ärztlichen Denkens (1917/20), „Ärztliches Denken. Abhandlungen über die philosophischen Grundlagen der Medizin“ (1923), „Irrtümer der allgemeinen Diagnostik“ (1923), „Das Als-Ob im ärztlichen Denken“ (1924), „Der Anteil der Geisteswissenschaften an den Grundlagen der Medizin“ (Aufsatz, 1926), „War Georg Ernst Stahl ein selbständiger Denker?“ (Aufsatz, 1926), „Die Geschichte der Medizin im Universitätsunterricht“ (Aufsatz, 1928), „Die Autobiographie von Wilhelm Roux als Dokument zum Mechanismus-Vitalismusstreit“ (Aufsatz, 1929), „Der Zauber der Heilquellen. Eine Studie über
Goethe als Badegast“ (1933).
Im sowjetischen Exil hatte K. unter dem Titel „Zeit vor Eurer Zeit“ autobiographische Aufzeichnungen verfasst, die unvollendet blieben und erst 2003 in Auswahl veröffentlicht wurden.
Zahlreiche Kunstgegenstände aus dem Besitz von K. gelten als verschollen, darunter mehrere Einzelporträts von K., seiner Frau und den gemeinsamen Kindern, gemalt von der Ffter Künstlerin
Ottilie W. Roederstein, sowie Werke von August Macke (1887-1914) und
Jakob Nussbaum.
In Ffm. war das von K. begründete Seminar für Geschichte der Medizin im November 1935 offiziell aufgelöst worden, doch bereits 1938 wurde dessen Wiedererrichtung – nun als „Senckenbergisches Institut für Geschichte der Medizin“ – bekanntgegeben. Dessen erster Leiter wurde Walter Artelt (1906-1976).
Zum 100. Geburtstag von K. 1982 ehrte ihn das Senckenbergische Institut für Geschichte der Medizin an der Ffter Universität mit einem Gedenksymposium (8./9.9.1982).
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