Jüngstes von fünf Kindern von Ferdinand H. (1843-1916) und dessen Ehefrau
Anna Pauline, geb. Mayer (1850-1925). Bruder von
Paul H.Die Familie gehörte dem assimilierten jüdischen Bürgertum an. H. besuchte das Goethe-Gymnasium, verließ die Schule aber schon mit 14 Jahren und trat in das Unternehmen seiner mütterlichen Familie ein, die Offenbacher Lederfabrik „J. Mayer & Sohn“, die von Roberts Onkel Ludo Mayer (1845-1917) geführt wurde. Da Mayer keine Nachkommen hatte, war H. als sein Nachfolger in der Firma vorgesehen. Er lernte das Geschäft des Lederhandels, der Lederproduktion, -verarbeitung und -veredelung von der Pike auf. 1906 wurde er Teilhaber der Firma; von 1909 bis 1911 erlebte er den großzügigen Neubau des Firmenkomplexes mit einer monumentalen Straßenfront an der Mainstraße (abgerissen 1970; Bauschmuck teilweise erhalten) durch den Architekten Hugo Eberhardt (1874-1959), den damaligen Direktor der Technischen Lehranstalten (der heutigen Hochschule für Gestaltung) in Offenbach. Zur Einweihung erschien Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt. Diese Begegnung hatte 1913 die Erhebung H.s in den großherzoglich-hessischen Adelsstand zur Folge. Die Ehre war eigentlich Ludo Mayer zugedacht, der jedoch bat, sie auf seinen Neffen und Firmenerben zu übertragen. Dieser nannte sich seither Robert von H. Er war der einzige seiner Familie, dem die Adelung zuteilwurde. Im Ersten Weltkrieg diente H. als preußischer Leutnant der Kavallerie zeitweilig an der Ostfront. Als 1917 sein Onkel Ludo Mayer starb, wurde H. alleiniger Besitzer der Offenbacher Lederfabrik. Er verstand es, das Unternehmen mit internationalen Handelsbeziehungen zu einem führenden der Branche auszubauen.
Seinen Wohnsitz hatte H. in Ffm. behalten. Zunächst lebte er in seinem Elternhaus in der Westendstraße 52 (nicht erhalten). Mitte der 1920er Jahre bezog er ein großbürgerliches Haus in der Bockenheimer Landstraße 104 (kriegszerstört). 1927 ließ er zusätzlich ein Haus in der Friedrichstraße 64 (abgerissen 2010) bauen. Bereits im August 1932 meldete er einen zweiten Wohnsitz in Basel (Gellertstraße 101) an. Der Machtantritt der Nazis 1933 veranlasste H. zur baldigen Emigration. Er bemühte sich um rasche Abwicklung seiner Positionen und seines Vermögens in Ffm. und Offenbach und zog nach Basel. Er sollte Deutschland nie wieder betreten. Bei der Übersiedlung nach Basel erlitt er große Transferverluste und Vermögenseinbußen; sein Hausbesitz ging an die Stadt Ffm. über, und die Offenbacher Lederfabrik wurde von der Firma Salamander übernommen. Für all diese Verluste beantragte H. nach 1945 Kompensationen in Restitutionsverfahren. In Basel war H. weiter in seiner Branche tätig und betrieb dort erfolgreich die „Lederhandels AG“, so dass ihm auch im Exil ein großbürgerlicher Lebensstil möglich war. 1934 bezog er ein großes Haus mit eindrucksvoller Gartenanlage in der Engelgasse 55 nahe der Baseler Innenstadt. Es war ein repräsentatives Ambiente, von dem aus ihm eine baldige Integration in die Baseler Stadtgesellschaft gelang. Zugleich erlebte H. von Basel aus, wie seine Ffter Verwandten in Bedrängnis gerieten. Sein Bruder
Paul H. konnte und musste 1936 mit seiner Familie nach England emigrieren. Dagegen wurde der Bruder Karl H. (1875-1938), promovierter Jurist und Amtsgerichtsrat in Ffm., ein Opfer des NS-Regimes. Bei dem Pogrom im November 1938 wurde er verhaftet und im KZ Buchenwald inhaftiert. Robert von H. versuchte, ihn mit der sehr hohen Summe von 500.000 Schweizer Franken freizukaufen. Doch der Bruder erlag den Strapazen. Robert von H. sorgte für die Beisetzung der Urne auf dem Jüdischen Friedhof in Ffm.-Griesheim (am 3.2.1939 als letzte Bestattung überhaupt auf dem dortigen Friedhof), wo sich der Grabstein für Karl H. findet. Auch die gezahlte Lösegeldsumme war Gegenstand der Restitutionsprozesse nach 1945.
Im Jahr 1940 erhielt H. die Schweizer Staatsbürgerschaft. Er heiratete 1945 seine Jugendfreundin Martha Dreyfus (1892-1965). Sie war die Tochter des Ffter Juweliers
Louis Koch und in erster (geschiedener) Ehe mit dem Bankier Willy Dreyfus (1885-1977) verheiratet gewesen, mit dem sie zwei erwachsene Kinder, Sohn und Tochter, hatte. 1955 wurde H. zum Ehrendoktor der Universität Basel ernannt. Aus der Israelitischen Gemeinde von Basel trat er 1957 aus. Bis zu seinem Tod 1977, mehr als 40 Jahre lang, wohnte er in seinem Haus in der Baseler Engelgasse.
Allgemeine kulturhistorische und im engeren Sinne kunstgeschichtliche Bedeutung erlangte H. als Kunstsammler. Aus einem kunstsinnigen Elternhaus stammend, war er schon früh dem Städel verbunden. 1906 wurde dort
Georg Swarzenski als neuer Direktor berufen. Bald freundete sich H. eng mit ihm an und betrachtete ihn als seinen Mentor. Vielfach analog zu
Swarzenskis Akquisitionen für das Städel begann H. selbst mit dem Aufbau einer Kunstsammlung. Lag ein Schwerpunkt des Städeldirektors vor dem Ersten Weltkrieg im Erwerb moderner französischer Kunst (von Monet, Manet,
Courbet, Renoir, Degas etc.), so begann auch H. 1907 seine Karriere als Kunstsammler entsprechend mit dem Ankauf eines Gemäldes von Toulouse-Lautrec bei Bernheim-Jeune in Paris; noch im gleichen Jahr erwarb er als zweites Bild bei dem Ffter Kunsthändler Ludwig Schames ein Ölgemälde von Picasso („Scène de Rue“ von ca. 1901). 1917 kaufte H. in München das Gemälde „Fleurs et Céramique“ („Blumen und Keramik“, 1911/13) von Henri Matisse und schenkte es dem Städel; das Bild wurde 1937 als „entartet“ aus dem Städel entfernt und in die USA verkauft, hängt seit der Rückerwerbung 1962 jedoch heute wieder im Städel. Moderne französische Kunst, insbesondere von van Gogh und Cézanne, blieb ein Schwerpunkt von H.s Sammelaktivitäten, der später vor allem auch von seiner Frau Martha H. verstärkt gepflegt wurde.
Das Sammeln von Kunst wurde zunehmend zum Kernanliegen in H.s Leben. Seit den 1920er Jahren wandte er sich intensiv der Kunst des Mittelalters und der Renaissance zu. Neben Gemälden und Zeichnungen erwarb er auf diesem Sammlungsgebiet vermehrt kostbares Kunstgewerbe wie kirchliches Kultgerät, Elfenbeinschnitzereien, Emaillearbeiten, illuminierte Handschriften, Mobiliar, Porzellan, Lederarbeiten, historische Kassetten etc. In diesem Bereich fand H. seine eigentliche Bestimmung als Sammler; hier erreichte er jene Dichte und Qualität an Werken, die den Ruhm seiner Kollektion begründeten. H. folgte auch hier dem Vorbild seines Mentors
Swarzenski, der in den Zwanzigerjahren verstärkt die Abteilungen der Alten Kunst am Städel ausbaute: durch die Stiftung der Ahnengalerie der
Familie Holzhausen, durch den Tausch der Bilder aus Ffter Kirchenbesitz vom Historischen Museum in die Städtische Galerie, durch den Erwerb aus der Sammlung der Hohenzollern auf Schloss Sigmaringen, durch den Verkauf des Welfenschatzes etc. H. war durch diese Aktivitäten stark inspiriert und erwarb oft in enger Abstimmung mit
Swarzenski umfangreiche Konvolute, insbesondere aus der Sigmaringer Sammlung. Es war daran gedacht, dass H. diese Stücke später einmal dem Städel und anderen Ffter Häusern stiften sollte, um so die Bestände in Ergänzung zu den Ankäufen
Swarzenskis abzurunden. Eine damals vollzogene Schenkung (1928) ging an das Museum für Kunsthandwerk (heute: Museum Angewandte Kunst): ein kleines Emaille-Medaillon „FIDES BABTISMVS“ aus dem Kloster Stablo im Maasgebiet aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, das heute zu den kostbarsten Stücken in der Sammlung des Hauses gehört. Schenkungen gingen auch an das Deutsche Ledermuseum in Offenbach, zu dessen wichtigsten Stiftern und Förderern H. zählte. Als Leihgeber war H. seinerzeit in diversen Ausstellungen vertreten, so auf der Ausstellung von Meisterwerken Alter Kunst aus Ffter Privatbesitz 1925 oder auf der Ausstellung „Vom Sinnbild zum Abbild“ mit modernen Werken 1931. Darüber hinaus wurde er Mitglied in diversen Gremien wie der Administration des Städel und dem Vorstand des Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Vereins, und er gehörte zahlreichen Vereinen und Gesellschaften an, u. a. der sehr exklusiven Ffter Bibliophilen-Gesellschaft.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 machte den langfristigen Plan einer großzügigen Stiftung an die Ffter Museen zunichte. H. nahm seine gesamte Sammlung mit in die Emigration – bis auf ein Stück. Bei dem betreffenden Objekt handelte es sich um das Gemälde „Urteil des Paris“ von Lucas Cranach d. Ä. aus dem Jahr 1528, das auf der Liste des national wertvollen Kulturguts stand. H. musste es in Deutschland zurücklassen, wo es in die Sammlung von Hermann Göring gelangte; nach dem Krieg erhielt H. das Bild im Rahmen eines Restitutionsverfahrens zurück. H. vermochte sich auch kulturell in Basel gut zu etablieren, baute seine Sammlung weiter aus und machte dem dortigen Kunstmuseum diverse Schenkungen, u. a. anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft 1940 ein Bild von Gauguin und später auch das Cranach-Gemälde.
H. übertrug nun die Absicht, seine Sammlung zu stiften, zunächst auf Basel. Doch angesichts der starken Hinwendung der Baseler Museen zur zeitgenössischen Kunst seit Ende der 1950er Jahre änderte er seine Pläne sukzessive ab. Basel wurde durch frühe Aufnahme der neuen amerikanischen Kunst (Mark Rothko, Barnett Newman etc.), durch Präsentation und Ankäufe von Joseph Beuys, aber auch durch populäre Aktionen wie das Picasso-Fest 1967 zu einem europäischen Vorposten in der Rezeption von Gegenwartskunst. H. goutierte diese Entwicklung nicht; er war der Ansicht, der Erwerb zeitgenössischer Kunst sei Aufgabe von Privatsammlern, während sich Museen auf kanonisierte Werke zu beschränken hätten. Seine Haltung führte zu Kontroversen mit den führenden Museumsleuten und der Kulturverwaltung in Basel. Dies bewog H. dazu, seine Stiftungspläne zurückzunehmen, seine Zuwendungen an das Kunstmuseum in Basel, aber auch an das Städel in Ffm. auf einige ausgewählte Legate zu beschränken und testamentarisch anzuordnen, dass seine Sammlung nach seinem Tod versteigert werden solle. In Würdigung von
Georg Swarzenski und Edmund Schilling (dem früheren Leiter der Graphischen Sammlung) erhielt das Städel aus H.s Nachlass testamentarisch vorab zwei Arbeiten zugesprochen: Bartolomeo Bulgarinis „Die Blendung des heiligen Victor“ aus dem 14. Jahrhundert und eine Federzeichnung „Der verlorene Sohn im Bordell“, damals für einen Rembrandt gehalten, heute Ferdinand Bol zugeschrieben.
Wenige Monate nach H.s Tod wurde seine gesamte Sammlung im Frühjahr 1978 im Städel und in Zürich präsentiert; es war ein Preview für die im Juni an vier Tagen abgehaltene Versteigerung bei Sotheby’s in London. Diese Auktion galt als ein Jahrhundertereignis des internationalen Kunsthandels. Zahlreiche Objekte insbesondere der Alten Kunst waren für deutsche Museen von hohem Interesse. Daher planten sie unter der Führung des Bankiers und Vorsitzenden der Städel-Administration
Hermann Josef Abs diskret eine abgestimmte Strategie: Sie benannten jeweils die für sie in Frage kommenden Objekte, um nicht gegeneinander zu bieten; der Bund stellte 20 Millionen Mark in Aussicht, um die einzelnen Museen jeweils hälftig bei ihren Erwerbungen zu unterstützen; es wurden renommierte Kunsthändler beauftragt, damit die Museen bei der Auktion in der Anonymität blieben. Dieses Vorgehen war sehr erfolgreich, so dass sich die deutschen Museen Hauptstücke der Sammlung H. sichern konnten. Das mit 4,6 Millionen Mark teuerste Stück der Auktion, ein Emaille-Medaillon einer Personifikation „Operatio“ aus dem Remaklus-Retabel des Klosters Stablo aus der Mitte des 12. Jahrhunderts (das Gegenstück zu dem oben erwähnten Medaillon „FIDES BABTISMVS“, das H. dem Museum für Kunsthandwerk in Ffm. geschenkt hatte), ging an das Kunstgewerbemuseum Berlin, eine Armilla aus dem Umkreis von
Friedrich Barbarossa an das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, das bedeutende
Düreraquarell „Trintperg“ an die Kunsthalle Bremen. Von den Ffter Museen erwarben das Städel eine Zeichnung von Wolf Huber, einem Zeitgenossen
Dürers, und das Gemälde „Der Traum Jakobs“ von
Adam Elsheimer, das Liebieghaus die „Negervenus“ (Venedig, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts) und das Museum für Kunsthandwerk einen äußerst raffiniert gefertigten Toilettentisch von Abraham und David Roentgen (1769). Der Gesamterlös der Londoner Auktion, auf der auch zahlreiche Käufe aus Übersee getätigt wurden, betrug 78 Millionen Mark.
H.s Großnichte, die aus Ffm. stammende Schriftstellerin Silvia Tennenbaum (1928-2016), nahm ihn zum Vorbild für die literarische Figur des Bankiers und Kunstsammlers Eduard Wertheim in dem Roman „Yesterday’s Streets“ (1981; dt. u. d. T. „Straßen von gestern“, 1983). Das Stillleben „Fleurs et Céramique“ von Matisse spielt in dem Roman ebenfalls eine Rolle.
2014 Ausstellung „Passion. Die Sammlung Martha und Robert von H.“, eine Projektion (auf der Grundlage von Glasplattennegativen der Kunstwerke aus der Sammlung) von Agnes Stockmann und Jon Pahlow, im Museum Judengasse des Jüdischen Museums Ffm.
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